Rückkehrbonus: “Niemand lässt wegen 1000 Euro sein Leben zurück”

Politik / 29.01.2025 • 18:00 Uhr
ABD0048_20241208 – WIEN – …STERREICH: Teilnehmer am Sonntag, 08. Dezember 2024, im Rahmen einer Demonstration des Vereines Freie SyrerInnen in …sterreich: “Die Revolution geht weiter, Syrien ist unsicher?, in Wien.. – FOTO: APA/MAX SLOVENCIK
Nach dem Sturz von Assad wurde auch in Wien mit syrischen – und österreichischen – Fahnen mit Kundgebungen gefeiert. APA/MAX SLOVENCIK

Ein Bonus soll für syrische Menschen Anreiz sein, in ihre Heimat zurückzukehren. Dort ist die Sicherheitslage jedoch weiterhin ungewiss. In Vorarlberg gibt es bislang wenig Interesse an der Hilfe.

Wien Seit dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien im Dezember ruhen alle Asylanträge in Österreich, der Familiennachzug wurde ausgesetzt. Abgeschoben wird nicht, die Behörden haben aber 1750 Aberkennungsverfahren eingeleitet. Für die freiwillige Rückkehr bietet das Innenministerium seit Mitte Dezember einen um 100 Euro erhöhten Rückkehrbonus von 1000 Euro an. 350 Anträge habe es gegeben. 50 Antragsteller davon seien bereits zurückgekehrt, informiert Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). In Vorarlberg wird das Angebot bisher nicht genutzt.

“Gegenwärtig sind dem Land Vorarlberg keine Fälle von Rückkehrern mit Rückehrbonus bekannt”, sagt Landesrat Daniel Allgäuer (FPÖ). Die im Land untergebrachten Syrerinnen und Syrer müssen ihren Antrag bei der Bundesbetreuungsagentur (BBU) stellen. In Vorarlberg leben derzeit rund 4800 syrische Staatsangehörige. Ein Drittel davon bezieht Sozialhilfe. Laut Caritas Vorarlberg sind rund 1350 Syrerinnen und Syrer mit Aufenthaltsstatus in den Arbeitsmarkt integriert und erwerbstätig.

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Ein Sprecher des Innenministeriums informiert, wie stark die Rückkehrhilfe in den vergangenen Jahren durch syrische Staatsangehörige genutzt wurde. 2024 erfolgten 88 freiwillige Ausreisen, davon 44 unterstützt. Zum Vergleich: 2021 kam es zu 43 freiwilligen Ausreisen (davon 26 unterstützt), 2022 zu 64 (45) und 2023 zu 101 (50). Österreich hilft auch bei organisatorischen Belangen, etwa bei der Flugbuchung oder Beschaffung von Dokumenten.

“Willkürliche Hinrichtungen in Syrien”

Aktuell kommen jedoch Berichte aus Syrien, die alarmieren. Innerhalb weniger Tage haben Kämpfer, die mit den neuen islamistischen Machthabern in Syrien verbündet sind, mindestens 35 Menschen willkürlich hingerichtet. Eine Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien sprach von “willkürlichen Massenfestnahmen, grausigen Misshandlungen, Schändungen von Leichen und Hinrichtungen von Zivilisten”. Diese seien mit “beispielloser Grausamkeit und Gewalt” verübt worden.

SYRIA-UN-DIPLOMACY
Syriens neuer Machthaber Ahmed al-Sharaa bei einem Termin mit dem österreichischen Juristen und  UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk im Jänner. APA

Lukas Gahleitner-Gertz ist Jurist und Sprecher der NGO Asylkoordination Österreich. Es würden zwar mehr als vor dem Umsturz zurückkehren, berichtet er, aber: “Man darf sich das nicht als großen ‘Run’ vorstellen. Es ist nach wie vor ungewiss, wie es vor Ort weitergeht.”

ABD0022_20210824 – WIEN – …STERREICH: Lukas Gahleitner-Gertz (asylkoordination) anl. einer PK der Diakonie …sterreich, Amnesty, Caritas u.a. zu Afghanistan: – …sterreich kann und muss jetzt Menschenleben retten! – Breiter Zusammenschluss fŸr SolidaritŠt mit bedrohten Afghan:innen, und RŸckkehr zu den europŠischen Werten am Dienstag, 24. August 2021 in Wien. – FOTO: APA/HANS PUNZ
Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination Österreich berichtet, dass bislang Länderberichte über die Situation in Syrien fehlen. APA/HANS PUNZ

90 Prozent braucht humanitäre Hilfe vor Ort

Folgende Aspekte seien relevant, sagt der Sprecher: Werden die Personen vor Ort verfolgt? Sollte man zu dem Ergebnis kommen, dass diese ursprüngliche Bedrohung nicht mehr gegeben ist, sind Aberkennungsverfahren zu führen. Dabei ist die sozio-ökonomische Situation in Syrien ein Thema. “Der österreichische Staat darf Menschen nicht abschieben, wenn sie Gefahr laufen, im Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu werden”, erläutert Gahleitner-Gertz.

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Denn auch wenn die Menschen nicht verfolgt werden, bleibt die Frage, ob eine menschenwürdige Versorgungslage gewährt ist. Falls das nicht so ist, kann den Geflüchteten in Österreich subsidiärer Schutz zustehen. “Rund 90 Prozent der Menschen vor Ort sind noch auf humanitäre Hilfe angewiesen”, schildert Gahleitner-Gertz. Hinzu kommt der Aspekt, wie gut die Menschen bereits integriert sind: Arbeiten sie hier? Haben sie nur noch wenige Bezugspunkte zu Syrien? Er schlussfolgert: Die Erwartung, dass es zu einer großen Anzahl an Fällen kommt, bei denen Ausreisegründe vorliegen – davon können wir nicht ausgehen.

Kräftiger Rückgang an Asylanträgen

Insgesamt gingen die Asylträge in Österreich zurück. 2024 wurden knapp 25.000 gestellt, das ist ein massiver Rückgang zu den rund 60.000 im Jahr 2023 und den 111.000 Anträgen im Jahr 2022. Der Rückgang in Österreich sei weitaus kräftiger ausgefallen als im Rest der EU, betonte Karner. Im EU-Raum gab es mehr als eine Million Asylanträge im Vorjahr und damit um zehn Prozent weniger Fälle als 2023. Im Vorjahr wurden zudem jeden Tag 36 Personen abgeschoben. 45 Prozent der Personen, die zwangsweise außer Landes gebracht wurden, waren mindestens einmal straffällig.

Rückkehrbonus leicht erhöht

Zur Rückkehrhilfe sagt Gahleitner-Gertz: “Wir hatten auch in der Vergangenheit eine finanzielle Hilfe bei der freiwilligen Rückkehr von 900 Euro.” Man dürfe sich davon jedoch keine Wunder erwarten, die Maßnahme unterstütze Menschen, die sowieso schon vor der freiwilligen Heimkehr stehen: “Zu glauben, dass Menschen wegen 1000 Euro ihr hier aufgebautes Leben zurücklassen, ist absurd.”

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