Edtstadler: “Handy wird nicht mehr wie Tatmesser behandelt”

Politik / 13.06.2024 • 17:41 Uhr
ABD0029_20240531 – WIEN – …STERREICH: Bundesministerin fŸr EU und Verfassung Karoline Edtstadler (…VP) im Rahmen eines PressegesprŠches zu den Ma§nahmen gegen JugendkriminalitŠt, am Freitag, 31. Mai 2024, in Wien. – FOTO: APA/MAX SLOVENCIK
Verfassungministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) stellt in einer eilig einberufenen Pressekonferenz das neues Gesetzespaket vor. APA/MAX SLOVENCIK

Die Regierung einigt sich auf neue Regeln bei der Handy-Sicherstellung.

Wien Der Wahlkampf läuft langsam an. Neue Gesetzesentwürfe werden dann so angekündigt: “Diese Bundesregierung hält, was sie verspricht.” Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) stellte am Donnerstagnachmittag ein Gesetzespaket vor, das die Sicherstellung von Mobiltelefonen und Datenträgern neu regelt. Ein Gesetzesentwurf wurde am Donnerstag im Nationalrat eingebracht. Er soll noch vor dem Sommer beschlossen werden. Darüber hinaus werden weitere Punkte der Strafprozessordnung neu geregelt.

“Die Grundrechte sollen im Strafverfahren geschützt werden”, erklärt Edtstadler und ergänzt: “Reiseberichte, private Fotos, Diagnosen von Ärzten befinden sich auf Handys. Dennoch wurden Handys behandelt, als wären es Messer am Tatort.”

Verfassungsgerichtshof eingeschritten

Die bisherigen Bestimmungen waren im Vorjahr vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) ab 1. Jänner 2025 aufgehoben worden – unter anderem, weil sie Sicherstellungen ohne richterliche Genehmigung erlaubten. Zudem verstoße das Gesetz gegen das Recht auf Privatleben und das Datenschutzgesetz. In seinem Erkenntnis stellte das Höchstgericht Leitplanken für eine Neuregelung auf.

Möchte die Staatsanwaltschaft künftig ein Handy sicherstellen, muss sie wie bisher ihr Vorhaben begründen – aber nicht mehr in einer Sicherstellungsanordnung, sondern per Antrag ans Gericht. “Datenauswertungen sind nur noch mit gerichtlicher Bewilligung möglich. Der Staatsanwalt muss zudem genau festlegen, was beschlagnahmt werden soll: Datengruppe, Inhalte, und zu welchen Ermittlungszwecken die Daten ausgewertet werden”, präzisiert Edtstadler. Außerdem müssten öffentliches Interesse an der Strafverfolgung und die Grundrechte der Betroffenen gegeneinander abgewogen werden.

Weitere Daten benötigen neue Bewilligung

Anschließend dürfen bei der Datenaufbereitung nur die bewilligten Datenkategorien im bewilligten Zeitraum ausgelesen werden, und zwar ohne eine inhaltliche Bewertung. Aus einer Originalsicherung, die nicht mehr verändert wird, muss eine Arbeitskopie erstellt werden. So soll sichergestellt werden, dass tatsächlich nur die erlaubten Daten ausgewertet werden. Erst diese werden dann der Staatsanwaltschaft oder Polizei übermittelt.

Falls Hinweise auf andere Straftaten aufkommen sollten, sogenannte Zufallsfunde, muss die Staatsanwaltschaft diesen nach einem neuerlichen gerichtlichen Antrag weiter nachgehen. Nach einer weiteren gerichtlichen Bewilligung können die neuen Daten ausgewertet werden.

Gericht auch bei Gefahr in Verzug anzurufen

Bei Gefahr in Verzug darf die Polizei weiter das Handy physisch sicherstellen, wenn etwa jemand auf frischer Tat ertappt wird. Für eine Beschlagnahme muss die Staatsanwaltschaft aber weiter das Gericht anrufen. Sowohl Opfer als auch Beschuldigte können außerdem eine Auswertung der aufbereiteten Daten beantragen. Sollte ein Opfer Kenntnis von einem Beweis auf einem Handy haben (etwa eine via WhatsApp geäußerte Drohung), kann es die Staatsanwaltschaft auffordern, nach diesem zu suchen.

“Bei der Neuregelung der Handysicherstellung waren mir zwei Punkte besonders wichtig”, sagt Justizministerin Alma Zadic (Grüne). “Einerseits, dass wir die Vorgaben des VfGH – der uns eine Neuregelung aufgetragen hat – genau umsetzen. Andererseits, dass wir die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften und Kriminalpolizei gerade in den Bereichen organisierte Kriminalität, Terror und Korruption weiterhin sicherstellen.” 

Edtstadler: "Handy wird nicht mehr wie Tatmesser behandelt"
Justizministerin Alma Zadic (Grüne) betont, dass die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwalt weiter sichergestellt werden. APA/HANS KLAUS TECHT

Weitere Neuregelungen

Darüber hinaus sollen weitere Punkte in der Strafprozessordnung reformiert werden. Opfer erhalten die Möglichkeit, gegen eine Anzeigenrücklegung vorzugehen – sie bekommen dazu ab dem ersten Tag Akteneinsicht (ebenso Beschuldigte). Außerdem wird die Prozessbegleitung für minderjährige Zeugen von Gewalt erweitert, Bezirksgerichte und Gerichtshöfe erster Instanz erhalten künftig Spezialzuständigkeiten für Verfahren wegen häuslicher Gewalt.

Bei Einbringung eines Antrags auf Einstellungen soll es durch den Wegfall von Fristen zu Vereinfachungen kommen. Außerdem sollen Staatsanwaltschaften durch die Vereinfachung der Regeln zur Einleitung von Ermittlungsverfahren entlastet werden. Um Verfahrensdauern zu verkürzen, sollen Ermittlungsverfahren nach zwei Jahren auf Antrag des Beschuldigten von einem Gericht überprüft werden können – bisher war dies erst nach drei Jahren verpflichtend.

Oberlandesgerichte werden wiederum verpflichtet, letztinstanzliche, rechtskräftige Entscheidungen zu veröffentlichen. Die Neuregelungen sind für Zadic “die größte Justiz-Reform der letzten 20 Jahre”. Damit sorge man dafür, “dass die österreichische Justiz auch für die Herausforderungen der nächsten 20 Jahren gewappnet bleibt und stärken weiter das ungebrochen hohe Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz”.