Bisher „lächerlich“: Wann der Ersatz für Anwaltskosten steigt

Ein Freispruch kann teuer sein. Nun will der Staat mehr der entstandenen anwaltlichen Kosten ersetzen.
Wien, Feldkirch Er befinde sich am „Rand des Ruins“, schrieb Heinz-Christian Strache auf Facebook. Im November 2021 wandte sich der ehemalige Vizekanzler der Republik an seine Anhänger und bat um Spenden. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn hätten ihn zu diesem Schritt bewogen: Zu hoch seien die „horrenden anwaltlichen Kosten zwecks notwendiger juristischer Verteidigung“. Strache wurde schlussendlich in mehreren Verfahren rechtskräftig freigesprochen, doch er konnte nur einen vergleichsweise geringen Kostenersatz vom Staat ersetzt bekommen. Für Personen in ähnlichen Situation soll sich das jetzt ändern – darauf hat sich die türkis-grüne Regierungskoalition verständigt.

Verdreißigfachung der Mittel für Kostenersätze
Spätestens seit der zahllosen Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Politikerinnen und Politiker interessierten sich Politikerinnen und Politiker intensiver für dieses Thema; noch im Februar 2020 zeigte sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler von der ÖVP diesbezüglich skeptisch, später war sie das nicht mehr und dann stand auch Justizministerin Alma Zadić von den Grünen dem Thema offen gegenüber. Vor allem letztere verwies aber immer wieder auf Finanzminister Magnus Brunner – der müsse das entsprechende Budget bereitstellen. In einem gewissen Ausmaß wird das nun passieren.

Denn der Kostenersatz bei Freisprüchen wird deutlich erhöht. Laut dem Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium kann der Staat künftig im Extremfall bis zu 60.000 Euro für Anwaltskosten beisteuern. Außerdem bezahlt der Bund erstmals einen Kostenersatz, wenn die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wieder einstellt – bis zu 6000 Euro. Ersetzt werden in allen Fällen nur tatsächliche Kosten: bei Freisprüchen am Bezirksgericht bis zu 5000 Euro, bei Einzelrichterverfahren am Landesgericht maximal 13.000 und bei Verfahren am Schöffen- oder Geschworenengericht bis zu 30.000 Euro.
Mehr Geld bei sehr langen Verfahren
In der Presseaussendung aus dem Bundeskanzleramt werden zudem Ausnahmen erwähnt: „Bei zum Beispiel besonders komplexen Verfahren kann der Höchstsatz um die Hälfte überschritten werden. Bei Verfahren extremen Umfangs kann der Höchstsatz auf das Doppelte erhöht werden.“ Laut dem Gesetzestext hängt das von „außergewöhnlichem Umfang oder besonderer Komplexität“ des Verfahrens ab. Über die Höhe des genauen Ersatzes entscheiden die Richterinnen und Richter.
Andrea Concin, Rechtsanwältin in Feldkirch, die auch Vizepräsidentin der Vereinigung österreichischer StrafverteidigerInnen ist, spricht gegenüber den VN von einem positiven Schritt, aber: „Der ganz große Wurf ist es noch nicht.“ Zwar sei erfreulich, dass Beschuldigte, gegen welche ein Ermittlungsverfahren eingestellt werden, erstmals die Chance auf einen Kostenersatz bekommen.

Der Gesetzgeber könnte aber noch weitergehen, beschreibt Concin ihren ersten persönlichen Eindruck: „Die Regelung wirkt kompliziert, es wird sich erst zeigen, wie die Gerichte das österreichweit hoffentlich einheitlich umsetzen.“ Ebenso reiche der festgeschriebene Höchstbetrag bei sehr großen Verfahren „nicht einmal ansatzweise“ aus. Dieser sei wohl ein politischer Kompromiss gewesen: „Mehr ist nicht finanzierbar.“
Justizministerin Zadić sprach im Pressefoyer nach dem Ministerrat dennoch von einem „entscheidenden Schritt für Rechtsstaat und Justiz“. Zudem sei der Kostenersatz bisher „lächerlich“ gewesen, meinte Verfassungsministerin Edtstadler. Die Betroffenen seien fast zur Gänze auf ihren Ausgaben sitzen geblieben. Es gehe nicht darum, die Honorare von Staranwälten zu bezahlen, sondern eine adäquate Vertretung sicherzustellen. Die nunmehr vorgelegte Regelung soll rückwirkend mit Jahresbeginn in Kraft treten.
Mit Material der Austria Presse Agentur (APA).