Loacker kritisiert Kammern: “Lebensadern der großen Parteien”

Politik / 08.07.2024 • 16:03 Uhr
ABD0070_20231214 – WIEN – …STERREICH: Gerald Loacker (NEOS) im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlament, am Donnerstag, 14. Dezember 2023, in Wien. – FOTO: APA/EVA MANHART
Gerald Loacker (Neos) bei einer seiner letzten Reden im Nationalrat. Er möchte in die Privatwirtschaft wechseln. Zuvor präsentierte er eine aktualisierte Version seines Buchs über Österreichs Kammern.APA/EVA MANHART

Die Pflichtmitgliedschaft beschert Kammern hohe Rücklagen, die Kontrollen seien jedoch zahnlos, sagt Loacker.

Wien “Die Menschen unterschätzen, welche Macht die Kammern haben”, sagt Neos-Sozial- und Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. Es fehlen transparente Kontrollmöglichkeiten, wie die Pflicht-Mitgliedsbeiträge verwendet werden, kritisiert er. Mit dieser Legislaturperiode endet Loackers politische Karriere. Doch zuvor veröffentlichte er die Neuauflage seines Buchs über Österreichs Kammern, das Zahlen und Daten von 2022 zusammenträgt. Diese über zahlreiche parlamentarische Anfragen zu bekommen, sei “ein richtiger Sport”.

Die Arbeiterkammer hat rund drei Millionen zahlungspflichtige Mitglieder. Vorarlberger AK-Mitglieder zahlten 2022 237 Euro (2021: 221 Euro und 2010: 141 Euro). Für die Wirtschaftskammer (WKO), sie hatte Ende 2023 fast 700.000 Mitglieder, lag die Kammerumlage 2022 bei 1.074 Euro (2021: 985 Euro und 2010: 811 Euro). 2022 nahmen die WKO 1,3 Milliarden Euro und die AK 596 Millionen Euro ein.

Schweigepflicht im Kontrollausschuss

Loacker kritisiert “zahnlose” Kontrollmöglichkeit: “Eigentlich müsste es einen Standard geben, weil es immerhin gesetzliche Einrichtungen sind.” Alle drei Kontrollmöglichkeiten seien “disfunktional”, sagt er. Denn der zuständige Minister beschränke sich bei der Begutachtung der Bilanzen “auf das Formale”, um nicht das Prinzip der Selbstverwaltung zu verletzen. Daher prüfe auch der Rechnungshof eingeschränkt. Die Bilanz müsse nicht von Wirtschaftsprüfern begutachtet werden. (Die AK macht davon aber zum Beispiel freiwillig Gebrauch.) “Die Kammern dürfen prinzipiell ihre Bilanzen selbst prüfen. Die Rechnungsabschlüsse werden zwar dem Kontrollausschuss vorgelegt, dort herrscht jedoch Schweigepflicht”, berichtet Loacker.

Politischer Einfluss

Loacker nennt die AK und WKO die “Lebensadern der großen Parteien” SPÖ und ÖVP. Aufgrund ihrer Aufgaben hätten die Kammern ein wesentliches Mitspracherecht in der Politik. Auch Inseratenausgaben steigen: Bei der Arbeiterkammer von 2022 auf 2023 um 17 Prozent, bei der Wirtschaftskammer 21 Prozent. Und das, so Loacker, “obwohl AK und WKO eigene Medien und ausreichend Kommunikationskanäle haben”.

Stärker gewachsen als Inflation

Beiträge, Einlagen und Mitarbeiterzahlen seien rascher als die Inflation gewachsen. Auch im Coronajahr 2022, als Banken bei Kreditzinsen und Vermieter bei Mieteinnahmen bremsen mussten, erhöhten sich Umlage, Bank- und Sachanlagen von WKO und AK über der Inflation. “Von 2010 bis 2022 liegt die Inflation bei 34 Prozent, die Einnahmen der Wirtschaftskammern sind aber um 51 Prozent gestiegen, jene der Arbeiterkammern sogar um 63 Prozent”, schreibt Loacker im Buch.

WKO und AK verweisen auf mehr Serviceleistungen

Auf VN-Nachfrage schildert die WKO ihre Sichtweise: Zu Beginn der Corona-Krise wurde auf die Vorschreibung der Grundumlagen im Ausmaß von 200 Millionen Euro verzichtet. Im Zuge der Steuerstundungsaktion des Bundes wurden bei Betrieben die Kammerumlage 1 und 2 um mehrere hundert Millionen Euro gestundet. “Das alles bei einem gleichzeitig erfolgten enormen Ausbau der Serviceleistungen”, sagt eine WKO-Sprecherin.

Auch die Arbeiterkammer verweist gegenüber den VN auf mehr Leistungen: „Die Services wurden während der Pandemie stärker nachgefragt als je zuvor.” Zudem habe die AK in bei der Entwicklung von Lösungen bei Kurzarbeit oder Homeoffice-Regelungen “im Sinne ihrer Mitglieder” beigetragen.