Dürfen bald alle EU-Bürger bei der Landtagswahl wählen?

Der Vorarlberger Landtag möchte das Wahlrecht für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger öffnen. Um das zu schaffen, braucht es aber den Bund.
Bregenz, Wien Am Sonntag war Auftakt ins Superwahljahr. Doch 35.687 Personen, die in Vorarlberg am Wochenende ins Wahllokal hätten gehen dürfen, sind im Herbst von genau dem gleichen Recht ausgeschlossen. Die 35.687 Personen sind EU-Bürgerinnen und -Bürger, die im Land wohnen und spätestens heuer ihren 16. Geburtstag feiern, aber keine österreichische Staatsbürgerschaft haben. Sie dürfen weder über die Zusammensetzung des Nationalrats noch über die Abgeordneten im Landtag mitbestimmen. Geht es nach ÖVP, Grünen, SPÖ und Neos soll sich Letzteres ändern. Sie übermitteln per Landtagsbeschluss dem Bund ihren Wunsch, das Wahlrecht zumindest auf Landesebene für alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger zu öffnen. Die Hürden dahin sind hoch, wie Verfassungsjurist Peter Bußjäger weiß. Die FPÖ will nichts am aktuellen Wahlrecht ändern. Es reiche, dass EU-Bürgerinnen und EU-Bürger auf Gemeindeebene mitbestimmen könnten.
Verfassungsänderung notwendig
Die derzeitige Rechtslage sieht vor, dass Landtage und Nationalrat nur wählen darf, wer auch österreichischer Staatsbürger ist. Das ist vom Bund so vorgegeben, sagt Bußjäger von der Universität Innsbruck. Das Land könne nicht eigenmächtig den Kreis der Wahlberechtigten bei Landtagswahlen auf Staatsbürger anderer EU-Mitgliedsstaaten ausweiten: „Ein in der Landesverfassung festgelegtes Ausländerwahlrecht wäre verfassungswidrig.“ Also müssten Nationalrat und Bundesrat ran: Das Parlament könnte die entsprechende Passage in der Bundesverfassung mit Zwei-Drittel-Mehrheit ändern.

Strittig ist außerdem, ob eine Ausweitung des Wahlrechts auf Ausländerinnen und Ausländer eine sogenannte „Gesamtänderung der Bundesverfassung“ wäre – und damit verpflichtend eine bundesweite Volksabstimmung darüber abgehalten werden müsste: „Es gibt namhafte Stimmen, die sagen, dass man nicht einmal mit einer Änderung der Bundesverfassung ein Ausländerwahlrecht einführen könnte, sondern dass es eine Volksabstimmung braucht.“ Weil EU-Bürger ja auf kommunaler Ebene wählen dürfen, sei das bei denen zwar unwahrscheinlicher. Aber, so Bußjäger: „Strittig ist es.“

Aus dem für Wahlen zuständigen Innenministerium gibt es keine inhaltliche Stellungnahme, ein Sprecher sagt den VN: “Wir als Innenministerium können leider keine politischen Überlegungen und gewünschte Gesetzesänderungen einschätzen oder beurteilen.” Also fragen wir die Parteien. Hier wird klar: Dass überhaupt etwas in diese Richtung passiert, scheint unwahrscheinlich. Auf VN-Anfrage bei der ÖVP-Bundespartei, ob sie derselben Meinung wie ihre Landespartei ist, heißt es von einem Sprecher: „Für uns ist eine Aufweichung der geltenden Wahlrechtsbestimmungen kein Thema.“ Inhaltlich in dieselbe Kerbe schlägt auch die Verfassungsministerin: „Die mit der Staatsbürgerschaft verliehenen Rechte und Pflichten, etwa das Wahlrecht oder die Wehrpflicht, sehen bereits jetzt ausgewogene Ausnahmen, vor: EU Bürgerinnen und EU-Bürger können beispielsweise auch bei Wahlen auf Gemeinde- oder EU-Ebene in Österreich ihre Stimme abgeben“, heißt es aus dem Büro von Karoline Edtstadler (ÖVP). Und: „Dies soll auch in Zukunft so bleiben.“
Arbeiten, leben, Steuern zahlen, aber nicht wählen
Auch die FPÖ will nichts von einer Erweiterung des Wahlrechts wissen. „Der österreichische Staat ist dadurch definiert, dass er ein Staatsgebiet und ein Staatsvolk hat und das Staatsvolk ist definiert durch die österreichische Staatsbürgerschaft, so soll es auch sein und so soll es auch bleiben“, sagt der freiheitliche Abgeordnete Hubert Kinz bei der vergangenen Landtagsstizung.

„Es ist nur selbstverständlich, dass die grundlegenden Normen in einem souveränen Staat die Mitglieder dieses Staates und nicht Dritte bestimmen.“

Mit dieser Meinung bleibt Kinz im Landtag alleine. „In Österreich dürfen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger leben und arbeiten. Sie zahlen ihre Steuern.“ Aber was politische Teilhabe anbelange, blieben sie eingeschränkt, kritisiert Neos-Abgeordnete Fabienne Lackner, deren Fraktion den Antrag auf eine Ausweitung des Wahlrechtes eingebracht hat.

Grünen-Politikerin Vahide Aydin sieht darin einen wichtigen Schritt. Man müsse bei dem Thema Beharrlichkeit zeigen. Menschen in ihrer Mitbestimmung einzuschränken, könne schnell zu Resignation führen. Politische Teilhabe sei zentral.

SPÖ-Mandatar Martin Staudinger sieht großes Interesse an einer Verbesserung der Wahlmöglichkeiten. „Es ist gut, wenn wir hier einen breiten Konsens entwickeln.“

Da stimmt auch Landtagspräsident Harald Sonderegger (ÖVP) zu. Die verfassungsrechtlichen Schranken seien zwar hoch, um das Wahlrecht auf alle EU-Bürgerinnen und -Bürger in Vorarlberg auszuweiten. Der Wunsch sei aber gerechtfertigt, weshalb er mit dem Antrag an die Bundesregierung herangetragen werde. „Ich freue mich, dass wir hier etwas Bewegung in die Sache hineinbringen.“
Eine Bewegung, die vom Bund abrupt wieder gestoppt zu werden scheint.