Warum sich diese Mädchen strafbar machen

Politik / 03.07.2024 • 13:10 Uhr
Warum sich diese Mädchen strafbar machen
Diese jungen Mädchen in Lustenau sehen im Wolfsgruß vor allem ein Symbol der türkischen Identität, des Stolzes auf die eigene Herkunft. In der Türkei ist es ein Zeichen der Bewegungen am rechten äußeren Rand. VN/Rauch

Manche kennen ihn noch aus der Schule als Schweigefuchs, in der Türkei ist er ein Zeichen des Nationalismus: der Wolfsgruß.

Leipzig, Schwarzach Die UEFA hat gegen den türkischen Nationalspieler Merih Demiral nach dessen Torjubel mit dem sogenannten Wolfsgruß eine Untersuchung eingeleitet. Wie die Europäische Fußball-Union mitteilte, geht es dabei um “mutmaßlich unangemessenen Verhalten” des Abwehrspielers, der beim 2:1-Sieg der Türkei gegen Österreich im EM-Achtelfinale am Dienstag zweimal getroffen hatte. Das zweite Tor feierte er mit dem Handzeichen der “Grauen Wölfe”, die als nationalistisch und faschistisch gelten. Und auch unter den türkischen Fans in Vorarlberg ist das Handzeichen weitverbreitet. Dabei ist es in Österreich verboten.

Türkische Fans feiern Viertelfinaleinzug nach Spiel gegen Österreich
Am Dienstag gab es für die Türkei und ihre Fans viel Grund zur Freude. Diese Fans kamen dabei ganz ohne fragwürdige Symbole aus. VOL/PletschDies gelang nicht allen.

Für viele Personen mit türkischer Herkunft ist es primär ein Zeichen, dass sich auf ihre türkische Identität bezieht. “Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun”, betonte etwa Demiral nach dem Spiel. Seinen Ursprung hat der Wolfsgruß jedoch bei den “Grauen Wölfen”. Dies sind die Anhänger der rechtsextremistischen “Ülkücü-Bewegung” (Idealisten-Bewegung), die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird und auch in Österreich nicht verboten sind. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

In Österreich ist der Wolfsgruß seit März 2019 verboten. Im öffentlichen Bereich darf weder der Wolfsgruß noch die Abzeichen der Grauen Wölfe oder die drei weißen Halbmonde gezeigt werden. Begründet wird dies mit einer “demokratiekritischen” Einstellung der Ülkücü-Bewegung. Sie sind damit auf einer Ebene mit den Symbolen des IS, der Hamas, der PKK oder der Identitären Bewegung. Es drohen Strafen von bis zu 10.000 Euro oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Monat. Derzeit gibt es laut der Polizei Vorarlberg Ermittlungen in zwei Bezirken wegen Übertretungen des Symbolgesetzes aufgrund von Wolfsgrüßen.

Panturkismus

Das große Ziel der Ülkücü ist die Schaffung von “Turan”, der Verbindung und Einigung der zentralasiatischen Heimat der Turkvölker (etwa Turkmenistan und der Osten Chinas) bis zur Türkei, aber auch Bulgarien. Auch die historisch nicht haltbare Idee, dass auch die Mongolen, Finno-Ugrier und mandschu-tungusischen Völker Russlands, der Mongolei und China, wird oft im Sinne eines Panturanismus vertreten. Es wird damit der Anspruch auf ein Gebiet vom Balkan bis in die Mongolei erhoben.

Die Idee des Panturkismus hat an Bedeutung eingebüßt, Nationalisten aus der Türkei sehen jedoch weiterhin bevorzugt eine Hegemonierolle der Türkei unter allen Turk-Nationen und dem Nahen Osten. Dementsprechend werden vor allem Kurden, Armenier, Griechen wie auch Israel, die EU und antinationalistische Bewegungen wie der Kommunismus als Feindbilder der Grauen Wölfe wahrgenommen.

Graue Wölfe in Vorarlberg

In Vorarlberg spielt der Wolfsgruß seit Jahren eine bedeutendere Rolle. Der Verein “Şafak”, einem in Österreich aktiven türkischen Kulturverein, und die kurdische Gemeinschaft im Bodenseeraum trugen 2016 ihre Konflikte teilweise auch im öffentlichen Raum aus. Beide Seiten unterstellten einander Verbindungen zu radikalen Elementen in der Türkei.

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2018 wurde bekannt, dass die Grauen Wölfe gezielt Jugendlichen in Vorarlberger Gebetsräume ansprechen und einzuvernehmen versuchen. Auch in den sozialen Netzwerken präsentierte man sich und zeigte dort den damals noch erlaubten Wolfsgruß ungehemmt. Şafak und andere Jugendorganisationen der türkischen Community fühlten sich damals missverstanden. Denn auch hier habe man den Gruß vor allem als Zeichen türkischer Identität verstanden und nicht als ein faschistisches Symbol.

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Die Polizei gehe präventiv auf entsprechende Organisationen zu, um Rechtsbelehrungen durchzuführen, versichert Sicherheitslandesrat Christian Gantner.