SPÖ-Chef Babler: “Der Bundeskanzler ist offenbar arbeitnehmerfeindlich”

Politik / 19.07.2024 • 10:53 Uhr
Interview Andreas Babler
Babler warnt vor einem Sparpaket, sollte es eine schwarz-blaue Regierung geben. VN/Rhomberg

Andreas Babler kritisiert “Milliardengeschenke an die Superreichen und Großkonzeren”. Der SPÖ-Chef sagt, er würde die Körperschaftssteuern wieder erhöhen und Vermögenssteuern einführen, um ein Sparpaket auf dem Rücken der Bevölkerung zu verhindern.

Birgit Entner-Gerhold, Anna Weissenbach

Bregenz SPÖ-Chef Andreas Babler lässt kein gutes Haar an der schwarz-grünen Koalition. Er kritisiert sie für “Steuergeschenke an die Superreichen”. Für Häuslebauer würde er die Kreditzinsen deckeln. Die Banken hätten in den vergangenen Jahren unmoralische Gewinne verzeichnet. Dass sich Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) gegen eine Arbeitszeitverkürzung ausspreche und gleichzeitig für eine Kürzung des AMS-Budgets argumentiere, bezeichnet Babler als arbeitnehmer- und arbeitslosenfeindlich. Die ÖVP habe den Zugang zu den Menschen und den Respekt vor den Menschen verloren.

Der SPÖ-Burgenland-Chef und Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil hat gesagt, dass die SPÖ mit Politikern wie Jörg Haider, Heinz-Christian Strache oder Herbert Kickl falsch umgeht. Stimmt das?

Babler Das muss man ihn selbst fragen. Ich beschäftige mich mit etwas Wichtigerem: Es gilt nun, aus der desaströsen Budget-Situation rauszukommen, die Schwarz-Grün zu verschulden hat. Es fehlen zehn bis zwölf Milliarden Euro. Man muss schauen, dass es kein Sparpaket auf dem Rücken der Bevölkerung gibt und dass wir nicht auf eine blau-schwarze Mehrheit zusteuern. 

Kann man ein Sparpaket verhindern?

Babler Ja, deswegen fordern wir den Finanzminister auf, einen Kassasturz zu machen. Wir haben 2017 ein konsolidiertes Budget übergeben und 2024 stehen wir jetzt vor einem Budgetkollaps.

Kassasturz bedeutet, dass Sie sich den Budgetvollzug ansehen können. Was wollen Sie darüber hinaus noch vom Finanzminister wissen?

Babler Er muss Rede und Antwort stehen, was hier falsch gelaufen ist. Wir waren in Österreich knapp zwei Jahre lang Schlusslicht, was den Kampf gegen die Teuerung anbelangt hat, mit der höchsten Inflation Westeuropas und jetzt mit einer Rezessionsgefahr. Gleichzeitig gab es eine Überförderung. 86 Prozent der Energieförderungen waren gewinnerhöhend. Die großen Konzerne haben viel Geschäft damit gemacht. Man hat Milliardenbeträge rausgeschossen und gleichzeitig die Gewinnsteuer gesenkt. Nun fehlen Milliarden. Das ist ein komplettes Desaster.

Interview Andreas Babler
Die Körperschaftssteuer müsse erhöht werden. Die Senkung sei ein Geschenk an die großen Konzerne gewesen, betont Babler.VN/Rhomberg

Der frühere Fiskalrats-Präsident Bernhard Feldhauer erklärte einst, dass eine Senkung der Körperschaftssteuer Investitionen ankurbelt. Ist das falsch? 

Babler Die Zahlen sprechen eine andere Sprache.

Nun ist das Geld ausgegeben. Wie kommt man ohne Sparpaket aus?

Babler Die Gewinnsteuer ist ein gutes Beispiel. Unter Schwarz-Grün wurde sie zuletzt von 25 Prozent auf 23 Prozent gesenkt. Dadurch allein verlieren wir in der nächsten Legislaturperiode fünf Milliarden Euro an die Superreichen.

Also sollte die Körperschaftssteuer wieder rauf?

Babler Ja, logischerweise müssen wir einige ÖVP-Steuergeschenke an Großkonzerne zurücknehmen. Und die superreichsten zwei Prozent müssen einen gerechten Beitrag leisten. Außerdem braucht es Investitionen im Pflegebereich, im Gesundheitsbereich, im Bildungsbereich und allgemein. Diese muss man gegenfinanzieren. In unseren vor kurzem vorgestellten 24 Ideen haben wir vorgerechnet, wie man die Bevölkerung entlastet und dabei dennoch einen positiven Budgetsaldo schafft. Da ist einiges zu holen. Es muss kein Sparpaket für alle geben.

In Vorarlberg fordert Mario Leiter, dass in den kommenden fünf Jahren 11.000 gemeinnützige Wohnungen bereitgestellt werden sollen. Ist das Ziel nicht ein wenig hochgesteckt?

Babler Es ist umsetzbar. Vorarlberg belegt österreichweit den letzten Platz, was den Bau von leistbarem Wohnraum anbelangt. Das gilt es zu ändern. Darüber hinaus sichert Wohnbau Beschäftigung und generiert Steuereinnahmen.

Aber es sind drei gemeinnützige Wohnbauträger, die 2000 neue Wohnungen jährlich auf den Markt bringen sollten. Ist das echt realistisch?

Babler Das hat sich die SPÖ Vorarlberg gut überlegt.

Interview Andreas Babler
Der SPÖ-Chef würde die Zinsen auf Wohnbaukredite deckeln. Die Banken hätten mit der aktuellen Zinspolitik unmorlischen Gewinn erwirtschaftet. VN/Rhomberg

Sie schlagen eine Obergrenze von drei Prozent für Wohnbaukredite vor. Wie könnte sich das denn auf die Banken auswirken?

Babler In der Zeit der Krise haben Banken Rekordgewinne gemacht. Sie haben von der Zinspolitik wahnsinnig profitiert, während die Leute unter den steigenden Kreditzinsen ächzen. Deswegen muss man deckeln. Wir wollen ermöglichen, dass sich jemand ein Eigenheim schaffen kann, mit 300.000 Euro Kreditvolumen als vernünftige Grenze für die Zinsdeckelung.

Glauben Sie nicht, dass das die Branche ins Wanken bringen könnte?

Babler Die Branche, die im letzten Jahr 14 Milliarden Euro Gewinn gemacht hat? Glaube ich eher nicht, nein. Sie werden vielleicht weniger Gewinn machen, aber was hier passiert ist, ist höchst unmoralisch. Eine verantwortungsvolle Regierungspolitik hätte längst eingegriffen. Immer mehr Menschen haben ihr Konto überziehen müssen, weil das Wohnen teurer geworden ist, die Lebenserhaltungskosten teurer geworden sind. Und die Banken haben die hohen Zinsen kassiert. Unglaublich unmoralisch.

Erst wurde bekannt, dass das AMS-Budget gekürzt wird. Ist jetzt die richtige Zeit dafür?

Babler Nein. Wir haben in Österreich 338.000 Arbeitslose, Tendenz steigend. Die Sozialdemokratie will, unter anderem mit Beschäftigungsprojekten, in die Gegenrichtung steuern. 50.000 Arbeitslose kosten uns volkswirtschaftlich 1,5 Milliarden Euro im Jahr. Beschäftigungsinitiativen kosten einen Bruchteil davon. Gleichzeitig zahlen die Leute wieder Steuern, weil sie ein höheres Einkommen haben.

Der Bundeskanzler meinte, es sei möglich nach Corona gewisse Programme wieder zurückfahren. Das AMS könne das Geld womöglich auch effizienter nutzen. Können Sie mit dieser Argumentation etwas anfangen?

Babler Nein, das ist arbeitslosenfeindlich. Es unterstellt vielen Menschen, dass sie absichtlich arbeitslos geworden sind. Viel eher ist die Bundesregierung dafür verantwortlich, dass Menschen ihre Arbeit verlieren, weil der Standort nicht attraktiv ist.

Der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Knill, hat gesagt, dass die SPÖ noch nie so wirtschaftsfeindlich war, wie unter Ihnen.

Babler Knill ist in seinen Aussagen manchmal wahnsinnig radikal. Er gehört zu jenen Leuten, die darüber diskutieren, ob man die Wochenarbeitszeit nach über 140 Jahren erhöht, statt verkürzt. Es ist auch wirtschaftsfeindlich, nicht auf die Menschen zu achten, die jeden Tag ihre Arbeitskraft verkaufen und den Gewinn für die Unternehmen erwirtschaften.

Warum wird Ihr Programm vor allem in der ÖVP als wirtschaftsfeindlich ausgelegt?

Babler Weil die ÖVP die Interessen der Superreichen und Großkonzerne vertritt, aber nicht das Interesse des Wirtschaftsstandorts. Alles, was die unmoralischen Gewinne der Superreichen und Großkonzerne schmälert, wollen sie nicht. Sie haben den Zugang zu den Menschen und den Respekt vor den Menschen verloren.

Interview Andreas Babler
Den IV-Chef sei in seinen Aussagen radikal, der Kanzler arbeitslosenfeindlich, sagt Babler. VN/Rhomberg

Haben Sie Ihre Forderung nach der 32-Stunden-Woche jemals bereut?

BAbler Überhaupt nicht. Die Arbeitsproduktivität hat sich in den letzten 50 Jahren verdoppelt, der Stress hat sich deutlich erhöht. Eigentlich ist es eine Frechheit, dass wir in den vergangenen 50 Jahren nichts gemacht haben. Nun wollen wir eine schrittweise Verkürzung der Normalarbeitszeit. Wir werden dort anfangen, wo es am schwersten ist und schrittweise in Etappen Richtung 4-Tage-Woche gehen. Das bringt mehr Arbeitszufriedenheit, weniger Krankenstände und mehr Arbeitsproduktivität.

Der Bundeskanzler argumentiert, dass Wohlstand mit einer 32-Stunden-Woche nicht möglich ist, weil man auch Abgaben braucht, die in den Steuertopf fließen und vieles an der Arbeit hängt.

Babler Der Bundeskanzler ist offenbar arbeitnehmerfeindlich.

Müssten die Lohnnebenkosten runter?

Babler Die Lohnnebenkosten sind Sozialstaatsbeiträge. Das ist der falsche Ansatz. Es braucht eine Senkung der Beiträge, die mehr Netto für die Arbeitnehmer bedeuten.

Welche Beiträge wären das?

Babler Wir müssten beim Eingangssteuersatz ansetzen und über eine Gegenfinanzierung nachdenken. Da haben wir zum Teil die Vermögensbesteuerung, aber wir können mit ihr nicht alles finanzieren. Deswegen wollen wir auch Steuergeschenke für die Superreichsten zurücknehmen und zu einem ausgeglichenen Budget kommen.

Schließen Sie für eine mögliche Koalition jemanden aus?

Babler Außer der FPÖ schließen wir niemanden aus.

Sind die Vermögensteuer, Erbschaftssteuer und die 32-Stunden-Woche rote Linien für eine Koalitionsbeteiligung?

Babler Es führt kein Weg an mehr Gerechtigkeit vorbei. Das ist die Koalitionsbedingung. Wir haben unsere Ideen auf den Tisch gelegt und es gibt derzeit keine anderen Gegenvorschläge dazu.

Interview Andreas Babler
Andreas Babler traf die VN am Rande der Festspieleröffnung in Bregenz zum Interview. VN/Rhomberg