So viel könnte das Aus des Dieselprivilegs die Autofahrer kosten

Politik / 20.08.2024 • 16:11 Uhr
AUSTRIA-ENERGY/
Klimaministerin präsentierte am Dienstag sichtlich erleichtert den fertigen Klimaplan. MAPA

Das Dieselprivileg soll fallen. Das betonte Leonore Gewessler bei der Präsentation des nationalen Klimaplans am Dienstag. Jahrelang wurde um den fertigen Text gerungen, doch bereits nach der Pressekonferenz interpretierte der Regierungspartner ÖVP den Inhalt anders. Vorarlbergs Landwirte befürchten eine weitere finanzielle Belastung in der aktuellen wirtschaftlich schwierigen Lage.

Wien Die türkis-grüne Regierung hat es spannend gemacht. Jahrelang wurde um den Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP)  gerungen. Nun steht er fest. “Am Ende zählt, dass ein gutes Ergebnis vorliegt”, sagte Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei der Präsentation am Dienstag. Es soll an alten Privilegien gerüttelt werden. Ziel ist es, zwei Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr zu reduzieren. Der NEKP wurde am Dienstag im Ministerrat fixiert und anschließend an die EU-Kommission übermittelt.

Kein Bauer fährt einen Kilometer mehr, als notwendig ist.

Josef Moosbrugger, Landwirtschaftspräsident

So soll zum Beispiel das Dieselprivileg fallen, informierte Gewessler. Unmittelbar davon betroffen wären auch Vorarlbergs Landwirtinnen und Landwirte. “Kein Bauer fährt einen Kilometer mehr, als notwendig ist. Das ist der große Unterschied zu anderen Verkehrsteilnehmern”, sagt Landwirtschaftspräsident Josef Moosbrugger den VN in einer ersten Reaktion. Alternative Systeme sind noch nicht marktreif, betont er.

Josef Moosbrugger
Josef Moosbrugger weißt darauf hin, dass die Landwirte wettbewerbsfähig bleiben müssen. VN

Landwirtschaftskammer warnt

Gerade die Landwirtschaft gehöre zu jenen Bereichen, in denen in den vergangenen Jahren deutlich CO₂ eingespart wurde, betonte Moosbrugger. “Aber unsere zentrale Herausforderung ist, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe in Österreich erhalten müssen.” Was die Besteuerung anbelangt, gebe es massive Nachteile gegenüber anderen europäischen Ländern, sagt der LK-Präsident: “Gerade in den vergangenen Monaten zählte am Markt – deutlich mehr als Qualität und Herkunft – der Preis.” Ob und für wen es Entschädigungen beim Wegfall des Dieselprivilegs gibt, lässt Gewessler offen und verweist auf das Finanzministerium, bei dem die Umsetzung liegt.

Hohe Mehrkosten für private PKW

Experten des ÖAMTC Vorarlberg liefern auf VN-Nachfrage die konkreten Zahlen für Privatpersonen. Der Differenzbetrag, um den Diesel durch die Mineralölsteuer (MöSt.) geringer besteuert wird, beträgt netto 8,5 Cent je Liter. Das bedeutet inklusive Umsatzsteuer (die auch auf die MöSt anfällt) ein Plus von 10,2 Cent an der Zapfsäule je Liter. Ein privater Diesel-Pkw fährt laut Statistik Austria 13.391 Kilometer jährlich und braucht 827 Liter. Das bedeutet Mehrkosten von rund 84 Euro pro Jahr.

Mit einer Jahreslaufleistung von 20.000 Kilometern und 6,6 Liter Verbrauch (lt. Statistik Austria) verbraucht man 1320 Liter pro Jahr, was Mehrkosten von rund 135 Euro pro Jahr mit sich brächte, informiert der ÖAMTC. Der ÖAMTC verweist auf andere Vorschläge, um CO2 zu reduzieren, etwa durch einen signifikanten Hochlauf der Elektromobilität und einer sukzessiven Erhöhung der Biokraftstoff-Beimischung.

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Klimaplan stark erweitert

Dass sich das Klimaministerium im überarbeiteten Entwurf dem Verkehrssektor widmete, liegt auf der Hand. Wie das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) mit einer Studie belegt, gab Österreich in den vergangenen Jahren jedes Jahr mehrere Milliarden Euro an klimaschädlichen Förderungen aus. 60 Prozent davon flossen direkt in den Verkehr. Diesel wird niedriger als Benzin besteuert. Das mache den größten Anteil aller klimaschädlichen Subventionen aus, so das Wifo.

Auch wenn die Absicht nun im NEKP festgeschrieben wurde, wird es ein schwieriges Stück Überzeugungsarbeit, das Dieselprivileg endgültig abzuschaffen. “Wir haben in diesem Fall einen sehr engen rechtlichen Rahmen. Die Erfüllung der Klimaziele ist eine europarechtliche Verpflichtung”, sagte Gewessler dazu. Sie gehe davon aus, dass sich künftige Regierungen an EU-Recht halten werden. Allerdings schoss Europaministerin Karoline Edtstadtler (ÖVP) im Ö1-Mittagsjournal vor und beteuerte, dass das Aus des Dieselprivilegs „eine Überinterpretation“ sei.

Eine Analyse aller klimakontraproduktiven Subventionen durch eine Arbeitsgruppe im Finanzministerium werde im Herbst starten, lies Ressortleiter Magnus Brunner (ÖVP) wissen. “Welche Maßnahmen das konkret betreffen wird, ist allerdings noch nicht geklärt – konkrete Subventionen, wie beispielsweise das Dieselprivileg oder die Pendlerpauschale sind im Plan nicht angeführt”, bestätigte auch Brunner.

Ebenfalls offen sind die Details bei einer weiteren geplanten Überarbeitung, die Autofahrer betrifft. “Die Pendlerpauschale wird nicht abgeschafft, aber reformiert, in der Form, dass sich Klimaschutz für die Pendlerinnen und Pendler noch mehr auszahlt”, sagte Gewessler auf Nachfrage dazu. Auch eine steuerliche Begünstigung für Firmenautos soll enden.

Weitere der neuen Maßnahmen sind die Fortsetzung der hohen Förderungen für den Heizungstausch und die Sanierung von Gebäuden bis 2030 und ein massiver Ausbau der Wasserstoffproduktion für die heimische Industrie.

CO₂-Speicherung soll erlaubt werden

Weiters wird eine Strategie im Umgang mit jenen Emissionen gesucht, die nicht vermeidbar sind. Diese entstehen etwa bei der Produktion von Zement oder Ziegel. Ein Lösungsansatz ist die Carbon Capture Storage (CCS). Vereinfacht ausgedrückt werden dabei klimaschädliche Gase in der Erde gespeichert. Diese Form der CO₂-Speicherung ist in Österreich aber noch verboten. Das Thema CO₂-Speicherung liege ebenfalls im Finanzministerium, sagte die Klimaministerin.

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Spitze gegen Edtstadler

Österreich war das letzte EU-Mitgliedsland ohne nationalen Klimaplan. Darin sollen die Länder skizzieren, wie sie ihre Klimaziele bis 2030 erreichen wollen. Gewesslers Ressort übermittelte im Oktober 2023 einen Plan, Europaministerin Edtstadler zog ihn jedoch wieder zurück, da er „nicht die Position der Regierung“ widerspiegle. Die EU-Kommission eröffnete daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren. „Wir haben in diesem Prozess als Land kein gutes Licht abgegeben. Den Rückzug durch die Europaministerin habe ich für unnötig gehalten“, lies sich Gewessler eine Spitze gegen Edtstadler nicht nehmen.

ABD0002_20240803 – WIEN – …STERREICH: Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (…VP) am Mittwoch, 31. Juli 2024, im Rahmen eines Interviews mit der APA – Austria Presse Agentur in Wien. – FOTO: APA/MAX SLOVENCIK
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) widersprach direkt nach der Präsentation des Klimaplans Gewessler in einem Punkt. APA/MAX SLOVENCIK

Nächste Regierung muss weiterarbeiten

Gewessler lässt sich mit Blick auf die Wahl nicht nehmen, eine Bilanz der bereits erfolgte Maßnahmen zu ziehen: „Wir werden unsere Emissionen im Vergleich zu 2005 nahezu halbieren.“ Aber wird die aktuelle Regierung in den verbleibenden Wochen noch weitere Maßnahmen umsetzen, um den NEKP umzusetzen? Es gebe viele Vorarbeiten oder Gesetzesentwürfe, nun komme es auf den Willen an, sagte Gewessler. „Das Elektrizitätswirtschaftsgesetz ist aus meiner Sicht fertig und beschlussbereit“, nennt sie ein Beispiel. Fix ist, dass Österreich bis 2030 laut EU-Vorgaben knapp die Hälfte seiner Emissionen reduzieren muss. Diese Hausaufgaben wird die nächste Regierung erledigen müssen.