Türkis-Blau im Kommen

In immer mehr Ländern koaliert die ÖVP mit der FPÖ. Das setzt Nehammer unter Druck.
SCHWARZACH. Lange Zeit hat die ÖVP in den Bundesländern eher mit Grünen als mit Freiheitlichen koaliert, gab es nur in Oberösterreich eine türkis-blaue Zusammenarbeit. Mittlerweile ist eine solche weit darüber hinaus angesagt: Seit eineinhalb Jahren gibt es sie auch in Niederösterreich und in Salzburg. Jetzt ist man in Vorarlberg dabei, zu folgen. Nach der Landtagswahl am 24. November in der Steiermark könnte es auch dort dazu kommen. Freiheitliche würden dann in der Mehrheit der Länder mitregieren: in fünf von neun. Ausschlaggebend dafür ist laut dem Politikwissenschaftler Ferdinand Karlhofer, dass die inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen ÖVP und FPÖ größer geworden sind: „Gerade in Bezug auf Zuwanderung, Asyl und Integration.“

„Die Verschiebungen werden nicht ohne Folgen für die Bundespolitik bleiben“, ist Karlhofer überzeugt. Nachdem die ÖVP in den Ländern auch dort mit Freiheitlichen zusammenarbeite, wo diese wie in Niederösterreich weit rechts stehen würden, könnte es zunehmend zu einer Belastung für sie werden, wenn Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) dabei bleibe, mit FPÖ-Chef Herbert Kickl keinen Staat zu machen.
Zumal eine türkis-rot-pinke Koalition auf Bundesebene „vom Start weg instabil“ sein werde, wie Karlhofer analysiert: Allein schon durch die Notwendigkeit, das Budget zu sanieren, werde die SPÖ massive Zugeständnisse machen müssen, werde ihr Vorsitzender Andreas Babler viel von dem aufgeben müssen, was er bisher versprochen hat. Ob das all seine Parteifreunde schlucken werden, sei zu bezweifeln. Hans Peter Doskozil, der burgenländische Landeshauptmann, tritt bereits offen gegen eine Koalition auf und wartet laut Karlhofer nur darauf, Babler zu stürzen.

Derlei würde Türkis-Rot-Pink schwächen und wäre ganz nach dem Geschmack von Kickl. Es wäre laut Karlhofer im Übrigen im Sinne jener Kräfte aus der Industrie, die sich auch auf Bundesebene bereits für eine Zusammenarbeit von ÖVP und FPÖ aussprechen. Für Nehammer könnte das gefährlich werden: Reagiere Kickl geschickt darauf und gebe sich betont wirtschaftsfreundlich, werde ein „fliegender Koalitionswechsel“ denkbar. Und zwar ohne Nehammer: „Wenn es den Vorstellungen von mehr und mehr Ländervertretern seiner Partei entspricht, ist er schneller weg als man schauen kann.“
Vorerst sind die Freiheitlichen aber eben dabei, in einem Land nach dem anderen mitzuregieren: „Wer den Föderalismus kennt, weiß, dass sie damit auch Stärkefelder gewinnen“, erklärt Karlhofer. Gemeint sind Landesräte, die aus allen Ländern zusammen Fachreferentenkonferenzen bilden und gegenüber der Bundesregierung „stark auftreten können“, wie der Politikwissenschaftler ausführt: „Da ist schon sehr viel Störpotenzial gegeben.“

Nicht zu vergessen sei der Bundesrat, die Länderkammer des Parlaments: Mit Stimmenzuwächsen bei Landtagswahlen gewinnen Freiheitliche auch dort an Einfluss. Nach dem Urnengang in Vorarlberg etwa wanderte ein Mandat von den Grünen zu ihnen. Damit wachsen laut Karlhofer ihre Möglichkeiten, bundespolitisch aufzuzeigen, ebenfalls.