Schlafstörungen, Depressionen und Angstgefühle: Schuldenfalle schnappt immer öfter zu

Hoher Zulauf zur Schuldenberatung in Vorarlberg. Vor allem für Alleinstehende wird das Leben zu teuer.
Wien, Schwarzach Beim Blick auf das eigene Konto wächst die Verzweiflung. Die Schulden häufen sich. Die Situation scheint ausweglos. Immer mehr Menschen in Vorarlberg geht es so. Viele von ihnen wenden sich an die ifs-Schuldenberatung. „Insgesamt 25 Prozent mehr Erstkontakte haben wir 2023 verzeichnet“, schreibt Leiterin Simone Strehle-Hechenberger im aktuellen Jahresbericht. 3311 Klientinnen und Klienten zählte das Team der ifs-Schuldenberatung im vergangenen Jahr.

Österreichweit steigen die Zahlen enorm, allerdings nicht in Vorarlberger Ausmaß. „Hier ist die Teuerungswelle stärker zu spüren“, weiß Eike Grabher. Er ist seit 27 Jahren Schuldenberater beim Institut für Sozialdienste. Vor allem die Wohnkosten setzten den Menschen zu. „Menschen, die alleinstehend wohnen und alles selbst schultern müssen, tun sich schwerer. Wenn dann noch Schulden dazu kommen, wird es schwierig.“ Die meisten seiner Klienten verfügten über ein unterdurchschnittliches Einkommen.

Viele Schicksale
Die Betroffenen stammen aus allen Altersklassen, rund drei Viertel sind zwischen 26 und 55 Jahre alt. 37 Prozent sind vollzeitbeschäftigt, 30 Prozent arbeitslos, 9,6 Prozent teilzeitbeschäftigt und 9,5 Prozent im Ruhestand. Die Schicksale sind mannigfaltig: „Die alleinerziehende Mutter mit drei Kindern, die keinen Ganztagskindergartenplatz bekommt, um arbeiten gehen zu können. Der ältere Herr, der am Ende seiner Erwerbsarbeit eine betriebliche Fehlentscheidung getroffen hat und nun vor den Scherben seiner Existenz steht. Der geschiedene, unterhaltspflichtige Vater, der zurück zu den Eltern gezogen ist, da er sich keine eigene Wohnung mehr leisten kann“, listet Strehle-Hechenberger mehrere Beispiele auf.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Infogram angezeigt.
Bund und Land hätten in der Vergangenheit viel unternommen, um die Folgen der Teuerung abzufedern, ist Grabher überzeugt. Er zählt im VN-Gespräch etwa die Anpassung der Wohnbeihilfe, den Heizkostenzuschuss und den Klimabonus auf. „Trotzdem fordern wir eine deutliche Anhebung des Existenzminimums.“ Das ist jener Betrag, der trotz Pfändung als unpfändbarer Betrag bleiben muss. Dieser liegt bei 1217 Euro monatlich. Was der Schuldner darüber verdient, wird ihm zu 70 Prozent gepfändet. „Damit tun sich viele schwer“, weiß der Schuldenberater. „Wenn eine Wohnung 900 Euro kostet, ist fast nichts mehr übrig. Wenn jemand dann noch einen Beruf hat, für den er ein Auto braucht, geht nichts mehr.“ Vor allem für Alleinstehende sei es schwierig, diese Last zu tragen.
Zehntausende Euro
62 Prozent der Klienten der ifs-Schuldenberatung sind Männer, 38 Prozent Frauen. Die durchschnittliche Verschuldung liegt in diesen Vorarlberger Fällen bei 87.820 Euro. Zum Vergleich: Österreichweit sind es durchschnittlich 55.000 Euro.

„Solange ich die Schulden bedienen kann, ist es eine Ausgabe wie jede andere“, berichtet Eike Grabher. Bleibe kein Spielraum mehr, dann verlieren die Betroffenen die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe. Viele geraten in eine Abwärtsspirale und in die soziale Isolation. „Oder man verschuldet sich weiter, bei privaten Personen, was letztlich ganz unangenehm werden kann.“
Hohe Belastung
Schulden gefährden die Existenz, werden zur psychischen Belastung. Finanzielle Probleme begünstigen Krankheit. „Viele Klientinnen und Klienten berichten aufgrund der Geldsorgen von Schlafstörungen, Depressionen, Angstgefühlen und Beziehungsproblemen“, heißt es im Jahresbericht der ifs-Schuldenberatung. Chronische Erkrankungen könnten folgen. So rentiere sich jeder in die Schuldenberatung investierte Euro fünffach. Das ifs blickt auf 11.189 Beratungsstunden im Jahr 2023 zurück.