“Strafgebühr”: Aufpreis für Ticket im Bus lässt die Wogen hochgehen

Politik / 31.01.2025 • 14:29 Uhr
Im Vorjahr wurden in Vorarlberg 100 Millionen Fahrten mit den 318 Bussen und 29 Schienenfahrzeugen verzeichnet. Foto: VN/Steurer
Personen, die ihr Ticket im Bus kaufen, müssen seit Jahresbeginn mehr bezahlen. VN/Steurer

Öffi-Kontroverse erreicht die Politik. Koalition verspricht Lösungen.

Zwischenwasser, Bregenz Kilian Tschabrun aus Zwischenwasser ist empört. Der 58-Jährige ist oft mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, seit etwa 20 Jahren nutzt er sie regelmäßig. Dass er für den Ticketkauf im Bus einen Aufpreis entrichten muss, kann er nicht nachvollziehen. “Das ist eine Driskiminierung gegenüber Barzahlern”, kritisiert der Alt-Bürgermeister und ortet eine “Strafaktion.”

So wie Tschabrun geht es seit Jahresbeginn vielen, die mit den Öffis unterwegs sind. Wer sein Ticket im Bus kauft, muss 50 Cent mehr bezahlen. Die Idee dahinter: Die Kunden sollen das Ticket digital kaufen, damit Busfahrerinnen und Busfahrer entlastet werden. Denn jene, die sich das Öffi-Ticket online etwa über die Fairtiq-App besorgen, kommen günstiger davon. Diese Vorgangsweise des Verkehrsverbunds Vorarlberg (VVV) sorgt für viel Aufregung und hat mittlerweile die Landespolitik erreicht.

Kritik von SPÖ und Volkshilfe

Auch die Volkshilfe ist alarmiert. Sie fürchtet eine Verschärfung für einkommensschwache Menschen. Obmann Anton Schäfer sagt, dass die Argumentation, man könnte doch Fairtiq nutzen, an der Realität vorbeigehe. Diese Personen hätten oft kein Guthaben auf dem Bankkonto, von dem die Kosten für die Fahrt abgebucht werden könnten, manche verfügten nicht einmal über ein Konto. „Ist es wirklich nötig, dass sich der VVV sein ‚Körberlgeld‘ zur Finanzierung von Bargeldzahlungen gerade bei den Menschen holt, die zu den ärmsten der Gesellschaft gehören?“ fragt Schäfer. „Die Strafgebühr trifft insbesondere jene Personengruppe, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen ist und gleichzeitig nicht über das notwendige digitale Know-how verfügt“, kritisiert auch SPÖ-Klubobmann Mario Leiter und meint dabei etwa Pensionistinnen und Pensionisten. Der öffentliche Verkehr werde von der Öffentlichkeit bezahlt und gehöre der Öffentlichkeit.

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Die Neos können die Kritik der Sozialdemokraten nicht nachvollziehen. Landesparteivorsitzende Claudia Gamon hält die Frage zwar für interessant, wie viel Geld durch den Aufpreis eingenommen wird. Aber für die Zahlung im Bus brauche es eine kostenintensivere Infrastruktur. „Ich verstehe, dass man Anreize setzen muss, um vom teureren Barmodus wegzukommen.“

"Strafgebühr": Aufpreis für Ticket im Bus lässt die Wogen hochgehen
Kilian Tschabrun kann die Änderung überhaupt nicht nachvollziehen. Er sieht eine Diskriminierung von Menschen, die bar bezahlen wollen. VN/Stiplovsek

Die Entscheidung erfolgte noch in der Periode der früheren schwarz-grünen Landesregierung. Ex-Mobilitätslandesrat Daniel Zadra, heute Klubobmann der Grünen, verweist auf eine VVV-Aufsichtsratssitzung mit Vertreterinnen und Vertretern des Landes und der Gemeinden im vergangenen Jahr. „Es war ganz stark der Druck da, die Ticketpreise zu erhöhen.“ Das hätte vor allem Jahreskarten betroffen. Er betont: „Ich habe mich einigermaßen durchgesetzt, dass bei den Jahrestickets nur minimal angepasst wird.“ Ziel sei es gewesen, nicht die volle Teuerung weiterzugeben. Dafür kam der Aufpreis bei der Bezahlung im Bus. „Ich habe im Sinne des Kompromisses zugestimmt“, sagt Zadra.

Auch im Landtag war der Aufpreis Thema. Der ÖVP-Abgeordnete Clemens Ender verwies auf Nachteile des Fahrkartenverkaufs im Bus beim Fahrer: Es käme zu Verzögerungen, zudem könnten sich gefährliche Situationen ergeben, wenn ältere Personen am Automaten ein Ticket lösen, während sich das Fahrzeug in Bewegung setze. “Wir reden von 1,5 Millionen Fahrscheinen, die jährlich im Bus gekauft werden in Vorarlberg, davon eine Million beim Lenker.” Die Automaten würden immer weniger angenommen, einen Zulauf gebe es hingegen bei Fairtiq – von 2022 auf 2023 um 40 Prozent. Ender hielt fest, dass die Fahrkarte auch außerhalb des Busses gekauft werden könnte, es gebe günstige Monats- und Jahreskarten.

"Strafgebühr": Aufpreis für Ticket im Bus lässt die Wogen hochgehen
Mario Leiter (SPÖ) sieht eine “Strafgebühr.” VN/Paulitsch

Bitschi kündigt Schritte an

Für jenen Teil der Bevölkerung, der über keine Kreditkarte verfügt und das Handy nicht benutzen kann oder möchte, werde es aber Lösungen brauchen, räumte der Abgeordnete ein. Das sieht auch Landesstatthalter Christof Bitschi (FPÖ) so, zuständig für die Verkehrsagenden. Für die Einführung sei er nicht verantwortlich gewesen. Man schaue sich aber die Sache im Detail an, kommenden Monat sollte sich was ändern. Konkretes blieb er schuldig. Eine VN-Anfrage blieb unbeantwortet. Auch der VVV war am Freitag nicht erreichbar.

Auch Tschabrun pocht auf eine Änderung. Fairtiq kommt für den Grenzgänger nämlich nicht in Frage. “Ich sträube mich nicht gegen die digitale Welt”, betont der 58-Jährige. Doch er hat Datenschutzbedenken, niemand müsse wissen, wann er wohin fahre. Der öffentlichen Personennahverkehr werde ohnehin mit Steuergeld finanziert. “Das kann doch nicht sein, dass ich dann noch einmal mehr bezahle.”