Eine neue Chance für das EU-Renaturierungsgesetz

Politik / 17.05.2024 • 18:13 Uhr
Eine neue Chance für das EU-Renaturierungsgesetz
Der Rohrspitz im Rheindelta, ein Naturjuwel. Dort wird in die Erhaltung der Moore investiert – ein Akt der Renaturierung.

Kärnten und Wien scheren bei der einheitlichen Stellungnahme der Länder zum EU-Renaturierungsgesetz aus und könnten damit das Paket doch noch ermöglichen.

Brüssel, Wien, Bregenz Die Debatte rund um das Renaturierungsgesetz geht in eine neue Runde. Bisher kam im Rat der Europäischen Union ja keine qualifizierte Mehrheit für den Entwurf zustande, unter anderem weil Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler der Verordnung nicht hätte zustimmen können. Der Grund: Laut Bundesverfassung können die Bundesländer dem zuständigen Regierungsmitglied antragen, wie es im Rat abzustimmen hat, wenn die Angelegenheit auch die Länder betrifft. Und genau das ist beim Renaturierungsgesetz passiert. In einer einheitlichen Stellungnahme hielt die Landeshauptleutekonferenz fest, gegen viele Teile des Entwurfs zu sein.

Doch diese Einigkeit der Länder beginnt nun zu bröckeln. Die SPÖ-Landeshauptleute von Wien und Kärnten, Michael Ludwig und Peter Kaiser, wandten sich in einem Brief an Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Die ÖVP-Politikerin sitzt aktuell der Landeshauptkonferenz vor.

Eine neue Chance für das EU-Renaturierungsgesetz
Bisher konnte Umweltministerin Leonore Gewessler dem Renaturierungsgesetz im Rat der Europäischen Union noch nicht zustimmen. Europäische Union

In diesem Brief heißt es, dass mittlerweile viele Bedenken der Länder hätten zerstreut werden können – und dass die Landeshauptleute einer Zustimmung zur EU-Verordnung jetzt doch „nähertreten“ sollten. Noch vor zweieinhalb Wochen hatte Kaiser die Blockade des Gesetzes verteidigt.

Für Wallner ist Stellungnahme der Länder unangetastet

Der Umweltlandesrat freut sich dennoch über die neue Einstellung von Ludwig und Kaiser: “Das signalisiert mir, dass sie bemerkt haben, dass die Argumente der Landeshauptleute hanebüchen sind, weil sie sich auf einen alten Entwurf bezogen haben”, sagt Daniel Zadra den VN. Für ihn wäre das Gesetz ein riesengroßer Fortschritt, primär wegen der Verbindlichkeit für die ganze EU, in Vorarlberg setze man ohnehin schon stark auf Renaturierung. Zum Beispiel im Hochwasserschutzprojekt Rhesi oder bei “LIFE AMooRe”, dem größten Moorprojekt Österreichs. Nun liege es an Mikl-Leitner, noch einmal mit allen Ländern über den Entwurf zu sprechen, denn “alles andere wäre ein unfreundlicher Akt”. Doch Zadra sagt auch, dass dieser Brief formal noch nichts ändere. Aus dem Büro von Landeshauptmann Markus Wallner heißt es zu den VN ebenfalls: “Es gibt weiterhin einen einstimmigen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz.”

Maurice Shourot
Umweltlandesrat Daniel Zadra (r.) konnte Landeshauptmann Markus Wallner (l.) vom EU-Renaturierungsgesetz bisher nicht überzeugen. Maurice Shourot

Denn tatsächlich ist gar nicht klar, was nun passiert. Mikl-Leitner hielt zunächst fest, dass die Bedenken der anderen sieben Bundesländer weiter aufrecht seien. Verfassungsjurist Peter Bußjäger sagt den VN, dass die Stellungnahme der Länder nur dann fix nicht mehr gelte, wenn sie eine neue beschließen. Zwar könnte sich Gewessler laut Bußjäger auf den Standpunkt stellen, dass aufgrund des Briefs von Ludwig und Kaiser die Länder nicht mehr geschlossen auftreten – und damit abstimmen, wie sie es für richtig hält. Damit würde sie sich aber auf wackeligem Terrain bewegen: “Kaiser und Ludwig haben dadurch eine unsichere Situation geschaffen. Taktisch müssten die Länder so rasch wie möglich ihre Position klären. Aktuell ist eine klare Unklarheit darüber da, was alle Länder wollen.”

Mittlerweile beschlossen im EU-Parlament

Das EU-Gesetz würde vorsehen, dass künftig mehr Wälder aufgeforstet, Moore wiedervernässt und Flüsse in ihren natürlichen Zustand versetzt werden. Nach langen Verhandlungen wurde es in einer abgeschwächten Form, die viele der früheren Kritikpunkte wie eine mögliche Gefährdung der Ernährungssicherheit berücksichtigte, im EU-Parlament beschlossen.

Peter Bußjäger
Verfassungsjurist Peter Bußjäger sieht eine unklare Situation, was die Position der österreichischen Bundesländer betrifft. Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser

Wie aus EU-Kreisen zu vernehmen war, könnte die belgische Ratspräsidentschaft den Text erneut zur Abstimmung bringen, sollte sich die österreichische Position tatsächlich ändern. Theoretisch kann dies bei jedem EU-Ministertreffen passieren, ein wahrscheinlicher Kandidat wäre aber der nächste EU-Umweltrat am 17. Juni in Luxemburg. Wenn sich die Länder bis dahin wieder einig werden.

Oder auch nicht. Denn zumindest von einem Sprecher Wallners heißt es: “Wann die nächste Landeshauptleutekonferenz stattfindet, ist derzeit noch offen. Diese wird jedenfalls von Oberösterreich organisiert.” Und Oberösterreich übernimmt den Vorsitz am 1. Juli.

Mit Material der Austria Presse Agentur (APA).