Was die FPÖ mit den Medien vor hat und was es für die Pressefreiheit bedeutet

Attacken der möglichen Kanzler-Partei häufen sich. Experte befürchtet Folgen für den ORF und die privaten Medien.
Michael Prock, Birgit Entner-Gerhold
Wien, Schwarzach Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp hält offenkundig nichts vom “Standard”. Nachdem die Tageszeitung ein Video veröffentlichte, das zeigt, wie FPÖ-Abgeordnete bei einem Treffen auf die ÖVP und die EU schimpften, reagierte Nepp so: “Fünf gute Jahre, wenn es mit diesem ‘Scheißblatt’ endlich vorbei ist.” Es ist das vorerst jüngste Kapitel in der Geschichte über die schwierige Beziehung der FPÖ zu unabhängigen Medien. Sie hat keine Freude damit und möchte das Mediensystem deshalb grundlegend ändern. Als Kanzlerpartei hätte sie die Chance dazu, mit Auswirkungen auf die klassischen privaten Medien und auf den ORF.
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Gerold Riedmann ist Chefredakteur des “Standard”. Immer wieder kritisiert die FPÖ die Berichterstattung seiner Zeitung. Riedmann betont: “Es handelt sich nicht um eine Auseinandersetzung der FPÖ mit dem Standard. Sondern es geht um die Frage, wie man Meinungs- und Pressefreiheit auslegt.” Er verstehe, dass die Freiheitlichen keine Freude mit kritischen Recherchen und Aufdeckungen haben. Aber die FPÖ habe unverhohlen damit gedroht, dem “Standard” Förderungen abzudrehen. “Und wenn es zunächst uns trifft, weil wir einer Regierungspartei nicht genehm sind, dann kann es morgen das ‘profil’ und übermorgen die ‘VN’ treffen”, warnt Riedmann. Irgendwann gebe es keine kritischen Stimmen mehr – siehe Ungarn.
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Der einstige Vorarlberger FPÖ-Chef und frühere Nationalratsabgeordnete Reinhard Bösch hält die Sorgen über einen möglichen schlechteren Umgang mit Medien hingegen nicht für gerechtfertigt. Natürlich seien die Presseförderung und der ORF reformbedürftig. Die Pläne der Regierung seien aber noch gar nicht bekannt.
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Für die Pläne lohnt sich ein Blick in das FPÖ-Wahlprogramm, indem das Medienkapitel mit “keine Indoktrination durch gleichgeschaltete Medien” überschrieben wird. Die FPÖ fordert etwa, dass ein Regierungsgremium über Presseförderungen entscheidet. Damit sollen auch sogenannte alternative Medien Geld bekommen. Und die FPÖ möchte den ORF umfassend reformieren. Im Wahlkampf forderte sie stets auch die Abschaffung der Haushaltsabgabe. Der ORF solle auf einen “Grundfunk” reduziert werden, sagte Parteichef Herbert Kickl zuletzt.
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Davor warnt der Experte. “Ohne Haushaltsabgabe würde der ORF aus dem Budget finanziert”, erläutert Andy Kaltenbrunner von der Forschungseinrichtung Medienhaus Wien. “Das würde zu einer ökonomischen und einer politischen Abhängigkeit führen.” Die ORF-Spitze müsste jährlich vor den Finanzminister treten und über das Budget verhandeln. “In anderen Ländern mit diesem System sehen wir, dass das Management und die Chefredakteure bei einem Regierungswechsel häufig ausgetauscht werden.” Der ORF befände sich also viel stärker unter politischem Einfluss als bisher.
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Die FPÖ baut seit vielen Jahren auf einen eigenen Apparat aus parteinahen Medien. Kaltenbrunner betont: “Diese Medien sind nicht journalistisch, sie befinden sich ideologisch im Umfeld der FPÖ.” Gerold Riedmann ergänzt: “Auf Medien wie AUF1 oder unzensuriert gehen viele Artikel weit ins Verschwörerische rein. Diese Medien werden teilweise auch von rechtsextremen Personen geführt.” Erst am Mittwoch präsentierte die FPÖ Pläne für ein eigenes Medienhaus samt Radiosender. Für Reinhard Bösch ist dieser Schritt nachvollziehbar. “Die Partei hat der Not gehorchend eigene Schienen der Information errichtet, um das Bild über die Vorgänge innerhalb der Republik objektiver gestalten zu können, weil viele Menschen in unserem Land der Ansicht sind, dass manche Medien sehr tendenziös berichten.“
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Kaltenbrunner widerspricht. “Es gibt die Wahrnehmung, dass über die Jahre FPÖ-Politiker besonders kritisch befragt worden sein sollen. Aber bei einem großen Teil der Journalisten macht die Parteifarbe keinen Unterschied.”
Die FPÖ baut immer stärker auf Klagen. Am Donnerstag verurteilte ein Gericht den “Standard” erstinstanzlich zu 20.000 Euro Strafe wegen Rufschädigung aufgrund eines Artikels über eine Beerdigung, auf der ein SS-Treuelied gesungen wurde und FPÖ-Mandatare anwesend waren. Man habe schon Berufung eingelegt, sagt “Standard”-Chef Riedmann. Die Klagen gegenüber Medien hätten sich gehäuft. Kaltenbrunner befürchtet, dass sich dieser Trend verstärkt.
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Wichtig sei, dass Journalistinnen und Journalisten trotzdem kritisch bleiben und sich nicht einschüchtern lassen. Das betont auch Riedmann. Als Medienhaus müsse man den Journalisten so den Rücken stärken, dass sie nicht mit einer Schere im Kopf unterwegs sind. Bösch ortet hingegen einen großen Vertrauensverlust in die klassischen Medien und hätte ein anderes Erfolgsrezept parat: “Es wäre wünschenswert, wenn sich die Medien einer Meinungsvielfalt befleißigen würden, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.”