Schulärztemangel spitzt sich zu

Politik / 03.11.2024 • 15:55 Uhr
ABD0014_20240927 – BERLIN – DEUTSCHLAND: ARCHIV – 22.08.2023, Berlin: Stethoskope hŠngen wŠhrend eines Pressetermins in einer HNO-Praxis. (zu dpa: ÇVolle Wartezimmer und €rztemangel – Arztpraxen unter DruckÈ) Foto: Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++. – FOTO: APA/dpa/Sebastian Gollnow
Die Zahl der Schulärzte ist in Vorarlberg stark gesunken. APA

Die Versorgung ist deutlich gesunken. Neue Wege werden getestet. Das aktuelle Modell steht in Kritik.

SChwarzach Schulärzte sind in Vorarlberg Mangelware. Die Zahl der Schulen mit schulärztlicher Versorgung ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken: „Derzeit liegt die Versorgung ziemlich exakt bei der Hälft der Schulen“, wird seitens des Landes bestätigt. Mit Stand Juni 2024 sind 73 Ärztinnen und Ärzte im Einsatz. Die Erhebung für das aktuelle Schuljahr läuft. Harald Geiger, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, stellt infrage, ob Schuluntersuchungen, wie sie heute stattfinden, noch zeitgemäß sind.

Die jährliche Schuluntersuchung ist eigentlich verpflichtend. Das Gesetz stammt allerdings aus den 1930er-Jahren, erklärt Geiger, der selbst als Schularzt tätig gewesen ist. Derzeit leitet er das Kinderärztezentrum in Dornbirn. „Die Frage ist, ob die geforderte Untersuchung den modernen Ansprüchen genügt. Natürlich ist es gut, Größe und Gewicht zu erheben, ebenso den Ernährungszustand. Aber muss das wirklich eine schulärztliche Aufgabe sein?“ Geiger kann der Idee der „School Nurses“, also Pflegefachkräften an den Schulen, einiges abgewinnen. Im vergangenen Schuljahr wurde ein Pilotprojekt an acht Vorarlberger Pflichtschulen gestartet. Die School-Nurses sind rund einen halben Tag pro Woche an der Schule anwesend, leisten erste Hilfe, unterstützen Kinder mit chronischer Erkrankung oder Behinderungen, wirken an Schuluntersuchungen mit und fördern mit Beratungen die Gesundheitskompetenz.

Manfred Brunner (l.) bei Harald Geiger: Sein KinderÄrzteZentrum war Vorbild für eine weitere gleichartige Einrichtung in Feldkirch. ögk
Harald Geiger leitet das Kinderärzte-Zentrum in Dornbirn und war schon als Schularzt im Einsatz. ÖGK

„Ich persönlich bin von der School Nurse als Bindeglied zwischen Arzt oder Ärztin und dem pädagogischen Team voll überzeugt, weil es für viele Dinge an den Schulen keinen voll ausgebildeten Mediziner braucht“, erklärt Geiger. Diplomierte Fachkräfte könnten kleinere Beurteilungen selbst vornehmen und die Kinder bei Bedarf in ärztliche Versorgung geben. School Nurses könnten für mehrere Standorte zuständig sein, eine durchgehende Anwesenheit sei nicht nötig, ist der Kinderarzt überzeugt.

Grundsätzlich sind die Schulerhalter, also in der Regel Städte und Gemeinden, dafür verantwortlich, Schuluntersuchungen sicherzustellen. Das Land unterstütze sie bei der Suche nach Ärzten und Ärztinnen, schreibt die Landespressestelle auf VN-Anfrage. Gleichzeitig würde daran gearbeitet, zeitnah wieder flächendeckende schulärztliche Versorgungen sicherzustellen. „Wenn kein Schularzt zur Verfügung steht, können keine regulären Schuluntersuchungen stattfinden.“ Die School Nurses würden einen Ausgleich schaffen.

Schulärztemangel spitzt sich zu
Das Pilotprojekt zu den School Nurses wurde im November 2023 vorgestellt – von connexia-Geschäftsführer Martin Hebenstreit (v.l.), Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher, Gemeindeverbandspräsidentin Andrea Kaufmann und Harald Geiger. Land Vorarlberg/7PRO.TV

Und weiter: „Der Mangel an Schulärztinnen und -ärzten besteht schon seit längerer Zeit.” Zwischenzeitlich sei die inhaltliche Ausrichtung altersgerecht überarbeitet worden. „Die Vergütung wurde deutlich verbessert.“ Doch die allgemeine Ärztesituation spiegle sich auch im Schulbereich.

Das weiß auch Geiger. Die schulärztliche Versorgung sei angesichts des Ärztemangels schwierig zu organisieren. Häufig würden Räume oder Messeinrichtungen fehlen. Zudem seien Schuluntersuchungen mit Scham behaftet, da sich Kinder nebeneinander einreihen müssen und die Untersuchung in diesem Setting durchgeführt werde. „Das hat einen Beigeschmack von früheren Zeiten.“ Der Kinderarzt sieht zudem skeptisch, dass auch ganz junge Schülerinnen und Schüler plötzlich ohne Beisein der Eltern untersucht werden, noch dazu von einem Arzt oder einer Ärztin, die sie vielleicht nicht kennen. Zudem seien die Themen viel komplexer geworden– man denke nur an Prävention, Handynutzung und die psychische Gesundheit. „Ich glaube, es ist gut, wenn die Untersuchung beim gewohnten Arzt stattfindet.“

Die Gesundenuntersuchung für Kinder und Jugendliche könnte über den Eltern-Kind-Pass erweitert werden. „Das wäre durchaus sinnvoll, weil die Kinder auch den Arzt kennen.“ Das wird allerdings auf Bundesebene entschieden. Eines steht für Geiger fest: „Die Schulärzte geben ihr Bestes, aber in vielen Bereichen geraten sie an ihre Grenzen.“

Impfangebot an den Schulen

Mit Schulimpfungen können alle Schulen versorgt werden. 56 Prozent sind impfärztlich versorgt, der Rest erhält Unterstützung der Impfordination. Schulen, die keinen Impfarzt haben, können sich mit ihr in Verbindungen setzen und einen Termin mit dem mobilen Impfteam vereinbaren. Dieses kommt dann in die Schule. Es ist auch möglich, mit einer gesamten Schulklasse in die Impfordination des Landes zu fahren. Versäumte Schulimpfungen können außerdem in der Impfordination nachgeholt werden.