Unhaltbare Zustände: “Es ist derzeit keine Rückkehr nach Syrien möglich”

Weltweit sind immer mehr Menschen auf der Flucht. Tendenz steigend, berichtet UNHCR-Österreich-Chef Christoph Pinter.
Schwarzach, Wien Der Jahresrückblick offenbart einen Trend zu mehr Vertreibung. Laut jüngsten Zahlen des UNHCR befinden sich über 122 Millionen auf der Flucht – davon über 72 Millionen innerhalb ihres Heimatlandes – , die vertrieben worden sind wegen Krieg, Konflikt und Verfolgung. „Das sind fünf Millionen mehr als Ende 2023“, erklärt Christoph Pinter, Leiter des UNHCR in Österreich. Der Trend werde sich wohl fortsetzen. Pinter blickt nicht nur auf die Kriege in Gaza/Israel oder der Ukraine.

„Die Situation im Sudan bereitet uns als UNHCR die größte Sorge.“ Ebenso seien mittlerweile fast neun Millionen Kongolesen auf der Flucht. Wie es in Syrien weitergehe, könne er noch nicht bewerten, sagt Pinter. Es sei eindeutig zu früh, die Situation zu reevaluieren: „Es gibt in Syrien noch keine neue Regierung und keine neuen Verwaltungsstrukturen. 90 Prozent der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.“ Nur kurz nach dem Fall des Assad-Regimes darüber nachzudenken, Menschen in diese Situation zurückzuschicken, hält Pinter für falsch.

Eine Woche vor Weihnachten informierte das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl all jene syrischen Flüchtlinge, die weniger als fünf Jahre in Österreich leben, dass ihr Status überprüft und ein Aberkennungsverfahren eingeleitet werde. Es gehöre reevaluiert, ob der Verfolgungsgrund in ihrem Herkunftsland noch aufrecht ist. Der UNHCR-Österreich-Chef betont dazu: „Asyl ist Schutz auf Zeit. Die Genfer Flüchtlingskonvention sieht aber auch vor, dass man jemandem den Asylstatus erst aberkennen sollte, wenn im Herkunftsland Bedingungen bestehen, die eine Rückkehr möglich machen „In Syrien braucht es dafür erst massive Wiederaufbauhilfe. Es fehlt an Grundsätzlichem wie Wasser und Nahrungsmittel.“ Selbst Rückkehrer würden oft in Gemeinschaftsunterkünften leben, die vom UNHCR betrieben sind, berichtet Pinter.
Gleichzeitig erklärt Pinter, dass die Kommunikation an die syrischen Flüchtlinge in Österreich mehr Schaden anrichte als nutze. „Das ist alles andere als integrationsfördernd.“ Die Briefe sorgten für Verunsicherung bei Kindern, die hier die Schule besuchen, aber auch bei Erwachsenen, die bereits einen Job gefunden haben. Die Masse bemühe sich um Integration.

Das zeige sich auch bei den Asylwerbern, weshalb Pinter positiv bewertet, dass diese schon während des Verfahrens Plätze in Deutschkursen erhalten und auch gemeinnützige Arbeitsmöglichkeiten für sie geschaffen werden. Diskussionen um Sanktionen hält er für künstlich herbeigeführt – auch mit Blick auf den Vorarlberg Kodex. Für 2025 plant die Landesregierung, all jenen Asylwerbern das Taschengeld zu kürzen, die nicht gewillt sind Deutsch zu lernen oder zu arbeiten. Pinter betont, dass der Wunsch nach Spracherwerb und Arbeit unter den Asylwerbern ohnehin groß sei. Gebe es ein entsprechendes Angebot, werde das die Masse dankbar annehmen.

EU-weit sieht Pinter die größte Herausforderung, den Asylpakt umzusetzen und Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern von Migranten zu verhandeln. „Wenn es nach einem fairen Asylverfahren keine Gründe gibt, dass die Menschen bleiben, braucht es schon allein zur Glaubwürdigkeit des Asylsystems Rückführungen.“

Das UNHCR hofft indes weiter auf Unterstützung. „Trotz der diversen Krisenjahre sind die humanitären Hilfsgelder nicht gekürzt worden. Dafür sind wir sehr dankbar.“ Leider seien die Gelder aber nicht im gleichen Ausmaß gestiegen wie der Bedarf. Im Sudan fehle es etwa schon am notwendigsten. Bildungsmaßnahmen für die Flüchtlingskinder seien auf Grund des fehlenden Budgets nicht möglich.
Und: „Unsere Zahlen zeigen, dass Flüchtlinge grundsätzlich in der Nähe ihrer Herkunftsländer bleiben wollen“, sagt Pinter. Sie gehen erst weiter, wenn sich in den Erstaufnahmeländern herausstellt, dass sie dort kein adäquates Leben führen können, kein Essen haben, keinen Schulplatz für die Kinder und auch keine Arbeit.“