Landesgrünzone: “Die Landesregierung kann sich ein Denkmal setzen”

Wie geht es mit den gesicherten Flächen weiter? Die Wirtschaftskammer möchte keine Grünzone mehr, sondern eine Zone für den Bedarf. Der Verein Bodenfreiheit fordert mehr Aufrichtigkeit, einen Dialog und Alternativen.
Schwarzach Die Landesgrünzone gilt als Erfolgsmodell in der Vorarlberger Geschichte und doch ist sie umstritten. Die Wirtschaftskammer möchte sie für Betriebserweiterungen anknabbern. Naturschützer fordern, die Grünzone neu zu denken. „Die künftige Landesregierung hat die Chance, sich ein Denkmal zu setzen“, sagt Martin Strele, Obmann des Vereins Bodenfreiheit. Welche Rolle die Grünzone bei den Koalitionsgesprächen zwischen ÖVP und FPÖ spielen wird, ist unklar. Die Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt. In der Vergangenheit haben sich sowohl Volkspartei als auch Freiheitliche klar positioniert.

„Auffälliges Schrumpfen“
Die Verordnung zur Landesgrünzone stammt aus dem Jahr 1977. Im damaligen Regierungsbeschluss heißt es, dass die „ausgesprochen expansive Siedlungstätigkeit im Rheintal und Walgau ein auffälliges Schrumpfen der Landwirtschafts- und Naherholungsgebiete zur Folge“ habe. Mit Blick auf Natur, Landschaft, Naherholung und Landwirtschaft sei es erforderlich möglichst ausgedehnte regionale Freiflächen festzulegen. 136 Quadratkilometer Fläche in 30 Gemeinden wurden als Landesgrünzone gesichert. 18 Prozent im Walgau, 82 Prozent im Rheintal. In ihren ersten 40 Jahren ist die Grünzone um 0,89 Quadratkilometer geschrumpft.
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Wer der Grünzone Fläche entnehmen möchte, muss sich einem aufwendigen Verfahren stellen. In der Regel wird auch eine Kompensation verlangt. Daneben gibt es Sonderwidmungen, die es erlauben, in die Grünzone zu bauen. Das betrifft etwa Bushaltestellen, Spielplätze oder Sportanlagen. Auch Betriebserweiterungen waren Thema. Die Grünzone bleibt gleich, ist aber bebaut. 2022 hob der Verfassungsgerichtshof die Widmung eines Grundstücks in der Landesgrünzone als „Freifläche Sondergebiet Betriebserweiterung“ auf. Diese stehe im Widerspruch zur Grünzonenverordnung. Das Erkenntnis könnte folgenreich sein, zumal bereits mehrere Betriebe in der Grünzone bauten. Martin Strele vom Verein Bodenfreiheit sieht die Verantwortlichen im Land aber auch zwei Jahre später „in der Schockstarre“. Naturschutzanwälten Katharina Lins vermutete nach dem Erkenntnis, dass künftig keine Sonderwidmungen für Betriebserweiterungen mehr möglich sind.
Anteil der Grünzone an der Landesfläche
Landesfläche Vorarlberg: 2063 Quadratkilometer
Grünzone: 136 Quadratkilometer (= 5,2 Prozent)
Bedarf statt Grün
Das ruft die Wirtschaftskammer auf den Plan. Anlässlich der schwarz-blauen Regierungsverhandlungen fordert sie innerhalb der Landesgrünzone Funktionsflächen festzulegen. Es solle keine Grünzone mehr sein, sondern eine Bedarfszone. Standorttreue Betriebe müssten sich weiterentwickeln können. Hier sei die Balance mit der Natur zu finden, schreibt Kammerdirektor Christoph Jenny in einem Beitrag des hauseigenen Magazins. Kommende Generationen würden auf die Landesbedarfszone zurückgreifen müssen.

Auch Martin Strele vom Verein Bodenfreiheit wünscht sich Veränderung. „Die Landesgrünzone darf aber nicht abmontiert werden.“ So gebe es neue Flächen, die reingehörten, andere wiederum gehörten raus. Eine tatsächlich grüne Grünzone wäre das Ziel. Derzeit sind dort Kasernen, Parkplätze, Straßen und eben Betriebe zu finden.
In Alternativen denken
Strele fordert einen Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Naturschützern. „Wir wollen keine Entwicklung verhindern.“ Vielmehr gehe es darum, nicht leichtfertig in die Breite zu bauen, sondern auch Alternativen zu prüfen. Das hält Raumplanungsexperte Friedrich Schindegger in einem Beitrag zum 40. Jubiläum der Landesgrünzone fest. „Was spricht dafür, mit neuen Baulandwidmungen in die Grünzone einzugreifen, während gleichzeitig fortgesetzte Wertsteigerung für bislang ungenutzte Baulandflächen ermöglicht werden?“, stellt er unter anderem in Frage. Das Denken in Alternativen müsse vielmehr die Leerstandsnutzungen und Industriebrachen in Betracht ziehen.

Verdichten ist auch die Maßgabe, der Strele folgen würde. Natürlich sei es zum Teil kostspieliger. Aber auch von Privatpersonen würde nachverdichtetes Bauen abverlangt. „Das billige Grundstück fürs Einfamilienhaus gibt es nicht mehr. Wir gehen auch nicht her und sagen, jeder soll ein günstiges Grundstück im Ried bekommen.“
„Hysterie“
Zurück zu den Regierungsverhandlungen: Die ÖVP lobt die Landesgrünzone in ihrem Wahlprogramm und möchte sie durch landwirtschaftliche Vorrangzonen im Bregenzerwald erweitern. Ein behutsamer Umgang sei weiterhin erforderlich. Bei der FPÖ ist im Wahlprogramm nichts zum Thema zu finden. Ein Blick ins Archiv reicht jedoch. 2019 kritisierte der heutige Parteichef Christof Bitschi die „Grünzonen-Hysterie“. Niemand wolle den Wirtschafts- und Naturraum zerstören. Aber Betriebe sollten nicht gebremst werden. Viele Vorarlbergerinnen und Vorarlberger hätten kein Verständnis dafür, dass Erweiterungen verhindert würden. Das schade dem Wohlstand im Land.
Flächenverteilung der LAndesgrünzone
Freifläche Landwirtschaftsgebiet: 52,1 Quadratkilometer
Freifläche Freihaltegebiet: 46,7 Quadratkilometer
Waldfläche: 20,7 Quadratkilometer
Gewässerfläche: 7,1 Quadratkilometer
Verkehrsfläche: 4,15 Quadratkilometer
Freifläche Sondergebiet 1 – freiraumorientiert: 3,3 Quadratkilometer
Vorbehaltsflächen: 0,97 Quadratkilometer
Freifläche Sondergebiet 2 – betriebsorientiert : 0,39 Quadratkilometer
Freifläche Sondergebiet 3 – sportanlagenorientiert: 0,36 Quadratkilometer
Ausnahmen und Sonstige: 0,28 Quadratkilometer