In Syrien ist noch zu viel ungewiss

Politik / 18.12.2024 • 10:04 Uhr
ABD0048_20241208 – WIEN – …STERREICH: Teilnehmer am Sonntag, 08. Dezember 2024, im Rahmen einer Demonstration des Vereines Freie SyrerInnen in …sterreich: “Die Revolution geht weiter, Syrien ist unsicher?, in Wien.. – FOTO: APA/MAX SLOVENCIK
Nach dem Sturz von Assad gingen auch in Wien syrische Staatsangehörige auf die Straße. Relevant ist jetzt freilich auch, was kommt. Foto: APA

Vorarlberger Experten zu Aussetzung von Verfahren und Aberkennung von Asyl.

SCHWARZACH. Kaum war der syrische Präsident Baschar al-Assad gestürzt, wurden österreichische Regierungsvertreter aktiv: Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) verkündeten, dass Asylverfahren für syrische Staatsangehörige ausgesetzt werden. Wenig später ließ Karner außerdem wissen, die Aberkennung des Asylstatus für alle zu prüfen, die noch keine fünf Jahre in Österreich sind. Grund: Durch den Sturz des Assad-Regimes habe sich die Lage in ihrem Herkunftsland geändert. Auch von Rückführungsprogrammen ist daher schon die Rede.

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Experten aus Vorarlberg sehen das kritisch: „Politik und Recht gehen hier auseinander“, sagt der Bregenzer Rechtsanwalt Stefan Harg, der auf Asyl- und Fremdenrecht spezialisiert ist: Eine Aussetzung des Verfahrens sei nur begrenzt möglich. Und von den Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Asyl aberkannt werden kann, sei man „meilenweit“ entfernt. Dass Assad weg ist, reicht laut Harg nicht aus. Relevant sei auch, wer und was sich nach seinem Regime etabliere. Es laufe erst ein Übergang – mit offenem Ausgang.

Anwalt Stefan Harg ist heute in Linz.
Von den Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Asyl aberkannt werden kann, sei man „meilenweit“ entfernt, sagt Rechtsanwalt Stefan Harg. Foto: VN/Hartinger

Doch eines nach dem anderen: Wer Asyl beantragt, habe einen Rechtsanspruch auf eine Entscheidung innerhalb von sechs Monaten, erklärt Harg: „Da beißt es sich für mich in Bezug auf die verkündete Aussetzung der Verfahren.“

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Andreas Müller, aus Feldkirch stammender Rechtswissenschaftler, der an der Uni Basel lehrt, bestätigt dies: Grundsätzlich sei es nicht rechtswidrig, dass man aufgrund der geänderten Verhältnisse in Syrien Verfahren aussetze, um die Lage zu bewerten und sich mit anderen Staaten abzustimmen. Im Gegenteil. Das Problem sei jedoch, dass es zu keiner „unverhältnismäßigen Verzögerung“ kommen dürfe: „Möglich ist eine Aussetzung für mehrere Tage oder Wochen, aber nicht für ein halbes Jahr oder mehr.“

Andreas Müller
„Möglich ist eine Aussetzung für mehrere Tage oder Wochen, aber nicht für ein halbes Jahr oder mehr”, so der Rechtswissenschaftler Andreas Müller zu Asylverfahren. Foto: Universität Basel

Wichtiger: Müller verweist auf das Asylgesetz, das vorschreibt, dass es zu einer „wesentlichen, dauerhaften Veränderungen der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse“ im Herkunftsland kommen muss: „Es muss tatsächlich sichergestellt werden, dass es zu keiner Verfolgung mehr kommt.“ Das dauere: „Man soll nicht den Eindruck erwecken, dass es schnell möglich ist, das in belastbarer Weise festzustellen.“ UNHCR, das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen, gehe regelmäßig von drei bis fünf Jahren aus, erklärt Müller, um seine Einschätzung hinzuzufügen: „Ein halbes Jahr wird das nach einer so langen Zeit der Diktatur wohl in jedem Fall brauchen.“

Asylverfahren fortsetzen

Die erwähnten Voraussetzungen sind auch für eine Aberkennung von Asyl relevant. Was also tun, wenn man noch nicht einmal sagen kann, ob Syrien auf dem Weg zu einem Rechtsstaat ist? Stefan Harg sieht eine Möglichkeit: Man könnte die Asylverfahren fortsetzen und zum Beispiel subsidiären Schutz gewähren. Sollte in wenigen Jahren klar sein, dass ein solcher Status für syrische Staatsangehörige nicht mehr nötig ist, könnte man ihn aufheben. Dann könnte man im Übrigen auch erklären, dass gut integriere Menschen bleiben und andere gehen müssen.