Sozial- und Gesundheitswesen: “Verschärft sich Dramatik, sinkt Versorgungsniveau”

In Vorarlberg laufen die KV-Verhandlungen für das private Sozial- und Gesundheitswesen. Laut Gewerkschafter Marcel Gilly steht viel auf dem Spiel.
Schwarzach Wenn das Land sagt, es braucht mehr Fachkräfte und mehr Quereinsteiger, dann braucht es auch mehr Geld, um das zu ermöglichen. Davon ist Marcel Gilly, Chef der Gewerkschaft für Privatangestellte in Vorarlberg, überzeugt. Er wird die Arbeitnehmerseite bei den Kollektivvertragsverhandlungen des Vorarlberger Sozial- und Gesundheitswesen (VSG) vertreten. Zentral sei dabei, den Arbeitsdruck zu mindern, der auf dem Personal laste. Wie stark die Gehälter steigen müssen, will Gilly nicht beziffern. Aber: In Pflege- und Sozialeinrichtungen sollte es ähnliche Gehaltsanpassungen wie in den Spitälern geben. Die Lohnverhandlungen laufen bereits.

Abschluss für acht Bundesländer
Sitzen sich die Verhandler wieder gegenüber, wird auch der bundesweite KV-Abschluss für die Sozialwirtschaft ein Thema sein. Nach drei Verhandlungsrunden steht fest, dass die Ist- und Mindestgehälter der rund 130.000 Beschäftigten der Branche um vier Prozent steigen werden, gleiches gilt für Zulagen und Zuschläge. Die Vorarlberger Beschäftigten in dieser Branche betrifft das nicht. Sie sind über einen eigenen Kollektivvertrag (VSG-KV) angestellt, was vor allem an der Konkurrenzsituation mit der Schweiz um Fachpersonal liegt.
Eigener KV in Vorarlberg
Vorarlberg zählt rund 9000 Beschäftigte im privaten Sozial- und Gesundheitswesen, bei denen der VSG-KV greift. Ohne sie hätten über 17.000 Personen im Land keine angemessene Betreuung oder Pflege, betont Gilly. Zusätzlich ermöglichen sie über 15.000 Angehörigen, einer Arbeit nachzugehen. Umso wichtiger sei es, die Beschäftigten zu entlasten. Bereits im Sommer berichtete der Gewerkschafter, dass immer mehr Pflegekräfte über emotionale Erschöpfung klagen. Eine Umfrage unter 1285 Personen ergab österreichweit, dass die psychische Belastung zunehme und die Burnout-Gefahr steige. „Immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spielen mit dem Gedanken eines Jobwechsels.“ Gilly sieht auch längere Krankenstände und steigenden Personaldruck. Um dem entgegenzutreten, brauche es wesentliche Maßnahmen: Planungssicherheit, Investitionen in Quereinsteiger und eine mögliche Aufstockung von Teilzeitkräften.
Personalmangel und hohe Belastung
„Schon jetzt besteht akuter Personalmangel in Pflege- und Sozialeinrichtungen. Wenn sich diese Dramatik verschärft, sinkt auch das Versorgungsniveau“, betont der Gewerkschafter. Aktuell stehen rund 200 Pflegebetten unter anderem auf Grund Personalmangels leer. Gilly fordert neben Personalaufstockungen auch geregelte Arbeitszeiten. „Die Dienstpläne müssen halten.“ Fürs Einspringen brauche es bessere Regelungen, etwa was Abgeltung und Bereitschaften betrifft. Die Gehaltsreform in den Spitälern und Gemeinden müsse sich auch im Vorarlberger Sozial- und Gesundheitswesen abbilden. Die politisch Verantwortlichen hätten die Finanzierung dazu sicherzustellen. „Das ist eine Investition in die Vorarlberger Gesellschaft.“
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Gehaltsreform offen
Nach Angaben des Landes kostet die Gehaltsreform in den Spitälern rund zehn Millionen Euro, davon entfallen rund 5,5 Millionen Euro auf die Pflege im Krankenhaus. „Die Berufsgruppen im pflegerischen Bereich wurden zum größten Teil eine Gehaltsklasse höher zugeordnet“, heißt es im Büro von Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher. „Es ist wichtig, dass die Langzeitpflege, die Hauskrankenpflege und die Akutpflege ähnliche, faire und vergleichbare Rahmenbedingungen haben, um ein gegenseitiges Abwerben zu vermeiden. Die Systeme bedingen einander.“ Unterschiede in den Gehaltstabellen gehörten allerdings berücksichtigt. In die Verhandlungen zum VSG-KV sei das Land nicht direkt eingebunden, lautet die Stellungnahme aus dem Büro Rüscher. Für die Arbeitgeberseite sitzt Caritas-Chef Walter Schmolly am Tisch. Sehr wohl aber agiert das Land als Geldgeber. Wie viel Geld für eine Anpassung oder eine Gehaltsreform bleibt, will das Land erst nach Ende aller Verhandlungen beantworten.
Gilly hofft auf sachliche Gespräche zum VSG-KV. „Es kann sein, dass wir vor Weihnachten zu einer Lösung kommen, aber es ist auch möglich, dass die Verhandlungen bis ins neue Jahr dauern.“ Eines ist fix: Der neue KV gilt ab 1. Februar.