Wie es um die Nebenjobs der Politikerinnen und Politiker steht

Alle neun Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus Vorarlberg in Wien haben sich im vergangenen Jahr etwas dazuverdient.
Wien Neun Vorarlbergerinnen und Vorarlberger sitzen im Parlament in Wien, sechs von ihnen im Nationalrat, drei in der „Länderkammer“, im Bundesrat. Doch sie alle sind keine Vollzeit-Politikerinnen und Vollzeit-Politiker. Sie gehen einem oder mehreren Nebenjobs nach. Welche das genau sind, müssen sie bis zum 30. Juni eines jeden Jahres bekannt geben – und auch, wie viel sie mit diesen Nebentätigkeiten ungefähr verdienen.

Für den Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik haben die Nebenbeschäftigungen in der Politik zwei Seiten: Zum einen lasse sich argumentieren, dass verschiedene Perspektiven in der Volksvertretung sinnvoll sind; allerdings stehe dem gegenüber, dass die Arbeit als Abgeordneter zeitlich sehr intensiv ist: „Wenn man beide Ansprüche hochhält, ist die Belastung für Politiker:innen viel zu hoch“, sagt der Experte von der Universität Wien im Gespräch mit den Vorarlberger Nachrichten.
Spitzenreiter Karlheinz Kopf
Laut aktuellen Daten ist ÖVP-Nationalratsabgeordneter Karlheinz Kopf Vorarlberger Spitzenreiter, was Nebenverdienste anbelangt. Er hat sich im Jahr 2023 in Einkommenskategorie 4 eingestuft: Das bedeutet ein Monats-Brutto zwischen 8001 und 12.000 Euro – zusätzlich zu seinem monatlichen Brutto-Bezug als Abgeordneter, der heuer bei exakt 10.351,39 Euro liegt. Kopf ist Generalsekretär der österreichischen Wirtschaftskammer und hat weitere Nebentätigkeiten angegeben, etwa als Beiratsmitglied einer Immobiliengesellschaft in Feldkirch.
Nebenbeschäftigungen, Karlheinz Kopf (ÖVP, Nationalrat)
Einkommenskategorie: 4 (monatlich 8001–12.000 Euro brutto); 2022: 4
Tätigkeiten mit Vermögensvorteilen: Wirtschaftskammer, Generalsekretär; ZM3 Immobiliengesellschaft, Feldkirch, Beiratsmitglied; Management Trust Holding AG, Wien, Aufsichtsrat
Leitende ehrenamtliche Tätigkeiten (Auswahl): Wirtschaftsbund Vorarlberg, Landesobmannstellvertreter; K&K Beteiligungen GmbH, Altach, Geschäftsführer; Vorarlberger Funkenzunft in Wien, Obmann; Betriebssportverband, Präsident; Sporthilfe, Vizepräsident; Industriewissenschaftliches Institut, Vorsitzender-Stellvertreter
Nebenbeschäftigungen, Norbert Sieber (ÖVP, Nationalrat)
Einkommenskategorie: 1 (monatlich 1–1150 Euro brutto, voraussichtlich); 2022: 1 (voraussichtlich)
Tätigkeit mit Vermögensvorteilen: Landwirt
Leitende ehrenamtliche Tätigkeiten (Auswahl): Vorarlberg Milch Genossenschaft, Aufsichtsratsvorsitzender; Vorarlberger Eigentümervereinigung, Vizepräsident; Bauernbund Vorarlberg, Landesobmann-Stellvertreter; Zivilschutzverband Vorarlberg, Präsident
In Einkommenskategorie 3 (monatlich 4001–8000 Euro brutto) liegt FPÖ-Abgeordneter Thomas Spalt, der Stadtrat in Feldkirch ist und außerdem selbständig als Handelsagent arbeitet. SPÖ-Parlamentarier Reinhold Einwallner in Einkommenskategorie 2 (monatlich 1151–4000 Euro brutto) ist Gesellschafter eines Optikers in Bregenz und arbeitet dort auch als Optikermeister, obendrein sitzt er zum Beispiel im Aufsichtsrat der Vorarlberger Landesversicherung.
Nebenbeschäftigungen, Reinhold Einwallner (SPÖ, Nationalrat)
Einkommenskategorie: 2 (monatlich 1151–4000 Euro brutto); 2022: 2
Tätigkeiten mit Vermögensvorteilen: Einwallner&Magdic OG, Optikermeister; Vorarlberger Landesversicherung, Aufsichtsrat; Landeshauptstadt Bregenz, Mitglied Prüfungs- und Finanzausschuss
Leitende ehrenamtliche Tätigkeiten: Kongresskultur Bregenz GmbH, Aufsichtsratsvorsitzender; Mietervereinigung Vorarlberg, Vorstandsmitglied; Sozialistische Bodensee Internationale, Vorstandsmitglied; SPÖ Vorarlberg, Vorstandsmitglied; Naturfreunde Vorarlberg, Vorstandsmitglied
Nebenbeschäftigungen, Thomas Spalt (FPÖ, Nationalrat)
Einkommenskategorie: 3 (monatlich 4001–8000 Euro brutto); 2022: 2 (monatlich 1151–4000 Euro brutto, voraussichtlich)
Tätigkeiten mit Vermögensvorteilen: Stadt Feldkirch, Stadtrat; Freischaffender Handelsagent
Leitende ehrenamtliche Tätigkeiten (Auswahl): FPÖ Vorarlberg, Vorstandsmitglied; FPÖ Feldkirch, Obmann; Abwasserverband Region Feldkirch, Obmann; Gemeindeverband Personennahverkehr Oberes Rheintal, Vorstandsmitglied
In Einkommenskategorie 1 (monatlich 1–1150 Euro brutto) befinden sich dann noch drei Nationalratsabgeordnete aus Vorarlberg. Norbert Sieber von der ÖVP arbeitet nebenher als Landwirt, Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli ist Gesellschafterin eines Biomasseheizwerks in Frastanz und Neos-Mandatar Gerald Loacker arbeitet als beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Berufskunde sowie für Arbeitsorganisation, Betriebsorganisation und Führung.
Nebenbeschäftigungen, Nina Tomaselli (Grüne, Nationalrat)
Einkommenskategorie: 1 (monatlich 1–1150 Euro brutto); 2022: 1
Tätigkeit mit Vermögensvorteilen: BNB – Tomaselli OG, Frastanz, persönlich haftende Gesellschafterin
Leitende ehrenamtliche Tätigkeiten: Stadt Feldkirch, Stadtvertreterin; Die Grünen Vorarlberg, Vorstandsmitglied
Nebenbeschäftigungen, Gerald Loacker (Neos, Nationalrat)
Einkommenskategorie: 1 (monatlich 1–1150 Euro brutto, voraussichtlich); 2022: 1
Tätigkeit mit Vermögensvorteilen: Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Berufskunde sowie für Arbeitsorganisation, Betriebsorganisation und Führung
Leitende ehrenamtliche Tätigkeiten (Auswahl): Neos, Vorstandsmitglied; Neos Vorarlberg, Mitglied des Landesteams; OSANG Privatstiftung, Bludenz, Vorstandsmitglied
Geringerer Bezug im Bundesrat
Nebenbeschäftigungen sind auch im Bundesrat, der „kleinen“ Kammer des Parlaments, Thema. Dort ist der Bezug für die Mitglieder geringer, Bundesrätinnen und Bundesräte verdienen monatlich 5175,70 Euro brutto. ÖVP-Parlamentarierin Christine Schwarz-Fuchs (Einkommenskategorie 3) arbeitet nebenher als Obmann-Stellvertreterin in der Fachgruppe Druck der Vorarlberger Wirtschaftskammer, zudem ist sie Geschäftsführerin der „Schwarz-Fuchs Liegenschaftsvermietung KG“. Weiters hat sie viele leitende ehrenamtliche Tätigkeiten übernommen, die ihre Kolleginnen und Kollegen ebenfalls offenlegen müssen.

Parteikollegin Heike Eder fällt als selbständige Keynote-Speakerin in Einkommenskategorie 1, ehrenamtlich ist sie etwa Aufsichtsrätin im Vorarlberger Olympiazentrum. Und Grünen-Bundesrat Adi Gross (Einkommenskategorie 3) ist auf seiner Stelle im Amt der Landesregierung noch zu 50 Prozent tätig – als öffentlich Bediensteter hat er das Recht, für seine parlamentarische Arbeit (teilweise) karenziert zu werden.
Nebenbeschäftigungen, Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Bundesrat)
Einkommenskategorie: 3 (monatlich 4001–8000 Euro brutto); 2022: 4 (monatlich 8001–12.000 Euro brutto)
Tätigkeiten mit Vermögensvorteilen: Wirtschaftskammer Vorarlberg – Fachgruppe Druck, Obmann-Stellvertreterin; Schwarz-Fuchs Liegenschaftsvermietung KG, Dornbirn, Geschäftsführerin
Leitende ehrenamtliche Tätigkeiten: ÖVP Vorarlberg, Mitglied des Vorstands und des Präsidiums; Wirtschaftsbund Vorarlberg, Obmann-Stellvertreterin; Industriellenvereinigung Vorarlberg, Vorstandsmitglied; Industriellenvereinigung – Ausschuss für Bildung, Vorsitzende; Caritas Vorarlberg, Stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende; Senat der Wirtschaft, Präsidiumsmitglied; Business & Professional Women Club Vorarlberg, Präsidentin
Nebenbeschäftigungen, Heike Eder (ÖVP, Bundesrat)
Einkommenskategorie: 1 (monatlich 1–1150 Euro brutto); 2022: 0 (monatlich 0 Euro brutto)
Tätigkeit mit Vermögensvorteilen: Selbständige Keynote Speakerin
Leitende ehrenamtliche Tätigkeiten (Auswahl): Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund, Vorstandsmitglied; Olympiazentrum Vorarlberg, Aufsichtsrätin; Vorarlberger Parasportler, Vorstandsmitglied; Vorarlberger Behindertensportverband, Vizepräsidentin
Nebenbeschäftigungen, Adi Gross (Grüne, Bundesrat)
Einkommenskategorie: 3 (monatlich 4001–8000 Euro brutto); 2022: 3
Tätigkeit mit Vermögensvorteilen: Tätigkeit im Amt der Vorarlberger Landesregierung
Leitende ehrenamtliche Tätigkeit: Die Grünen Vorarlberg, Vorstandsmitglied
Jene Politikerinnen und Politiker, die einem Brotberuf in der Privatwirtschaft nachgehen, haben dieses Recht hingegen nicht. Das kritisiert Politologe Ennser-Jedenastik im VN-Gespräch: „Wie können wir es schaffen, dass es Leute aus anderen Berufen leichter haben, ihre Arbeit nicht für die parlamentarische Tätigkeit aufgeben zu müssen?“ Denn prinzipiell sei eine Verankerung der Politik zu externen Berufen sinnvoll, aber: „Aktuell gibt es da einen starken Bias“ – viele Abgeordnete sind nebenher als Bürgermeister oder als Vertreterinnen einer Kammer tätig.
Schweizer „Milizparlament“
Ennser-Jedenastik erwähnt ein Beispiel aus der Schweiz. Die Parlamente dort würden als sogenannte „Milizparlamente“ gelten: „Wenn man den Abgeordneten dort sagen würde, dass sie Berufspolitiker seien, wäre das für viele eine schwere Beleidigung. Dort ist es gesellschaftlich stark verankert, dass sie das Mandat nebenberuflich ausüben.“ Das habe auch seine Berechtigung, klar sei aber: „Die Arbeit im Nationalrat ist hochspezialisiert und professionalisiert. Man sollte meinen, dass man das nicht nur 20 Stunden in der Woche machen kann.“

Man müsse sich tief in seine Materien einarbeiten, sollte mit Bürgerinnen und Bürgern Kontakt halten, manchmal in den Wahlkreis fahren und Medienarbeit machen: „In Regierungsparteien kommen außerdem sehr viele Verhandlungen dazu.“ Laurenz Ennser-Jedenastik hält somit fest: „Wenn man beide Ansprüche hochhält, ist die Belastung für Politiker:innen viel zu hoch.“