Betriebe bauten ohne korrekte Widmung: Keine Grauzonen in der Landesgrünzone

Politik / 29.10.2024 • 10:38 Uhr
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Die Grünezone wird von der Wirtschaftskammer in Frage gestellt. Der VfGH stellte 2022 klar, dass eine Sonderwidmung zur Betriebserweiterung im Widerspruch mit der entsprechenden Verordnung stehe. VN/STEURER

Nachdem der Verfassungsgerichtshof klarstellte, dass Betriebserweiterungen in der Landesgrünzone nicht erlaubt sind, stellt sich die Frage, wie es für die Firmen in der Grünzone weitergeht. Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger warnt vor groben Eingriffen. Boden sei ein kostbares Gut.

Birgit Entner-Gerhold, Julia Schilly-Polozani

Schwarzach, Wien In der Landesgrünzone ist es nicht möglich, so wie bisher weiterzumachen. Betriebe dürfen dort weder ihre bestehenden Standorte erweitern und schon gar nicht in der Grünzone neu bauen. Entsprechende Sonderwidmungen sind nicht legal. Das stellte der Verfassungsgerichtshof 2022 klar. Die Widmung „Freifläche Sondergebiet” für Betriebserweiterungen stehe im Widerspruch zur Grünzonenverordnung, so das Höchstgericht. Die Landesgrünzone ist schließlich zur Erhaltung dreier Bereiche klar definiert. Erstens: des funktionsfähigen Naturhaushaltes und Landschaftsbildes. Zweitens: der Naherholungsgebiete. Drittens: der räumlichen Voraussetzung für eine leistungsfähige Landwirtschaft.

Peter Bußjäger wird führendes Mitglied im UPTS.  Gorbach
Peter Bußjäger erklärt, dass es keine Möglichkeit mehr gebe, für Betriebe in der Landesgrünzone zu bauen.  Gorbach

Widmungen ohne Grundlage

Weiterhin unklar ist der Umgang mit Betrieben, die ihre Firma bzw. Teile der Firma in der Grünzone auf Basis einer Sonderwidmung zur Betriebserweiterung gebaut haben. 39 Hektar bzw. 390.000 Quadratmeter sind als betriebsorientiertes Sondergebiet gewidmet und zum großen Teil bebaut – die Zahlen stammen aus dem Jahr 2017. Hier brauche es eine Lösung, meint Verfassungsjurist Peter Bußjäger – und sieht nicht zwingend den Gesetzgeber gefordert. Unterm Strich könnten die von Betrieben bebauten Grundstücke der Grünzone entnommen und die dadurch verlorenen Quadratmeter mit neuen Grundstücken wiedergutgemacht werden. Sollen Unternehmen in Zukunft wieder in der Grünzone bauen können, müsste das Raumplanungsrecht in diesem Punkt neu aufgestellt werden. Kleine Anpassungen reichten nicht aus. Unternehmen, die bereits eine Sonderwidmung zur Betriebserweiterung in der Grünzone erhalten, aber dort noch nicht gebaut haben, schauen durch die Finger. „Niemand wird eine Baubewilligung auf Basis einer Sonderwidmung ausstellen, die vom Verfassungsgerichtshof als rechtswidrig eingeordnet wurde“, hält Bußjäger fest. Die bisherigen Widmungen „Freifläche Sondergebiet” für Betriebserweiterungen dürften weder mit der Grünzonenverordnung noch mit dem Raumplanungsgesetz vereinbar sein.

Florian Bachmayr-Heyda – damals Landesvolksanwalt – trug 2019 die Rechtsfrage vor das Höchstgericht. Dieses hat am Beispiel des Dosenproduzenten Ball in Ludesch, der in die Grünzone erweitern wollte, entsprechende Sonderwidmungen für rechtswidrig erklärt.

ABD0072_20190626 – STETTELDORF AM WAGRAM – …STERREICH: Der PrŠsident der šsterreichischen Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, am Mittwoch, 26. Juni 2019, ihm Rahmen der “Ernte-Pressefahrt 2019” in Stetteldorf am Wagram. – FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Den wirtschaftlichen Herausforderungen werde man mit dem Öffnen der Grünzone nicht gerecht. „Das ist zu billig”, sagt Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger. APA

Wirtschaftskammer will knabbern

Angesichts dieser Entwicklungen und der Koalitionsverhandlungen von ÖVP und FPÖ möchte die Wirtschaftskammer die Grünzone abgeschafft wissen. Sie solle in eine Bedarfszone umgewandelt werden, mit Funktionsflächen, auf denen sich standorttreue Betriebe weiterentwickeln könnten.

Landwirtschaftskammerpräsident warnt

Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger hält nichts davon. Der sparsame Umgang mit Grund und Boden gehöre in jedem Regierungsprogramm als vorrangiges Ziel definiert. Die Grünzone für Betriebserweiterungen anzuknabbern, sei der falsche Weg. „Wenn man die Lebensmittelproduktion vor Ort sichern will, braucht es den Boden. Boden kann man nicht irgendwo kaufen. Man muss mit dem kostbaren Gut sehr sparsam umgehen. Wir müssen daher zunächst einmal stärker in die Nachnutzung gehen, leerstehende Objekte besser nutzen.“ Den wirtschaftlichen Herausforderungen werde man mit dem Öffnen der Grünzone nicht gerecht. „Das ist zu billig.“ Nachhaltigkeit sei nicht nur mit parteipolitischen Farben modern, sondern Zukunftsthema.

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136 Quadratkilometer

Die Verordnung zur Landesgrünzone stammt aus dem Jahr 1977. 136 Quadratkilometer Fläche wurden damals in 30 Gemeinden als Landesgrünzone gesichert. 18 Prozent im Walgau, 82 Prozent im Rheintal. In ihren ersten 40 Jahren ist die Grünzone um 0,89 Quadratkilometer geschrumpft. Wer der Grünzone Fläche entnehmen möchte, muss sich einem aufwendigen Verfahren stellen. In der Regel wird eine Kompensation verlangt. Daneben gibt es Sonderwidmungen, die es erlauben, in die Grünzone zu bauen. Das betrifft etwa Bushaltestellen, Spielplätze oder Sportanlagen. Die Grünzone bleibt gleich, ist aber bebaut.

Flächenverteilung der Landesgrünzone

Freifläche Landwirtschaftsgebiet: 52,1 Quadratkilometer

Freifläche Freihaltegebiet: 46,7 Quadratkilometer

Waldfläche: 20,7 Quadratkilometer

Gewässerfläche: 7,1 Quadratkilometer

Verkehrsfläche: 4,15 Quadratkilometer

Freifläche Sondergebiet 1 – freiraumorientiert: 3,3 Quadratkilometer

Vorbehaltsflächen: 0,97 Quadratkilometer

Freifläche Sondergebiet 2 – betriebsorientiert : 0,39 Quadratkilometer

Freifläche Sondergebiet 3 – sportanlagenorientiert: 0,36 Quadratkilometer

Ausnahmen und Sonstige: 0,28 Quadratkilometer