Amtsmissbrauch von Gewessler? “So einen Fall hat es noch nie gegeben”

Die ÖVP klagt die Ministerin. Welche Erfolgschancen Strafrechtsprofessor Robert Kert der Partei dabei einräumt.
Schwarzach Die ÖVP zeigt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler wegen Amtsmissbrauchs an. Bis zu fünf Jahre Haft drohen, sollte es zur Anklage kommen und sich der Verdacht der Partei vor Gericht bestätigen. „Aus meiner Sicht wird die Anzeige wenig Erfolg haben“, meint Strafrechtsprofessor Robert Kert. Gleichzeitig betont er, dass es so einen Fall noch nie gegeben habe. Vergleichbares sei in der Literatur nicht zu finden.
Die ÖVP wirft Gewessler vor, mit ihrer Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz „wissentlich ihre Befugnis (…) missbräuchlich“ ausgeübt zu haben. Sie hätte im Einvernehmen mit den Bundesländern und dem Landwirtschaftsministerium handeln müssen. Da sie dies nach Ansicht der ÖVP nicht tat, verstoße Gewesslers Zustimmung unter anderem gegen das Verfassungsrecht.

„Es liegt auch der Verdacht nahe, dass der Strafbestand ‚Missbrauch der Amtsgewalt‘ (…) erfüllt ist“, meint die ÖVP. Länder und Landwirtschaftsministerium seien in ihren Rechten geschädigt worden. Gewessler folgte nicht der Auslegung des Verfassungsdienstes, sondern holte eigene Gutachten ein. Die ÖVP sieht das als Beweis, dass sich die Ministerin „völlig eindeutig darüber im Klaren war, dass ihr geplantes und angekündigtes Vorgehen offensichtlich gesetzes- und verfassungswidrig war”. Gewessler habe wissentlich gehandelt.
Für den Strafbestand Amtsmissbrauch wäre das maßgeblich. Juristen zweifeln aber an der Argumentation. Bei entsprechenden Gutachten, die ihr Handeln untermauern, könne man der Ministerin nicht unterstellen, ihre Befugnis wissentlich missbraucht zu haben, sagt Strafrechtsprofessor Kert. Ausschlaggebend ist für ihn vielmehr, dass Gewessler nicht im Rahmen der Hoheitsverwaltung handelte. Das wäre die Grundvoraussetzung für Amtsmissbrauch. Diese sei aber nicht gegeben, da Gewessler im Europäischen Rat über eine Verordnung abgestimmt hat. Das sei ein Akt der Gesetzgebung. Damit falle die strafrechtliche Komponente weg, zumal auch die Vorsatzfrage vage sei. Wen könnte Gewessler direkt geschädigt haben? Allenfalls die Länder in ihrer Mitbestimmung. Hier sieht Kert noch am ehesten eine Möglichkeit, über das Strafrecht weiterzukommen, „wobei ich sehr skeptisch bin“.
„Aus meiner Sicht ist es keine strafrechtliche, sondern eher eine verfassungsrechtliche Frage.“ Die strittige Frage sei, ob das Handeln der Ministerin aus öffentlich-rechtlicher Sicht rechtswidrig gewesen ist oder nicht.