Maximilian Werner

Kommentar

Maximilian Werner

Und hinter ihr die Sintflut

Politik / 16.06.2024 • 17:00 Uhr

Leonore Gewessler hat sich entschieden. Die Klimaschutzministerin biegt sich die Verfassung zurecht und möchte im Rat der EU dem Renaturierungsgesetz zustimmen. Tun kann sie das nur, weil sie zum jetzigen Zeitpunkt nichts mehr zu verlieren hat: Die Zeit der türkis-grünen Bundesregierung läuft mit der Nationalratswahl im Herbst aus; dass Gewessler auch in der nächsten Legislaturperiode im Amt bleibt, darf zumindest stark bezweifelt werden. Also nutzt sie die Gelegenheit und die wacklige Rechtslage aus, um ihre Wählerklientel zu bedienen – die Wählerklientel der Grünen, das nach durchwachsenen Regierungsjahren zuletzt immer kleiner wurde.

Österreich betritt Neuland. Darüber befinden, ob Gewesslers Vorgehen (so denn überhaupt eine Abstimmung im Rat stattfindet) rechtmäßig war, könnte schlussendlich nur der Verfassungsgerichtshof. Politisch ließe es sich für die ÖVP argumentieren, die Koalition aufzukündigen und Gewessler am Höchstgericht anzuklagen. Das nimmt Gewessler bewusst in Kauf – hinter ihr die politische Sintflut. Doch abgesehen davon: Dass nach fast 30 Jahren EU-Mitgliedschaft das Abstimmungsverhalten von Österreichs Regierungsmitgliedern immer noch nicht genau geregelt ist, ist eine Farce. Solche zentrale rechtliche Fragen sollten in der Verfassung abgesichert sein und nicht von der politischen Laune der handelnden Akteure abhängen. Aber womöglich wird zumindest das eine Folge von Gewesslers Manöver, auf die sich alle einigen können: Dass sich die nächste Regierung um eine eindeutige Rechtslage kümmert.