Das Geld der Bürger soll in Europa bleiben, fordern die Finanzminister

Bregenzer Erklärung der deutschsprachigen Finanzminister: Eine Kapitalmarktunion soll dafür sorgen, dass private Investitionen innerhalb Europas getätigt werden.
Lochau Im kleinen Lochau, am idyllischen Bodensee, die große europäische Politik. Ein seltenes, aber nicht ausgeschlossenes Ereignis, wie der Dienstag zeigt. Österreichs Finanzminister Magnus Brunner hat die deutschsprachigen europäischen Finanzminister eingeladen, um über europäische Wettbewerbsfähigkeit zu diskutieren. Ein leichtes Spiel an diesem Tag, sind sich die anwesenden Finanzminister doch in vielen Punkten einig. Eine gemeinsame Bodensee-Erklärung soll die Marschrichtung vorgeben.
Und die lautet: Die Konkurrenz stehe nicht hier am Podium, sagt Brunner bei der anschließenden Pressekonferenz. Die wirtschaftliche Konkurrenz sei in China und in den USA. 300 Milliarden Euro europäisches Kapital würden jährlich ins Ausland fließen. “Das bedeutet, dass die Ersparnisse der Europäerinnen und Europäer Innovation und Jobs im Ausland fördern. Und das kann nicht das Ziel der EU sein”, fährt Brunner fort. Geht es nach den Finanzministerinnen und -Minister aus der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Luxemburg und Österreich, soll sich das ändern. Eine Kapitalmarktunion soll helfen.
Klaus Weyerstraß, Experte für Makroökonomie und Konjunktur am Institut für Höhere Studien (IHS), hält das für eine gute Idee. “Das Problem in Europa ist die Zersplitterung”, sagt er. “Es gibt eigene Kapitalmärkte in Deutschland, in Österreich, in Spanien und so weiter. Im Vergleich zu den USA ist alles sehr kleinteilig.” Der deutsche Finanzminister Christian Lindner erklärt auf VN-Nachfrage, wie ein gemeinsamer Kapitalmarkt aussehen könnte – am Beispiel eines gemeinsamen Investmentprodukts auf europäischer Ebene, an dem man gerade arbeite. “Darunter können wir uns standardisierte Regeln, Richtlinien und Anforderungen beispielsweise an einen Fonds vorstellen”, betont Lindner. In so einem Produkt könne man vorsehen, dass der Fonds nur innerhalb Europas anlegen darf. “Und diese Anlage könnte national steuerlich begünstigt werden. Allerdings wäre es immer die freie Wahl der Bürgerinnen und Bürger, in ein solches Produkt zu investieren.” Eine rein nationale Einführung eines solchen Fonds lehne Deutschland ab.
Die anwesenden Finanzminister betonen zudem, dass Europas Staaten ihre Schulden wieder in den Griff bekommen müssen. In der Schweiz laufe beispielsweise gerade eine Aufgaben- und Subventionsüberprüfung, sagt Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Der Haushalt müsse wieder ausgeglichen sein.

Ein weiteres Thema der Bodensee-Erklärung ist der Bürokratieabbau in Europa. “Wir müssen die Überregulierung abschaffen und vor allem in Brüssel dafür sorgen, dass es weniger Richtlinien gibt. Bestehende Regelwerke müssen entschlackt werden, EU-Reglementierungen dürfen nicht zum Wettbewerbsnachteil für europäische Unternehmen werden,” betont Gilles Roth, Finanzminister von Luxemburg. Auch IHS-Experte Weyerstraß findet, dass man an diesem Punkt ansetzen muss. “Hier könnten aber auch die Staaten selbst einiges tun”, nimmt er die Finanzminister in die Pflicht. In Österreich gebe es etwa neun verschiedene Baurechte . “Die könnte man schon vereinheitlichen”, ist er überzeugt. “Die Bürokratie wird von Unternehmen immer wieder als großes Ärgernis wahrgenommen.” Auf europäischer Ebene gehe es vor allem darum, Normen zu harmonisieren und Berichtspflichten zu reduzieren. “Beispielsweise im Bankenbereich und bei Investmentfonds wären europaweit einheitliche Regelungen wichtig.” Auch Barrieren müssten abgebaut werden – etwa bei der Anerkennung von Ausbildungen und bei regulierten Berufen.
Einer, der solche europaweiten Barrieren in Zukunft abbauen könnte, ist Magnus Brunner. Er soll bekanntlich EU-Kommissar werden. Zur Freude seiner Amtskollegen. Christian Lindner sagt mit einem Grinsen im Gesicht: “Wir schicken unseren Besten nicht ohne Hintergedanken in die Kommission.” Seine Hoffnungen in der marktwirtschaftlichen, stabilitätsorientierten Agenda würden auf Brunner ruhen. Auch sein Luxemburger Kollege Gilles Roth streut Brunner Rosen. “Ich glaube, Brunner ist der richtige Mann, um weniger Bürokratie in Brüssel herbeizuführen.”


