Hochwasserschutz und Renaturierung: Rhesi nimmt finale Hürde in Österreich

Politik / 03.07.2024 • 22:15 Uhr
Noch ist dieses Bild nur eine Illustration. Doch so soll der Rhein irgendwann auf Höhe Koblach aussehen.  IRR
Noch ist dieses Bild nur eine Illustration. Doch so soll der Rhein irgendwann auf Höhe Koblach aussehen.  IRR

Nationalrat stimmt Staatsvertrag mit der Schweiz und der Finanzierung zu. Vorarlberg übernimmt bis zu 274 Millionen Euro.

Wien, Bregenz Jetzt ist in Österreich alles in trockenen Tüchern beim Hochwasserschutzprojekt Rhesi. Am Mittwochabend steht das Jahrhunderprojekt im Nationalrat auf Tagesordnungspunkten 21 und 22. Es geht um den Staatsvertrag mit der Schweiz sowie um die Vereinbarung von Bund und Land Vorarlberg. Die Abgeordneten segnen beides einstimmig ab.

Mit den Beschlüssen sind nun in Österreich alle rechtlichen Voraussetzungen geschaffen – lediglich der Bundesrat wird noch grünes Licht geben müssen. Überraschungen sind keine zu erwarten. In der Schweiz steht noch eine Ratifizierung des Staatsvertrags aus.

Umsetzung ab 2027 geplant

Das große Vorhaben zum Hochwasserschutz am Rhein soll ab Mitte 2027 umgesetzt werden, wenn alle Zeitpläne halten. Die Bauzeit soll rund 20 Jahre dauern. Ziel ist, dass die Region für ein 300-jährliches Hochwasser gerüstet ist. Heute können bei starken Regenfällen bis zu 3100 Kubikmeter Wasser pro Sekunde über den Alpenrhein abfließen. Langfristig soll die Kapazität auf 4300 Kubikmeter pro Sekunde steigen. Gleichzeitig werden große Flächen renaturiert.

Norbert Sieber, Nationalrat
Das Projekt sei auch ohne EU-Renaturierungsgesetz möglich gewesen, sagt Norbert Sieber. Parlamentsdirektion/Thomas Topf

So vorarlbergisch das Projekt ist, so ist es am Mittwoch auch die Rednerliste im Parlament. Norbert Sieber (ÖVP), Reinhold Einwallner (SPÖ) und Nina Tomaselli (Grüne) melden sich zu Wort. Breitseiten von ÖVP und Grünen bleiben nicht aus. Reizwort: Renaturierung. Die Zustimmung von Klimaschutzministerin zum entsprechenden EU-Gesetz hatte die Zusammenarbeit zwischen ÖVP und Grüne schwer belastet.

Von Pegelständen bis Naturschutz

“Das Vorarlberger Rheintal war immer wieder von großen Überschwemmungen durch den Alpenrhein betroffen”, erklärt der Abgeordnete Sieber. “2021 und 2023 kamen die Pegelstände den Dämmen immer wieder gefährlich nahe.” Umso wichtiger sei es gewesen, das Projekt Rhesi voranzutreiben. “Nun stehen wir am Ende dieses sehr wichtigen Prozesses.” Die Erneuerung der über 100 Jahre alten Dämme sei unerlässlich, spricht der ÖVP-Mandatar von einem historischen Startschuss für das größte Renaturierungsprojekt Europas. Das sei ohne EU-Renaturierungsgesetz möglich gewesen, hält er außerdem fest.

Nina Tomaselli, Nationalrat
Nina Tomaselli versteht die Positionierung der ÖVP nicht. Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Nina Tomaselli kontert: “Ich verstehe nicht ganz, wie man das größte Renaturierungsprojekt Europas mit jedem kleinen Ding abfeiern kann und gleichzeitig gegen das europäische Renaturierungssetz als Landeshauptmann und als Bundesregierung opponieren kann.” Abseits dessen findet die Grüne ebenso nur lobende Worte für Rhesi, das den Rhein aus dem aktuell engen Korsett hole. “Mit dem heutigen Beschluss geht es einen wichtigen Schritt voran.”

SPÖ-Politiker Einwallner ist froh darüber: “Wir haben gerade in den letzten Wochen erlebt, wie schnell der Rhein steigen kann.” Das Projekt bringe Sicherheit für ungefähr 300.000 Menschen auf der Vorarlbeger und Schweizer Seite des Rheintals. Einwallner lobt die bislang gute Einbindung der Bevölkerung, hofft, dass dies auch in der Planungsphase der Fall sein werde. Den Baubeginn 2027 hält er für sehr ambitioniert. Vermutlich werde er sich ein wenig nach hinten verschieben.

Reinhold Einwallner, Nationalrat
Reinhold Einwallner sieht in Rhesi ein wichtiges Sicherheitsprojekt. Parlamentsdirektion/Anna Rauchenberger

Für die FPÖ spricht nicht der Vorarlberger Thomas Spalt, sondern der Niederösterreicher Alois Kainz, der das Projekt nochmals durchdekliniert. “Der natürliche Verlauf des Flusses soll so weit als möglich wiederhergestellt und die Strecke als Erholungsgebiet deutlich aufgewertet werden.” Dieses Mammutprojekt sei zu 100 Prozent zu unterstützen.

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig bezeichnet Rhesi als Sicherheitspuffer gegen Hochwasser und als wichtiges Renaturierungsprojekt, das auf der EU-Wasserrahmenrichtlinie fuße. 2005 habe man mit den Entwürfen begonnen, 25 Verhandlungsrunden seien geführt worden, blickt der Minister in die Vergangenheit zurück. Nun stehe die Umsetzung bevor.

Kostenteilung mit der Schweiz

Das Land Vorarlberg wird 25 Prozent der Kosten übernehmen, maximal 274 Millionen Euro über 25 Jahre. 820 Millionen Euro trägt der Bund, zudem werden 18,6 Millionen Euro in die Erhaltung der bestehenden Werke fließen. Geregelt ist das Finanzielle in einem Staatsvertrag mit der Schweiz und einer Vereinbarung zwischen Bund und Land, die eben am Mittwoch vom Nationalrat abgesegnet wurden. Die Schweiz wird mit einer Milliarde etwa die Hälfte der Kosten übernehmen.

ABD0119_20240517 – WIDNAU – SCHWEIZ: Susanne Hartmann, Regierungsraetin (St. Gallen), Bundesrat Albert Roesti, Magnus Brunner, Bundesfinanzminister (Oesterreich), Markus Wallner, Landeshauptmann Vorarlberg, Norbert Totschnig, Bundesminister (Oesterreich), und Christian Gantner, Landesrat Vorarlberg, von links, treffen ein zur Unterzeichnung des vierten Staatsvertrags zwischen der Schweizerischen.Eidgenossenschaft und der Republik Oesterreich ueber die Verbesserung des.Hochwasserschutzes am Rhein, aufgenommen am Freitag, […]
Mitte Mai wurde der vierte Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Österreich bezüglich RHESI unterzeichnet. Im Bild: Susanne Hartmann, Regierungsraetin von St. Gallen, der Schweizer Bundesrat Albert Roesti, Finanzminister Magnus Brunner, Landeshauptmann Markus Wallner, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und Landesrat Christian Gantner (alle ÖVP).

Dass Rhesi notwendig ist, steht außer Zweifel. Auch in Vorarlberg herrscht politischer Konsens. Umweltlandesrat Daniel Zadra (Grüne) erklärt außerdem: “Es gibt physikalische Gesetze. Eine um ein Grad wärmere Luft kann sieben Prozent mehr Wasser in sich tragen. Dieses Wasser wird immer mehr in Starkregenereignissen herunterkommen. Projekte wie Rhesi oder das Moorschutzprojekt AMooRe seien daher “nicht irgendwelche Naturschutzprojekte für irgendein paar Vögel, sondern unsere Lebensversicherung”. Landeshauptmann Markus Wallner spricht den VN gegenüber von einem Schlusspunkt, auf den er besonders stolz sei. “Das ist eine große Weichenstellung für das Land, die weit in die Zukunft reichen wird.” Sobald der Staatsvertrag in der Schweiz ratifiziert sei, könne das Projekt eingereicht werden. Mit der Fertigstellung sei gegen Ende der 2040er-Jahre zu rechnen.

Karte Rhein in Vorarlberg bis zum Bodensee, geplante Verbreiterung; Die Auslieferung der APA-Grafiken als Embed-Code ist ausschlie§lich Kunden mit einer gŸltigen Vereinbarung fŸr Grafik-Pauschalierung vorbehalten. Dabei inkludiert sind automatisierte Schrift- und Farbanpassungen an die jeweilige CI. FŸr weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Grafik-Team unter grafik@apa.at. GRAFIK 1181-22, 88 x 146 mm