Bisher „lächerlich“: Wann der Ersatz für Anwaltskosten steigt

Politik / 24.04.2024 • 17:00 Uhr
ABD0011_20230726 – WIEN – …STERREICH: Heinz-Christian Strache und Anwalt Johann Pauer anl. der Berufungsverhandlung nach FreisprŸchen fŸr Heinz-Christian Strache und Siegfried Stieglitz in Causa Asfinag, aufgenommen am Mittwoch, 26. Juli 2023, in Wien. – FOTO: APA/EVA MANHART
Heinz-Christian Strache (l.) mit seinem Anwalt im Justizpalast. Der frühere Vizekanzler beklagte sich über die horrenden Kosten, die er zu tragen hatte. APA/Eva Manhart

Ein Freispruch kann teuer sein. Nun will der Staat mehr der entstandenen anwaltlichen Kosten ersetzen.

Wien, Feldkirch Er befinde sich am „Rand des Ruins“, schrieb Heinz-Christian Strache auf Facebook. Im November 2021 wandte sich der ehemalige Vizekanzler der Republik an seine Anhänger und bat um Spenden. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn hätten ihn zu diesem Schritt bewogen: Zu hoch seien die „horrenden anwaltlichen Kosten zwecks notwendiger juristischer Verteidigung“. Strache wurde schlussendlich in mehreren Verfahren rechtskräftig freigesprochen, doch er konnte nur einen vergleichsweise geringen Kostenersatz vom Staat ersetzt bekommen. Für Personen in ähnlichen Situation soll sich das jetzt ändern – darauf hat sich die türkis-grüne Regierungskoalition verständigt.

ABD0051_20240306 – WIEN – …STERREICH: ++ THEMENBILD ++ Innenansicht des Justizpalasts, aufgenommen am Mittwoch, 06. MŠrz 2024, in Wien. – FOTO: APA/EVA MANHART
Zahllose Ermittlungen gegen Politikerinnen und Politiker weckten das Interesse am geringen Kostenersatz.APA/eVa Manhart

Verdreißigfachung der Mittel für Kostenersätze

Spätestens seit der zahllosen Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Politikerinnen und Politiker interessierten sich Politikerinnen und Politiker intensiver für dieses Thema; noch im Februar 2020 zeigte sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler von der ÖVP diesbezüglich skeptisch, später war sie das nicht mehr und dann stand auch Justizministerin Alma Zadić von den Grünen dem Thema offen gegenüber. Vor allem letztere verwies aber immer wieder auf Finanzminister Magnus Brunner – der müsse das entsprechende Budget bereitstellen. In einem gewissen Ausmaß wird das nun passieren.

ABD0069_20240424 – WIEN – …STERREICH: vlnr.: Justizministerin Alma Zadic (GrŸne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (…VP) am Mittwoch, 24. April 2024, wŠhrend eines Pressefoyers nach einer Sitzung des Ministerrates in Wien. – FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Justizministerin Alma Zadić (l.) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (r.) präsentierten im Pressefoyer nach dem Ministerrat am Mittwoch die Änderungen. APA

Denn der Kostenersatz bei Freisprüchen wird deutlich erhöht. Laut dem Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium kann der Staat künftig im Extremfall bis zu 60.000 Euro für Anwaltskosten beisteuern. Außerdem bezahlt der Bund erstmals einen Kostenersatz, wenn die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wieder einstellt – bis zu 6000 Euro. Ersetzt werden in allen Fällen nur tatsächliche Kosten: bei Freisprüchen am Bezirksgericht bis zu 5000 Euro, bei Einzelrichterverfahren am Landesgericht maximal 13.000 und bei Verfahren am Schöffen- oder Geschworenengericht bis zu 30.000 Euro.

Mehr Geld bei sehr langen Verfahren

In der Presseaussendung aus dem Bundeskanzleramt werden zudem Ausnahmen erwähnt: „Bei zum Beispiel besonders komplexen Verfahren kann der Höchstsatz um die Hälfte überschritten werden. Bei Verfahren extremen Umfangs kann der Höchstsatz auf das Doppelte erhöht werden.“ Laut dem Gesetzestext hängt das von „außergewöhnlichem Umfang oder besonderer Komplexität“ des Verfahrens ab. Über die Höhe des genauen Ersatzes entscheiden die Richterinnen und Richter.

Andrea Concin, Rechtsanwältin in Feldkirch, die auch Vizepräsidentin der Vereinigung österreichischer StrafverteidigerInnen ist, spricht gegenüber den VN von einem positiven Schritt, aber: „Der ganz große Wurf ist es noch nicht.“ Zwar sei erfreulich, dass Beschuldigte, gegen welche ein Ermittlungsverfahren eingestellt werden, erstmals die Chance auf einen Kostenersatz bekommen.

Bisher „lächerlich“: Wann der Ersatz für Anwaltskosten steigt
Die Kanzlei von Rechtsanwältin Andrea Concin hat ihren Sitz in Feldkirch. Sie ist auch Vizepräsidentin der Vereinigung österreichischer StrafverteidigerInnen. Zur Verfügung gestellt/Michael Kreyer

Der Gesetzgeber könnte aber noch weitergehen, beschreibt Concin ihren ersten persönlichen Eindruck: „Die Regelung wirkt kompliziert, es wird sich erst zeigen, wie die Gerichte das österreichweit hoffentlich einheitlich umsetzen.“ Ebenso reiche der festgeschriebene Höchstbetrag bei sehr großen Verfahren „nicht einmal ansatzweise“ aus. Dieser sei wohl ein politischer Kompromiss gewesen: „Mehr ist nicht finanzierbar.“

Justizministerin Zadić sprach im Pressefoyer nach dem Ministerrat dennoch von einem „entscheidenden Schritt für Rechtsstaat und Justiz“. Zudem sei der Kostenersatz bisher „lächerlich“ gewesen, meinte Verfassungsministerin Edtstadler. Die Betroffenen seien fast zur Gänze auf ihren Ausgaben sitzen geblieben. Es gehe nicht darum, die Honorare von Staranwälten zu bezahlen, sondern eine adäquate Vertretung sicherzustellen. Die nunmehr vorgelegte Regelung soll rückwirkend mit Jahresbeginn in Kraft treten.

Mit Material der Austria Presse Agentur (APA).