Immer mehr Anzeigen gegen Schulschwänzer

Politik / 19.09.2024 • 06:00 Uhr
ABD0036_20170522 – WIEN – …STERREICH: THEMENBILD – Eine Lehrerin einer Integrationsklasse einer Offenen Volksschule (OVS) am Dienstag 16. Mai 2017 in Wien beim verbessern der †bungsbŸcher Mathematik. – FOTO: APA/HARALD SCHNEIDER
Wer der Schule unentschuldigt fernbleibt, verursacht ordentlichen Aufwand. Ab drei Tagen kann Schwänzen zur Anzeige gebracht werden.APA

Fehlen Schülerinnen und Schüler unentschuldigt, droht eine Geldstrafe. Die Gründe fürs Fernbleiben sind unterschiedlich und kosteten Schulpflichtigen auch schon ein ganzes Jahr.

Schwarzach „Wir haben Gleitzeit.“ Der Direktor einer polytechnischen Schule in Vorarlberg weiß sich nicht mehr zu helfen. Ihm bleibt nur die Ironie. Die Schüler kommen und gehen, wie sie wollen. In der Schule herrscht Hilflosigkeit. Am Ende bleibt die Anzeige. Das Delikt: Schulpflichtverletzung. Die gemeldeten Fälle steigen im Land von Jahr zu Jahr, auch die verhängten Strafen.

Willi Witzemann, Lehrervertretung
Lehrervertreter Willi Witzemann bezeichnet die Anzeigen als Ausdruck der Hilflosigkeit. VN/Rhomberg

Lehrervertreter Willi Witzemann überrascht das nicht. Er habe sich soeben mit dem betroffenen Direktor ausgetauscht. „Ich war über das Kommen und Gehen der Schüler verwundert.“ Auch andere Direktoren berichten den VN von steigenden Fehlzeiten, unter anderem Bernhard Posch von der Mittelschule Bregenz-Stadt. In der Mittelschule Dornbirn Markt sieht Direktor Christoph Hämmerle vor allem rund um die Ferien fragwürdige Abwesenheiten.

Drei Tage unentschuldigt

Fehlen schulpflichtige Kinder mehr als drei Schultage unentschuldigt, sind ihre Eltern anzuzeigen. Im Schuljahr 2019/20 passierte dies laut Bezirkshauptmannschaften 165 Mal. 128 Geldstrafen wurden verhängt. 2023/24 zählten die Behörden mit 528 Anzeigen und 393 Strafen deutlich mehr. Die Strafe liegt zwischen 110 und 440 Euro. Wie hoch sie am Ende ist, richtet sich unter anderem nach dem Umfang der unentschuldigten Fehlzeiten. Ebenso wird berücksichtigt, ob es sich um die erste Schulpflichtverletzung handelt.

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Hilflosigkeit

„Eine Anzeige ist ein Ausdruck der Hilflosigkeit. Es ist das letzte Mittel. Aber was ändert man damit?“, fragt sich Willi Witzemann. Das eigentliche Problem werde dadurch nicht gelöst. Viel wichtiger sei ein vertrautes Verhältnis zwischen Eltern, Lehrern und Schülern. Es müsse angesprochen werden können, warum ein Kind immer zu spät zum Unterricht kommt. Eine gemeinsame Lösung sei zu finden. „Die Schulsozialarbeit müsste massiv ausgebaut werden. Es passiert derzeit leider nur tröpfchenweise.“

Immer mehr Anzeigen gegen Schulschwänzer
Der Direktor der Mittelschule Bregenz-Stadt, Bernhard Posch, erklärt, dass Schulpflichtverletzungen massiv zugenommen haben.

“Schulsozialarbeit würde viel bringen”

Auch Bernhard Posch wünscht sich mehr Unterstützung. An seiner Schule gibt es lediglich eine teilzeitbeschäftigte Sozialarbeiterin. „Mit ihrem Stundenausmaß kann sie die Kinder nicht wirklich abholen.“ Gespräche mit den Eltern seien immer vorgesehen. Die Anzeige selbst ändere an der Situation wenig, sagt auch Posch. „Meistens brauchen die Kinder therapeutische Hilfe. Auch die Eltern sollten gut begleitet werden.“ Ein Ausbau der Schulsozialarbeit würde viel bringen, ist der Direktor überzeugt. Weitere Angebote brauche es auch in der Psychiatrie, beim Familiendienst oder der Familientherapie. Dass sich ein Kind in der Schule überfordert fühle, sei nie ein Thema. „Es kommt vor, dass sich ein Kind gemobbt fühlt.“ Innerfamiliäre Machtkämpfe – zum Beispiel in Scheidungssituationen – führten auch dazu, dass Kinder fernbleiben.  

Auch die Bezirkshauptmannschaften sehen viele unterschiedliche Gründe für unentschuldigte Fehlzeiten: „Sie reichen von Urlaub bis zur Weigerung des Kindes, die Schule zu besuchen.“

Christoph Hämmerle Direktor
Direktor Christoph Hämmerle von der Mittelschule Dornbirn-Markt berichtet von drei Anzeigen im vergangenen Schuljahr.

Verlängerte Ferien

Verlängerte Ferien sind in der Mittelschule Dornbirn-Markt ein Thema, wie Direktor Christoph Hämmerle berichtet. Im vergangenen Schuljahr habe man zwei Familien mit drei Schülern bei der Bezirkshauptmannschaft angezeigt. „Es war einfach klar, dass die Kinder später in die Schule kamen, da sie noch im Urlaub waren. In einem Fall ist das Kind sogar nicht zur Wiederholungsprüfung angetreten und hat ein ganzes Schuljahr verloren.“ Der Schuldirektor ist strikt: „Ich sage den Eltern klar, dass ich das der BH melden werde.“ Er habe alle Eltern schriftlich informiert, dass Ferien nicht verlängert werden dürfen. Unentschuldigtes Fehlen aus psychischen Gründen kennt Hämmerle auch. „Hier versuchen wir immer Lösungen zu finden und mit den Eltern ins Gespräch zu kommen.“ Viele seien sehr bemüht.

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Ersatzfreiheitsstrafe

Hilft am Ende nichts weiter, müssen die Eltern eine Strafe zahlen. Wie viele nicht zahlen können, lässt sich laut BH nicht auswerten. „Werden Verwaltungsstrafen nicht einbezahlt, sieht das Verwaltungsstrafgesetz nach einer Mahnung die Exekution über das Bezirksgericht vor.“ Bringt die Mahnung nichts, ist eine Ersatzfreiheitsstrafe im Polizeianhaltezentrum fällig. Derzeit ist in Vorarlberg aber kein solcher Fall bekannt.