Löcher in den Gemeindekassen: “So massiv wie heuer war es noch nie”

Politik / 02.12.2024 • 13:19 Uhr
Rechnungsabschluss 2022 der Stadt Dornbirn
Gemeindeverbandspräsidentin Andrea Kaufmann schlägt Alarm. VOL/Mayer

Die Ausgaben steigen, die Einnahmen brechen ein: Vorarlbergs Kommunen kämpfen mit der Budgeterstellung für das kommende Jahr.

Dornbirn Sie beschäftige sich schon viele Jahre mit Budgets, erzählt Andrea Kaufmann. Und ja, die Gemeinden würden jedes Jahr sagen, dass es schwierig wird, gibt die Gemeindeverbandspräsidentin und Dornbirner Bürgermeisterin zu. Aber: “So massiv wie heuer war es noch nie.” Die Steuereinnahmen brechen ein, die Ausgaben schnellen in die Höhe. Kommunen müssen sparen, was sich auf den laufenden Betrieb und auf Investitionen auswirkt.

Zum Beispiel auf das Feuerwehrhaus in Hatlerdorf. Eigentlich hätte heuer der Architekturwettbewerb durchgeführt werden sollen. Er musste auf kommendes Jahr verschoben werden. “Die Investitionsliste wäre enorm”, schildert Kaufmann. Einige Projekte müssen jetzt verschoben werden – ohne komplett auf die Investitionsbremse zu steigen. “Als öffentlicher Auftraggeber sollten auch in schwierigen Zeiten Aufträge vergeben werden”, betont sie.

Zweite Sparmöglichkeit bei der Stadt ist bei den sogenannten Sachkosten. Sie müssen um 15 Prozent sinken. “Das hatten wir eigentlich noch nie. Auch beim Dienstplan werden wir nicht steigen. Das habe ich auch noch nie erlebt.” Da dies aber weder für das Spital noch für die Kinderbetreuung gilt, ist auch da der Spielraum eingeschränkt. Kaufmann betont: “Wenn es uns schon so geht, dann sieht es in anderen Gemeinden, die weniger finanzstark sind, um vieles schlechter aus.” Der Gemeindeverband weiß, wie es den anderen geht, er hat kürzlich eine Umfrage unter den Kommunen durchgeführt, um zu erfahren, wie die Lage im Land aussieht.

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Zuerst die gute Nachricht, laut Kaufmann: “Keine Gemeinde befürchtet, in die Insolvenz zu schlittern. Aber mit der Zeit müssen viele ihre Rücklagen aufbrauchen. Das kann man ein bis zwei Jahre tun, aber danach muss man aufpassen, damit man den laufenden Haushalt nicht mit einem Darlehen finanzieren muss. Das tun aber schon viele.” Sie bekämen kein ausgeglichenes Budget mehr hin. Die Gemeinden müssten langsam darauf achten, den Haushalt zu konsolidieren. “Die kommenden zwei Jahre werden sicher sehr schwierig. Aber danach sollte man die Haushalte langsam in den Griff bekommen.”

Lücke klafft

Die schlechte Entwicklung untermauert Kaufmann mit Zahlen. Städte und Gemeinden finanzieren vor allem aus Steuergeld. Ein kleiner Teil macht die Grunderwerbsteuer aus – die ist in den vergangenen Jahren komplett eingebrochen. “Das spüren wir stark”, sagt die Präsidentin. Diese sogenannten Ertragsanteile sind aber insgesamt zurückgegangen. “Die Ertragsanteilesituation ist fatal.” Im Jahr 2022 flossen noch insgesamt 510 Millionen Euro Steuergeld an die Gemeinden. Im kommenden Jahr kalkulieren die Kommunen mit 506 Millionen Euro. In Zeiten der Teuerung und der hohen Lohnabschlüsse wird die Budgetierung dadurch zum Kraftakt. Gemeinden bezahlen den Rettungsfonds, den Sozialfonds und den Landes-Gesundheitsfonds jeweils zu 40 Prozent – 60 Prozent werden aus dem Landesbudget finanziert. Der Anteil der Gemeinden an den drei Fonds ist im gleichen Zeitraum um fast 60 Millionen Euro gestiegen. Von 227 Millionen auf 286 Millionen Euro.

Entwicklung Ausgaben und Einnahmen

Ausgaben der Gemeinden für Rettungsfonds:

2022: 4.278.120 Euro

2023: 5.237.960 Euro (+22,44%)

2024: 7.083.116 Euro (+35,23%)

2025: 8.402.150 Euro (+18,62%)

Ausgaben der Gemeinden für Sozialfonds:

2022: 118.715.800 Euro

2023: 126.520.200 Euro (+6.57%)

2024: 139.954.800 Euro (+10,62%)

2025: 147.280.700 Euro (+5.23%)

Ausgaben der Gemeinden für Landes-Gesundheitsfonds:

2022: 103.757.000 Euro

2023: 93.842.000 Euro (-9,56%)

2024: 118.730.200 Euro (+26,52%)

2025: 130.202.600 Euro (+9,66%)

Einnahmen der Gemeinden aus Ertragsanteilen:

2022: 510.449.004 Euro

2023: 487.368.648 Euro (-4,52%)

2024: 499.406.076 Euro (+2,47%)

2025: 506.216.412 Euro (+1,26%)

Andrea Kaufmann stellt deshalb das 60/40-Modell in Frage. Sie rechnet vor: “Die Steigerung der Ausgaben im Rettungsfonds konnten wir von 27 auf 19 Prozent glätten. Im Sozialfonds haben wir zuerst gesagt, dass wir dem Budget nicht zustimmen können. Nun haben wir die Steigerung auf 14 Millionen runtergebracht, was aber immer noch fünf Prozent sind. Der Gesundheitsfonds steigt um zehn Prozent.” So könne es nicht weitergehen. “Entweder muss man massiv in die Strukturen hineingehen und schauen, dass die Fonds effizienter werden. Oder es werden die Gemeindeanteile wieder gedeckelt. Falls nicht, steht eine Schlüsseländerung im Raum.” Im Sozialfonds wird ein Strukturprozess gestartet.

Denn große Erwartungen an die anderen Körperschaften hat sie auch nicht. “Dem Land geht es ein bisschen besser, aber auch da sieht es nicht rosig aus. Der Bund hat sowieso einen hohen Verschuldungsgrad. Wir müssen gemeinsam darauf schauen, wie wir die Gesamtkosten in den Griff bekommen.” Und das sei die Aufgabe in den nächsten zwei Jahren.