“Man muss zurückrudern, sonst zerbröselt die Grünzone”

Politik / 30.10.2024 • 14:24 Uhr
"Man muss zurückrudern, sonst zerbröselt die Grünzone"
Die Landesgrünzone darf nicht aufs Abstellgleis. Sie müsse als zusammenhängende Fläche erhalten werden, sagt Gerlind Weber. VN/Steurer/Lerch

Für Raumplanungsexpertin Gerlind Weber ist die Landesgrünzone aktueller denn je. Vom Land erwartet sich die Professorin und frühere Vorsitzende des Vorarlberger Naturschutzrates mehr Wille, die Grünzone zu verteidigen.

Schwarzach Die Landesgrünzone darf nicht betrieblichen Expansionsgelüsten geopfert werden, sagt Gerlind Weber, einstige Professorin für Raumplanung an der Universität für Bodenkultur und frühere Vorsitzende des Vorarlberger Naturschutzrates. Vom Land erwartet sie sich mehr Standfestigkeit. Weber warnt davor, die Grünzone in Frage zu stellen. Vielmehr gehöre sie geschützt, im Sinne von Bodenschutz, Natur- und Klimaschutz sowie Ernährungssicherheit.

Ist die Landesgrünzone noch zeitgemäß?

Weber Die Landesgrünzone ist aktueller denn je. Sie war auf dem Gebiet des Grünlandschutzes eine Pionierleistung. Heute erkennen wir immer mehr, dass wir die Natur mehr schonen müssen beziehungsweise dort, wo wir Schäden angerichtet haben, diese reparieren müssen.

Muss die Grünzone umgestaltet werden? Es gibt auch Anregungen, bebaute Grundstücke gegen Unbebaute auszutauschen.

Weber Das wäre illusorisch. Man sollte aber darauf achten, dass die Landwirtschaft grüner wird, mit weniger Grundwasserbelastung und landschaftsästhetischer Aufwertung. Mit der Renaturierungsverordnung werden massive Investitionen verbunden sein. Diese könnte man in hohem Maße für eine naturverträglich wirtschaftende Landwirtschaft verwenden. Das brächte langfristig Vorteile für alle.

Projekt Hörspuren
Gerlind Weber war Vorsitzende des Vorarlberger Naturschutzrates und Professorin im Institut für Raumplanung. Sie warnt davor, die Grünzone in Frage zu stellen. Lerch

Der Platz in Vorarlberg ist beschränkt. Engt die Landesgrünzone nicht auch weitere Entwicklungen von Wirtschaft und Siedlungsräumen ein?

Weber Man muss zuerst die Flächen rationeller nutzen. Man kann zum Beispiel Parkplätze aufs Dach bringen und so neue Möglichkeiten schaffen, innerhalb des Betriebsgeländes Erweiterungsbedarfe abzudecken. Betriebsbauten können auch aufgestockt werden. Es behauptet niemand, dass es nur Flachbauten braucht. Immer gleich auf die grüne Wiese zu bauen – und in dem Fall auf die qualifizierte grüne Wiese – ist ein Tabu. Es darf nicht zu einem Bedarfsautomatismus kommen, womit betriebliche Expansionsgelüste befriedigt werden, indem man auf die Grünzone zugreift.

Wie beurteilen Sie die Flächenentnahmen? Gibt es dafür ausreichend Kompensation?

Weber Die Grünzone ist ökologisch und für die Naherholung interessant, da es sich um zusammengehörige Flächen handelt, in einem sonst sehr stark unter Siedlungsdruck leidenden Raum. Das ist die Qualität. Wenn einfach irgendwo grüne Flecken als Kompensation genommen werden, die gar nicht im räumlichen Kontext zur Grünzone stehen, wird an dieser Qualität gerüttelt.

Künftig werden sich Betriebsansiedlungen nicht mehr durch Sonderwidmungen verwirklichen lassen. Wohin sollen die Betriebe noch gehen?

Weber Die Strategie lag bislang ja nicht in den Sonderwidmungen, sondern darin, dass man Flächen ganz aus der Grünzone herausgenommen und dann als Betriebsgebiet gewidmet hat. Damit sind die Flächen nicht mehr Teil der Grünzone. Das ist fatal. Da wird eine Einheit immer mehr zerrüttet. Da wäre mehr Standfestigkeit auf Landesseite gut. Man muss hier zurückrudern, sonst zerbröselt die Grünzone. Eine zusammenhängende Fläche wie die Grünzone dient ja auch dem Bodenschutz. Das ist heute eines der Hauptargumente, warum die Grünzone in ihrem Bestand gefestigt werden muss, anstatt sie immer wieder in Frage zu stellen. Bodenschutz ist Klimaschutz, Naturschutz und Ernährungssicherung.

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