Wieso Fracking in Österreich nicht sinnvoll ist

Politik / 05.06.2024 • 17:22 Uhr
Wieso Fracking in Österreich nicht sinnvoll ist
FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky argumentierte bei der Elefantenrunde zu EU-Wahl für Fracking.Philipp Steurer

FPÖ-Spitzenkandidat Vilimsky spricht sich im EU-Wahlkampf für Fracking in Österreich aus. Wissenschaftler und Umweltschützer widersprechen.

Birgit Entner-Gerhold, Julia Schilly-Polozani

Schwarzach Hildegard Breiner seufzt und sagt: “Eigentlich war das Thema schon abgeschlossen. Aber wenn die Argumente ausgehen, kommen populistische Ablenkungen.” Die Ikone der Anti-Atombewegung in Vorarlberg bezieht sich auf das Fracking um Erdgas zu gewinnen, das im Vorfeld der EU-Wahl von FPÖ-Spitzenkandidaten Harald Vilimsky in der gemeinsamen Diskussionssendung von ORF und den Vorarlberger Nachrichten in Götzis wieder aufs Tapet kam.

Vilimsky sagt im Gespräch der Spitzenkandidaten, dass es ihm „völlig Wurst“ sei, woher das Gas für Österreich kommt. Seine Priorität: Es müsse günstig für Europa sein. „Und wenn es nach mir ginge, würde man nach neuen Methoden auch in Österreich suchen.“ Eine davon sei Fracking.

Das Verfahren ist umstritten. Um Erdgas oder auch Erdöl aus nicht-konventionellen Lagerstätten zu gewinnen, wird über Tiefenbohrungen das Gestein mit hohem Wasserdruck aufgebrochen, dabei werden Chemikalien eingesetzt. Die englische Bezeichnung dafür ist “Fracking”. Es besteht die Gefahr, dass dabei das Grundwasser verunreinigt wird.

Zudem erinnert Hildegard Breiner an ein weiteres Risiko: 2013 bebte zum Beispiel in St. Gallen in der Ostschweiz bei Probebohrungen für ein Geothermie-Projekt die Erde. Das Vorhaben wurde daraufhin abgebrochen.

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David Misch ist Professor für Energy Geosciences an der Montanuniversität Leoben.

Ökonomisch nicht sinnvoll

“Im Grunde stellt sich in Österreich aus rein ökonomischen Gründen diese Frage nicht”, sagt David Misch den VN zum Thema Fracking von Schiefergas. Er ist Professor für Energy Geosciences an der Montanuniversität Leoben und hat zu Schiefergasexploration in der Ukraine promoviert. Die geologischen Voraussetzungen seien für diese Art von unkonventioneller Gasproduktion ungünstig, weshalb abseits der strengen Auflagen, die aktuell eine Umsetzung praktisch unmöglich machen würden, gar kein Potenzial für die Nutzung von Fracking zur Förderung von Gas vorliege.

In den USA, wo das Verfahren intensiv betrieben wird, gibt es über hunderte Kilometer lateral gleichmäßig ausgedehnte Formationen mit einer Reihe günstiger Eigenschaften, die eine Gewinnung aus der Sicht der Produzenten sinnvoll machen, erklärt der Wissenschafter.

Bodenseeregion nicht geeignet

Einzig im Wiener Becken gebe es ein gewisses Potenzial. Doch auch hier relativiert Misch: “Die einzige geologische Formation mit einer entsprechenden Ausdehnung, die sich grundsätzlich eignen könnte, ist die Mikulov Formation, die aber aufgrund mehrerer Faktoren wie der relativ geringen organischen Anreicherung und der dementsprechend überschaubaren zu erwartenden Gasgehalte, sowie der großen Bohrungstiefen, ebenfalls praktisch ausgeschlossen werden kann.” Auch die Region des Bodensees eignet sich daher definitiv nicht für Schiefergas-Fracking.

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Keine Signale aus der Industrie

Auch bei einem zweiten Punkt korrigiert Misch die Aussagen des Spitzenkandidaten der FPÖ. Die Montanuniversität Leoben habe ein Verfahren entwickelt, das eine “sehr sanfte Methode” der Energiegewinnung sei, erklärte Vilimsky weiters zum Thema Fracking. Vor zwei Jahren gab es tatsächlich Berichterstattung zu einem diesbezüglichen Forschungsprojekt. Das sei aber mittlerweile eingeschlafen. “Es hat sich auch damals um kein markterprobtes Verfahren gehandelt”, sagt Misch.

In Leoben gebe es zwar weiterhin Expertise im Bereich Fracking, aber es werde momentan eher allgemein zu Risikofaktoren von Untergrundverfahren wie zum Beispiel induzierte Erdbeben geforscht, die zwar prinzipiell für Fracking, aber auch für gänzlich andere Bereiche wie die Tiefengeothermie oder die geologische Speicherung, relevant sind. Signale aus der Industrie, in naher Zukunft wieder auf den Fracking-Zug aufzuspringen, gebe es definitiv keine.

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FPÖ-Chef Christof Bitschi lehnt Fracking in Vorarlberg ab. Maurice Shourot

Bitschi gegen Fracking in Vorarlberg

Vilimsky argumentierte dennoch für Fracking: „Die Methode ist sehr umstritten, aber es gibt auch viele Wissenschaftler, die das sehr sehr gut finden. Es sind viele Dinge umstritten im Bereich der Klimapolitik und ich würde ergebnisoffen die Sache so beurteilen, dass sie für Österreich am Ende des Tages das Beste herausbringt.“

Auf Nachfrage der VN, wie die Vorarlberger FPÖ zu der Technologie stehe, bezeichnet FPÖ-Chef Christof Bitschi die Freiheitlichen als „sehr technologieoffen“. Zudem sei er absolut dagegen, „dass die Politik definiert, was die Technologien der Zukunft sind. Darum sind wir klar gegen ein Verbot von Verbrennungsmotoren.“ Was Fracking betreffe, habe man sich in Vorarlberg sehr intensiv damit beschäftigt und sei zu dem Schluss gekommen: „Fracking hat in unserem Bundesland nichts verloren.“

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Hildegard Breiner setzt sich seit Jahrzehnten für den Umweltschutz ein. Sie warnt auch vor den Folgen von Fracking. VN/Dietmaer Stiplovsek

Ablehnung von Fracking Landesverfassung

Fracking ist in Vorarlberg ohnehin keine Option. Ansonsten müsste die Landesverfassung geändert werden. Dort ist seit zehn Jahren in Artikel 7, Absatz 6 ein Auftrag an die Organe des Landes niedergeschrieben, “darauf hinzuwirken, dass keine Atomanlagen und kein Fracking betrieben wird”.

Auch in den anderen Parteien dürften sich keine Verbündeten finden: Die anderen Teilnehmer der Wahldiskussion sagten nichts oder wenig zu Fracking. Lena Schilling (Grüne) hält die Debatte für absurd. Reinhold Lopatka (ÖVP) erklärt, dass er für einen technologieoffenen Zugang sei, aber Fracking nicht dazu zähle.

Umweltschützerin Hildegard Breiner möchte lieber eine andere Diskussion führen: “Es sollte endlich mehr Geld für Erneuerbare ausgegeben werden, wenn sich etwas ändern soll.” Sie ergänzt: “Ich verstehe nicht, wie man sich noch immer so nach hinten wenden kann. Die Zukunft liegt in anderen Technologien.”