Warum Österreich im Ernstfall nur begrenzt wehrbereit wäre

Politik / 21.04.2024 • 15:15 Uhr
Warum Österreich im Ernstfall nur begrenzt wehrbereit wäre
25 Prozent der österreichischen Männer und sieben Prozent der Frauen wären bereit, im Falle des Falles zur Verteidigung des eigenen Landes persönlich zur Waffe zu greifen. Foto: APA

Nur eine Minderheit würde zur Waffe greifen, um Österreich im Ernstfall zu verteidigen.

SCHWARZACH. Vorweg: Franz Eder, Sicherheitsexperte an der Uni Innsbruck, betont, dass ein militärischer Angriff auf Österreich „sehr unwahrscheinlich“ sei: „Ich kenne kein Szenario, in dem ein solcher enthalten ist.“ Weil in Europa Krieg herrscht, hat er mit einigen Kollegen jedoch die Wehrbereitschaft der Bevölkerung erhoben. Ergebnis nach rund 3000 Befragungen: „Wir haben eine Wehrbereitschaft, die global zu den niedrigsten zählt.“

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Zwar finden 72 Prozent, dass bei einem Angriff auf Österreich andere EU-Staaten militärisch zu Hilfe eilen sollten, aber nur 14 Prozent sagen, dass man umgekehrt einem anderen Mitgliedsstaat ebenso beistehen sollte, wenn er angegriffen wird. Und: Nur ein Bruchteil erklärt sich bereit, im Falle des Falles zur Verteidigung des eigenen Landes persönlich zur Waffe zu greifen. Bei den Männern handelt es sich um 25, bei den Frauen um sieben Prozent. Das ist der Kern, um den es bei der Wehrbereitschaft geht. Dass viele weitere Menschen dafür zu haben wären, sich im Ernstfall anders militärisch zu engagieren und zum Beispiel Soldaten zu versorgen oder zivil einen Sanitätsdienst zu leisten, hat keinen entscheidenden Einfluss darauf.

ABD0024_20221027 – WIEN – …STERREICH: ++ THEMENBILD ++ Gardesoldaten des Bundesheeres im Rahmen eines Besuches des ungarischen Staatsoberhauptes in Wien am Donnerstag, 27. Oktober 2022. – FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER
Zu sehr werde der Eindruck vermittelt, dass Österreich nichts tun müsse, weil man durch die Neutralität angeblich geschützt sei, findet Sicherheitsexperte Eder. Foto: APA

In skandinavischen Ländern liegt die Wehrbereitschaft laut Eder bei 80, 90 Prozent. Bei ihnen sehe man auch, was relevant ist: „Erstens, die wahrgenommene Bedrohung. Sie ist in Schweden und Finnland wegen Russland eine größere als in Österreich. Zweitens: Dort wird darüber geredet. In Österreich drückt sich die Politik davor. Sie zieht es vor, den Eindruck zu vermitteln, dass wir nichts tun müssten, weil uns die Neutralität angeblich schütze.“ Bezeichnend dafür sei, dass es ÖVP und Grüne noch nicht einmal geschafft haben, eine zeitgemäße Sicherheitsstrategie vorzulegen. In der bestehenden aus dem Jahr 2013 wird Russland als strategischer Partner bezeichnet.

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Der Bevölkerung sei kein Vorwurf zu machen, betont Eder zur begrenzten Wehrbereitschaft: „Von Drückebergern zu reden, wäre unfair. Es liegt in der politischen Verantwortung, eine Bewusstseinsbildung durchzuführen.“

Andererseits: Wozu, wenn kein Angriff droht? Für den Sicherheitsexperten ist es trotzdem wichtig, sich damit auseinanderzusetzen: „Wir sind Teil der EU, Teil einer Wertegemeinschaft, wir können nicht einfach nur Trittbrettfahrer sein.“ Es gehe darum, sich zu überlegen, welchen Beitrag zur Sicherheit man leisten könne.

Franz Eder
„Wir sind Teil der EU, Teil einer Wertegemeinschaft, wir können nicht einfach nur Trittbrettfahrer sein”, stellt Franz Eder von der Uni Innsbruck fest. Foto: Andreas Friedle

Auch Ernest Enzelsberger, Präsident der Gesellschaft für Landesverteidigung und Sicherheitspolitik in Vorarlberg, sieht ein „Kommunikationsproblem“: „Damit befinde ich mich offenbar in recht guter Gesellschaft“, so der langjährige VN-Redakteur. Er verweist etwa auf den Ex-Diplomaten Franz Cede. In einer Standortbestimmung stellt der gebürtige Feldkircher fest, dass die österreichische Bevölkerung nicht darüber informiert sei, wie es um die Neutralität wirklich steht. Das sei ein „arges Versäumnis der politischen Klasse“.

Enzelsberger: Ungeheurer Nachholbedarf

„Tatsache ist, dass wir in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik einen ungeheuren Nachholbedarf haben“, so Enzelsberger. Man beginne zwar nicht bei null, müsse sich aber an die Arbeit machen. Vorschläge: Von einer Wiedereinführung verpflichtender Milizübungen bis zu einer Wiederbelebung und Anpassung der geistigen Landesverteidigung, die in den vergangenen Jahren ausgesetzt bzw. vernachlässigt wurden.