Pensionen: Bedachte Strukturreform, statt Maßnahmen im “Höllentempo”

Politik / 08.01.2025 • 09:53 Uhr
Pensionen: Bedachte Strukturreform, statt Maßnahmen im "Höllentempo"
Langfristige Strukturreformen sind notwendig, um das Pensionssystem zu sichern, betonen Experten. Eine mögliche blau-schwarze Regierung muss nun die Weichen stellen. APA/Barbara Gindl

Eine künftige Regierung steht vor der Herausforderung, eine langfristige Pensionsreform zu gestalten, um dem demografischen Wandel in Österreich gerecht zu werden.

Wien FPÖ und ÖVP haben große Baustellen vor sich. Dass ein milliardenschweres Budgetloch gestopft werden muss, ist bekannt. Doch auch große Strukturreformen und größere Veränderungen könnten anstehen. Dazu gehört eine langfristige Pensionsreform. Die meisten Staaten drehen bereits an der Schraube Antrittsalter. In Deutschland kommen zwei Jahre hinzu, das Regelantrittsalter beträgt dann 67 Jahre. In Dänemark sollen es bis 2070 74 Jahre sein.

Es handelt sich um eine unpopuläre Maßnahme, für die von einer künftigen Bundesregierung jedoch jetzt die Weichen gelegt werden müssen, forderten Wirtschaftsexperten wiederholt. Das sind die nackten Zahlen: 1980 kamen auf einen Pensionisten 4,5 Werktätige, im Vorjahr waren es drei und 2050 werden es 1,7 sein. Das Alterssegment ab 65 Jahren wird österreichweit weiter wachsen, das zeigt die Trendprognose der Statistik Austria. 2060 wird fast ein Drittel der Bevölkerung über 65 Jahre als sein (29,3 Prozent). In Vorarlberg betrug dieses Alterssegment im Vorjahr 18,3 Prozent. 2040 werden es laut Trendprognose 25,7 Prozent, 2080 genau 29 Prozent sein.

Pensionen: Bedachte Strukturreform, statt Maßnahmen im "Höllentempo"
Christine Mayrhuber ist Ökonomin am Wifo und Expertin für das österreichische Pensionssystem. APA/WIFO/ERIC KRÜGL

“Keine Kurzfristreformen übers Knie brechen”

Christine Mayrhuber ist Ökonomin und stellvertretende Direktorin des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Sie beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Finanzierung und der Struktur des österreichischen Pensionssystems. Sie empfiehlt, das Regelpensionsalter auf 67 Jahre anzuheben – allerdings erst ab 2035. Die Beschäftigungsquote der unter 20-Jährigen ist rückläufig, da sie länger im Bildungssystem sind. “Für die Generation ab 1970/1975 ist eine andere Zahl als 65 durchaus zielführend.” Es handle sich hier um eine mittel- und langfristige Perspektive, die unabhängig von der Budgetkonsolidierungsdebatte betrachtet werden sollte. Mayrhuber ergänzt: “In den letzten 20 Jahren hatten wir viel zu viele ad hoc-Kurzfristreformen. Das bedeutet nicht nur eine unglaubliche Intransparenz, sondern auch eine Verunsicherung der Beschäftigten. Das können wir nicht brauchen. Die nächste Regierung sollte sich die Zeit nehmen, den Zeitraum ab 2035 zu planen.”

Mayrhuber nennt den Reformprozess in Deutschland als Vergleich, dort wird das Antrittsalter auf 67 Jahre erhöht. “Aber”, sagt Mayrhuber, “der Reformprozess ist so gestaltet, dass sie für zwei Jahre Antrittsaltererhöhung 13 Jahre Übergangsfrist haben.” Aktuell wird dort pro Jahr zwei Monate länger gearbeitet. In Österreich wurde das Frauenpensionsantrittsalter innerhalb von zehn Jahren um fünf Jahre angehoben. “Wir müssen auch die Langfristperspektive einnehmen und nicht wieder mit so einem Höllentempo wie beim Frauenpensionsalter etwas über das Knie brechen.”

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Arbeitsmarkt muss sich verändern

Ein weiterer Aspekt ist der Expertin wichtig zu betonen: Es geht nicht nur um die Bereitschaft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, länger zu arbeiten. Zu einer Pensionsreform gehören auch Pläne, wie der Arbeitsmarkt für Ältere verändert werden kann. “Wenn die Betriebe Rahmenbedingungen haben, durch die die Versicherten wertgeschätzt bis zum Pensionsantrittsalter erwerbstätig sein können, dann ist das schon eine wichtige Grundlage. Ich vermisse in der Diskussion immer die Perspektive der Betriebe.” Laut der Expertin gebe es hier eine Baustelle: “Es braucht einen Arbeitsplatz, wo die Qualifikationen entsprechend eingesetzt sind. Ich kann in ein Gesetz schreiben, was ich will. Wenn es keinen Arbeitsplatzt gibt, verpufft diese Wirkung.”