Von Bürokratiemonster bis Meilenstein: Streit um Renaturierung im Landtag

Politik / 05.06.2024 • 12:26 Uhr
Noch ist dieses Bild nur eine Illustration. Doch so soll der Rhein irgendwann auf Höhe Koblach aussehen.  IRR
Das Hochwasserschutzprojekt Rhesi steht im Mittelpunkt der hitzigen Debatte, aber vor allem geht es um das Renaturierungsgesetz das auf EU-Ebene kommen soll.

Europäisches Gesetzesvorhaben erhitzt die Gemüter – auch in der Koalition. SPÖ geht gegen Wallner in die Offensive.

Bregenz Was ruhig beginnt, endet emotional. Die Frage, was auf EU-Ebene geregelt werden soll, spitzt sich im Landtag zu. Eigentlich sollte sich die aktuelle Stunde um das „Erfolgsprojekt Europa“ drehen, am Ende dreht sich aber alles um die Renaturierung. Das Hochwasserschutzprojekt Rhesi ist allgegenwärtig. Dafür habe man keine neue Verordnung gebraucht, wettert Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) gegen das europäische Vorhaben eines Renaturierungsgesetzes. Europa dürfe nicht die Spielräume der Regionen einschränken. Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Waldwirtschaft: Alle hätten Sorge vor einem Eingriff aus Brüssel in die Raumordnung, vor einem neuen „Bürokratiemonster“, wie es die ÖVP häufiger bezeichnet. Während der Rede des Landeshauptmannes wächst der Unmut bei den Grünen.

Landtag Aktuelle Stunde Thema: Klimaschutz
Wallner ist klar gegen “ein Bürokratiemonster”, wie er sagt. VN/RHomberg

Klubobfrau Eva Hammerer kommt aus dem Kopfschütteln nicht raus, auch auf der Regierungsbank können Landesrat Daniel Zadra und Amtskollegin Katharina Wiesflecker der Argumentation Wallners offensichtlich nicht folgen. Hammerer erwähnte bereits in ihrem Beitrag, welcher der Rede des Landeshauptmannes vorausging, dass das Renaturierungsgesetz das wichtigste Naturschutzgesetz Europas sei. „Wir haben der Natur immer Platz weggenommen.“ So könne es nicht weitergehen. „Es geht darum, dass unsere Kinder in einer Welt leben und durch Wälder gehen können, so wie wir sie kennen.“ Es gehe um sauberes Wasser und frische Luft. Rhesi sei angesichts der zunehmenden Unwetterkatastrophen nicht nur ein wichtiges Naturschutzprojekt, sondern auch ein unverzichtbarer Schritt für die Bewohnerinnen und Bewohner des Rheintals.

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Eva Hammerer bezeichnete das Renaturierungsgesetz als wichtigstes Naturschutzgesetz Europas. VN/RHOMBERG

Dem widerspricht niemand im Raum. Die Frage ist nur, wie sehr auch andere Länder dem Beispiel folgen müssen. „Herr Landeshauptmann, Sie widersprechen sich unglaublich“, reagiert etwa SPÖ-Mandatar Martin Staudinger auf den Standpunkt Wallners. „Sie sagen, wie vorbildlich Vorarlberg agiert. Verpflichten wir doch auch andere, hier mehr zu tun.“ Es sei nicht nachvollziehbar, warum er das nicht wolle. Das holt Christoph Thoma (ÖVP) fast von seinem Platz in der hintersten Bank im Landtagsplenum, der Staudinger in einem leisen Zwischenruf Präpotenz vorwirft. Auch Wallner legt nach. „Jetzt habe ich einen Regierungspartner, der mir gefühlt zwei Mal die Woche erklärt, wie wichtig die Moore im Land sind – zu Recht. Aber für die Erhaltung der Moore sind wir verantwortlich“, sagt er. „Das bleibt auch so“, klärt Zadra den Landeshauptmann von der Regierungsbank aus auf. Wallner wiederholt sich. Zadra auch. Der Landeshauptmann fragt erneut: Wer braucht dieses Renaturierungsgesetz? „Wir wollen keine Verordnung, messerscharf mit Berichtspflichten, die kein Mensch braucht und die zur Renaturierung in unserer Region nichts beiträgt.“ Vorarlberg könne auch so mit gutem Beispiel vorangehen.

FPÖ-Chef Christof Bitschi ist einer Meinung. Rhesi werde in Vorarlberg umgesetzt, weil es notwendig sei. „Weil wir es hier brauchen und nicht weil in Brüssel jemand entscheidet, dass Renaturierung wichtig ist.“

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Christof Bitschi wartete auf eine Grünen Seitenhieb. VN/Rhomberg

Ansonsten befindet sich der FPÖ-Chef fast in Lauerstellung. Mit seinem Redebeitrag lässt er sich bewusst bis zum Schluss Zeit. Es scheint, als würde er auf einen Seitenhieb der Grünen warten, um erneut über EU-Skepsis, zu viel Bürokratie, zu wenig Außengrenzschutz und „den Grünen in Panikmodus“ zu sprechen. Das tut er dann auch im Anschluss des Wahlaufrufs von Daniel Zadra. „Brüssel sind wir alle. Unsere Demokratie ist unter Attacke von innen und von außen“, sagt der Grüne Landesrat: „Kämpfen wir nicht gegen Brüssel, sondern kämpfen wir für ein gemeinsames Europa. Wenn man nicht wählen geht, ist es wie beim Zähneputzen, dann wird’s braun.“

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Martin Staudinger kann die Argumentation des Landeshauptmannes nicht nachvollziehen. VN/Rhomberg

Zumindest in einem sind sich alle einig. Am Sonntag ist EU-Wahl. Ein Wahlaufruf kam von jeder Fraktion. Die Neos haben ihre Redezeit vor der emotionalen Debatte zur Renaturierung bereits aufgebraucht. In Vergangenheit sprachen sie sich aber für das Gesetz aus. Claudia Gamon stimmte im EUdafür.  Bei der Landtagssitzung zeigt sich Neos-Klubobmann Johannes Gasser in der Zwischenzeit von „Kopf bis Fuß auf die Europawahl eingestellt“, wie er sagt, als er seine Socken zeigt, die von europäischen Flaggen geschmückt sind.

Johannes Gasser
Das richtige Outfit kurz vor der Wahl trug Johannes Gasser. VN