Eine Wahl, über die niemand sprechen möchte

Der Wahlkampf findet in Louisiana kaum statt. Das Ergebnis steht nämlich längst fest.
New Orleans Die Nationalratswahl und die Landtagswahl in Vorarlberg liegen schon wieder einige Wochen zurück. Auch die vergangenen Wahlplakate dürften mittlerweile wieder aus dem Straßenbild verschwunden sein. Sie gehören einfach zu Wahlen dazu – zumindest bei uns. Anders sieht es in den USA aus, etwa in New Orleans. Keine Spur von Wahlkampf in dieser Stadt. Nur vereinzelt wird daran erinnert, dass am Dienstag die wohl wichtigste aktuelle Wahl auf diesem Planeten stattfindet. Das liegt auch daran, dass die Wahl im Bundesstaat Louisiana längst entschieden ist: ein Red State – mit einer tiefblauen Stadt als Zentrum. Rot ist die Farbe der Republikaner um Kandidat Donald Trump, Blau die Farbe der Demokraten um Kandidatin Kamala Harris.
Am Donnerstag, wenige Tage vor der Wahl, in der Louisiana City Hall: Hier ist das Reich von LaToya Cantrell, der ersten Frau als Bürgermeisterin von New Orleans, schwarz und Demokratin. Sie warnt: Diese Wahl sei entscheidend. Es gebe keine Alternative zu Harris. Und dann erzählt die Bürgermeisterin von finanziellen Problemen, berichtet über die Obdachlosigkeit und die marode Infrastruktur der Stadt. Wer durch New Orleans streift, sieht sofort, was sie meint. Es sind jene Themen, die die Bevölkerung beschäftigen. Über die Politik möchte hier niemand so wirklich sprechen, betont Günter Bischof, Vorarlberger und Professor an der Universität von New Orleans. „Die Leute halten sich bedeckt.“ Selbst mit seinen Nachbarn spreche er nicht über Politik. „Wir reden mit den Nachbarn nicht über Politik. Wir nehmen an, die meisten von ihnen sind Trump-Anhänger, wie das so ist auf dem Land. Die Gräben zwischen den Parteien sind tiefer als je zuvor.“ Denn das ist Louisiana: Die Stadt New Orleans ist eine multikulturelle blaue Hochburg, der südliche Bundesstaat mit seinen über vier Millionen Einwohnern aber ländlich geprägt und republikanisch. Die Spaltung sei allerdings neu, sagt Bischof. „Als ich mich vor 30 Jahren hier niedergelassen habe, war das nicht so. Da konnte man noch über Politik sprechen. Jetzt macht man das nicht einmal in der Familie.“

Das erzählt auch John, der Touristen durch die Sümpfe vor New Orleans fährt, um Krokodile und andere Tiere zu sehen. „Wir sprechen untereinander einfach nicht über Politik.“ Hier, etwas außerhalb der Stadt, ist bereits republikanisches Kerngebiet, mit allen Klischees: große Pick-ups auf den Parkplätzen und den Straßen, amerikanische Flaggen in den Vorgärten und gelegentlich ein Trump-Plakat.

Am Freitagabend, im Smoothie King Center, New Orleans: Die große Sporthalle ist nicht einmal zur Hälfte gefüllt, trotzdem ist die Stimmung beim NBA-Spiel der Basketballmannschaft New Orleans Pelicans sehr gut. Die Spieler beider Teams wärmen sich mit einer politischen Botschaft auf: „Vote“ ist auf ihren Shirts zu lesen. Zwar ohne Parteipräferenz, in der Heimatstadt des Jazz ist die Sache aber eindeutig. Bürgermeisterin Cantrell spricht etwas an, das bei dieser Wahl sonst keine Rolle spielt: Das Ergebnis sei auch auf der ganzen Welt von Bedeutung, betont sie. Laut Günter Bischof ist dies allerdings ein Nebenaspekt bei den Wählern. „Über den Einfluss dieser Wahlen auf die Welt hört man hier wenig. Und dem ländlichen Amerika ist dieser Einfluss auch egal.“

Wenn man sich an der Uni umhört oder mit Journalisten spricht, kommt immer wieder ein Thema zur Sprache: Was tun die Anhänger Trumps, wenn ihr Kandidat verliert? Manche glauben, dass die Angst übertrieben ist, zudem sei man besser vorbereitet, ein neuer Sturm auf das Kapitol also eher unwahrscheinlich. Anders sieht es Günter Bischof: „Trump wird ein knappes Wahlergebnis nicht akzeptieren. Seine Anhänger werden mit Gewalt das Wahlergebnis ablehnen, wenn er nicht der Sieger ist. Da es in diesem Land in jedem Haushalt Waffen gibt, muss man sich davor fürchten.“
Am Samstagabend, New Orleans, French Quarter: Noch drei Tage bis zur Wahl. Die Menschen lachen, tanzen und feiern die Welt. Eine Frau läuft vorbei. Möchte sie über Politik sprechen? „Ja“, antwortet sie. „Aber erst ab Mittwoch, wenn der Spuk vorbei ist.“ Probleme gäbe es nämlich genug, sagt sie, dreht sich um und verschwindet in der feiernden Menge.