Skurrile Homeoffice-Regel ärgert Vorarlbergs Pendler

Politik / 19.04.2024 • 16:50 Uhr
Zwei GrenzgŠnger erzŠhlen Ÿber ihre gesetzlichen Probleme beim Homeoffice
Julian King (links) und Wolfgang Scheffer würden gerne mehr im Homeoffice arbeiten. VN/Steurer

Die eigenen vier Wände von Grenzgängern könnten plötzlich zu Betriebsstätten werden.

Schwarzach Mehr als 16.000 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger fahren jeden Tag über die Grenze, um im Ausland Geld zu verdienen. Wie Julian King und Wolfgang Scheffer. Die beiden 41-jährigen Programmierer arbeiten für ein Unternehmen in der Bodenseeregion und pendeln. Täglich muss das längst nicht mehr sein. Spätestens seit den pandemiebedingten Lockdowns ist das Homeoffice zum gewöhnlichen Arbeitsort geworden. Zumindest im Rahmen des Gesetzes. Und da stehen die beiden Programmierer – wie alle Pendlerinnen und Pendler – vor einem Problem: Ab einer gewissen Zahl an Homeoffice-Tagen könnte die eigene Wohnung plötzlich als Betriebsstätte gelten. Der Vorarlberger Grenzgängerverband fordert rasche Gesetzesänderungen.

Einige Änderungen

Einiges hat sich schon getan. Bei der Einkommenssteuer und der Sozialversicherung ist das Homeoffice für Grenzgänger stark erleichtert worden. In einem Punkt stehen die Grenzgänger aber weiterhin vor einem Problem. Arbeiten sie mehr als 25 Prozent im eigenen Zuhause, könnte dieses vom Finanzamt als Betriebsstätte eingestuft werden – zumindest theoretisch. Das lässt manche Betriebe vorsichtig werden.

Zwei GrenzgŠnger erzŠhlen Ÿber ihre gesetzlichen Probleme beim Homeoffice
Die beiden Grenzgänger schildern den VN ihre Probleme. VN/Steurer

Auch der Arbeitgeber von Julian King und Wolfgang Scheffer möchte dieses Risiko lieber nicht eingehen. King fährt aus Rankweil eineinhalb Stunden ins Büro, Scheffer braucht etwas weniger lang, er wohnt in Dornbirn. “Wir sind Programmierer. Wir können den Laptop überall aufklappen und arbeiten”, erzählt Scheffer. Zu Hause darf er das nur einmal pro Woche tun, weil das Unternehmen das Betriebsstättenrisiko nicht eingehen möchte. “Von dieser Regel hat niemand etwas”, ärgert sich King. “Dem Unternehmen nützt sie nichts, weil es mit Homeoffice als Arbeitgeber attraktiver wäre. Den Mitarbeitern nützt sie nichts, weil sie weit pendeln müssen. Dem Finanzamt nützt sie nichts, weil der Prüfaufwand sehr hoch und die Erträge wirklich gering sind. Es ist eine lose-lose-lose-Situation.”

VGV ärgert sich

Herbert Fechtig vom Vorarlberger Grenzgängerverband (VGV) spricht von einer typisch österreichischen Vorgangsweise: “Komplizierter geht es immer.” Der Staat berufe sich auf eine OECD-Richtlinie, die allerdings unterschiedlich gehandhabt werden kann, fährt Fechtig fort. “Vor allem Österreich scheint dies sehr streng auszulegen.” Umgekehrt sei das nämlich in Deutschland und der Schweiz nicht der Fall.

Regeln werden geprüft

Eine Betriebsstätte sei immer in Einzelfall zu prüfen, erklärt ein Sprecher des Finanzministeriums auf VN-Anfrage. In die Beurteilung fließe nicht nur ein, wie viel der Arbeitnehmer zu Hause ist, sondern auch die Tätigkeit selbst und wie der Arbeitsplatz genutzt wird. Gegen eine Betriebstätte spreche, wenn sporadisch oder gelegentlich im Homeoffice gearbeitet wird. Ab 25 Prozent könne nicht mehr von einer gelegentlichen Nutzung ausgegangen werden. Allerdings: “Sofern der Arbeitgeber das Arbeiten im Homeoffice nicht verlangt, könnte die Begründung einer Betriebsstätte verneint werden.” Hat der Mitarbeiter also im Unternehmen einen fixen Arbeitsplatz, könne davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber Homeoffice nicht verlangt. “Die Frage der Begründung von Betriebsstätten im Rahmen von Homeoffice wird aktuell auch auf internationaler Ebene diskutiert”, fährt der Sprecher fort. Denn grenzüberschreitendes Homeoffice habe zugenommen. “Vor diesem Hintergrund werden aktuell die internationalen Regelungen auf ihre Praxistauglichkeit geprüft und mögliche alternative Regelungen diskutiert.”

Schlupfloch

Höchste Zeit, finden Julian King und Wolfgang Scheffer. Sie hätten aber noch ein Schlupfloch parat. “Nur um die Absurdität darzustellen”, sagt King. Wenn jemand nur 25 Prozent zu Hause arbeitet und weitere 25 Prozent im Kaffee ums Eck, wäre man sicher. King ist überzeugt: “Wenn es schon so eine Möglichkeit gibt, stellt sich die Sinnhaftigkeit der Betriebsstättenregel insgesamt infrage.”