Häusliche Gewalt: Polizei muss mehr als einmal pro Tag ausrücken

Politik / 13.08.2024 • 12:42 Uhr
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Die überwiegende Mehrheit der Täter sind Männer, die Opfer in der Regel Frauen. AFP

In Vorarlberg bleibt die Zahl der Einsätze hoch. „Gewalt kommt in allen Schichten und Altersgruppen vor”, warnt Nikola Furtenbach vom Projekt „Stadtteile ohne Partnergewalt“ und ruft dazu auf, nicht wegzuschauen.

Schwarzach Mehr als einmal pro Tag muss die Polizei in Vorarlberg einschreiten und einen Gewalttäter – die überwiegende Mehrheit ist männlich – wegweisen. 288 Mal haben die Beamten von Anfang Jänner bis Ende Juli ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen. Österreichweit passierte das 8610 Mal.

Betretungs- und AnNÄHerungsverobte

1. Jänner bis 31. Juli 2023: 285 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen

1. Jänner bis 31. Juli 2024: 288 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen

Nicht wegschauen. Ansprechen.

„Gewalt kommt in allen Schichten und Altersgruppen vor“, weiß Nikola Furtenbach. Sie leitet das Projekt „Stadtteile ohne Partnergewalt“, das in Bregenz, Hohenems, Lustenau und Feldkirch läuft. Es gehe darum, Bewusstsein zu schaffen, Menschen zu ermutigen, hinzusehen und zu helfen. „Jemandem Unterstützung anzubieten, kann nie verkehrt sein“, betont die Projektleiterin im Institut für Sozialdienste (ifs). Auch Geduld sei gefragt. In der Regel brauche es fünf bis sieben Trennungsversuche, bis eine Frau tatsächlich einer Gewaltbeziehung entkomme. „Hier ist es wichtig, für die Person da zu sein. Und auch der Person, die Gewalt ausübt, Grenzen aufzuzeigen.“ Wer Fragen habe, könne sich immer an das Gewaltschutzzentrum wenden.

gewaltschutzstelle
Nikola Furtenbach leitet das Projekt “Stadtteile ohne Partnergewalt”. IFS

Gleiches gilt für die Opfer. Das Gewaltschutzzentrum mache immer wieder auf seine Angebote aufmerksam. „Wir müssen ständig ins Bewusstsein bringen, wo sich Betroffene hinwenden können“, erklärt Furtenbach. Viele verspürten eine Scham, Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Wichtig ist: Wer sich an eine Beratungseinrichtung wendet, bestimmt selbst, was passiert.“ Weder würde die Polizei benachrichtigt, noch würden sonstige Schritte gesetzt. Betroffene könnten sich informieren und dann entscheiden, was sie tun wollen. „Die Beratungsangebote sind für sie kostenlos und gibt es in unterschiedlichen Sprachen.“ Von Jänner bis Juli dieses Jahres zählte das Gewaltschutzzentrum 716 Klientinnen und Klienten.

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Verpflichtende Beratung für Gefährder

Auch Personen, die Gewalt ausüben, müssen zur Beratung, wenn ein Betretungs- und Annäherungsverbot verhängt worden ist. Die verpflichtende Täterberatung umfasst sechs Stunden und wurde im September 2021 eingeführt. Das Ausmaß sei zwar nicht genug, um ein Gewaltverhalten zu verlernen, hält Furtenbach fest. „Wir haben aber die Möglichkeit, dass die Personen, die in eine Beratung kommen, freiwillig bei der gleichen Beraterin oder dem gleichen Berater weitermachen können.“ Damit sei Vorarlberg einzigartig. Im vergangenen Jahr haben sich 28 Prozent dafür entschieden, freiwillig weiterzumachen – laut Furtenbach ein hoher Anteil. Heuer zählte die Beratungsstelle für Gewaltprävention, die Gefährder besuchen müssen, 335 Klientinnen und Klienten.

Klienten und Klientinnen in der ifs Frauennotwohnung

ifs Frauennotwohnung

2023 gesamt: 89 Frauen und 87 Kinder

01.01.-31.07.2024: insgesamt 44 Frauen und 40 Kinder

Zuflucht im Frauenhaus

Frauen, die sich in den eigenen vier Wänden nicht mehr sicher fühlen, können sich beim Frauenhaus melden. 44 Frauen und 40 Kinder fanden in der ifs Frauennotwohnung heuer bereits Zuflucht. Aktuell leben dort zehn Frauen mit acht Kindern.

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„In Vorarlberg sind wir mit den Einrichtungen, die wir haben, gut aufgestellt“, blickt Furtenbach auf das gesamte Angebot. Die „Stadtteile ohne Partnergewalt“ würden das ergänzen. Hier gehe es darum, primär das Umfeld von Betroffenen zu sensibilisieren. „Das Umfeld bekommt häufig mit, dass es zu Gewalt kommt.“ Sei es der Fußballverein oder die Pfarrgemeinschaft.

2024 wurden österreichweit 15 Frauen getötet. In keinem dieser Fälle gab es laut Innenminister Gerhard Karner zuvor ein Betretungs- oder Annäherungsverbot. Furtenbach glaubt, dass die Gewalt dennoch sichtbar gewesen sein könnte. Das Umfeld habe vielleicht etwas vermutet oder gewusst. Umso wichtiger sei es, nicht zu schweigen, Hilfe anzubieten und Unterstützung zu suchen.

Wer Hilfe sucht, hat mehrere Anlaufstellen in Vorarlberg


Gewaltschutzzentrum Vorarlberg: +43 5 1755 535, office.vorarlberg@gewaltschutzzentrum.at

ifs Frauenberatungsstelle bei sexueller Gewalt: +43 5 1755-536 frauenberatungsstelle@ifs.at

ifs FrauennotWohnung: +43 5 1755-577 (rund um die Uhr erreichbar), frauennotwohnung@ifs.at

ifs Gewaltberatung: +43 5 1755-515, gewaltberatungifs.at