Mehr Leistung statt „Degrowth“

Politik / 17.02.2025 • 07:05 Uhr
Mehr Leistung statt „Degrowth“

Kommentar von Rainer Keckeis.

Hohe Leistungen im Arbeitsleben zu erbringen, zählt heute bei einer nicht unbedeutend großen Gruppe von Menschen als überholt. Die sogenannte Work-Life-Balance ist das Ziel, nicht aber Erwerbsarbeit und Ehrgeiz beim Aufbau einer Existenz. Und weil sich das halt nicht bei allen und immer ausgeht, soll die Solidargemeinschaft, sprich der Staat, in allen möglichen Lebenslagen einspringen. Propagiert wird „Degrowth“ statt Wirtschaftswachstum. Das klingt theoretisch gut, weil dahinter die Idee einer Gesellschaftsform steckt, die allen Wohlstand beschert und dabei unsere ökologischen Grundlagen sichert. Vergessen wird allerdings, dass das nur dann funktioniert, wenn alle gemeinsam zur Sicherung des Wohlstandsniveaus beitragen.

Schon bei der ersten Voraussetzung, der Beitragsleistung zu einer prosperierenden Wohlstandsgesellschaft, tun sich zwischen Ideologie und Praxis sichtbare Brüche auf. Gerade die Proponenten der „Degrowth-Ideologie“ sind vielfach dieselben, die natürlich für sich in Anspruch nehmen, weniger zu arbeiten, als ihnen möglich wäre. Sie sehen, wie es der bekannte Schweizer Ökonom Bruno S. Frey formuliert, immer nur das Ich an erster Stelle. Sie haben laut Frey auch kein Problem damit, dass die Kassierin im Supermarkt deren Studium mitfinanziert, damit sie danach nur noch Teilzeit arbeiten, weil sie es sich leisten können.

Von ähnlichen Mustern lässt sich auch die heimische Politik treiben. Menschen, die in großer Zahl freiwillig nur Teilzeit arbeiten, fordern beispielsweise mit einer bemerkenswerten Selbstverständlichkeit, dass der Steuerzahler später ihre niedrigeren Pensionen aufstocken müsse. Oder, dass der Staat mit hohen Subventionen ihren Mobilitätsanspruch finanzieren müsse. Und wie gehen unsere politischen Parteien damit um? Indem sie sich – je nach Opportunität – diese Forderungen zu eigen machen und glauben, damit bei den Wählern zu punkten. Was sie aber nur selten tun ist, Nein zu sagen zu denen, die zwar nur wenig zum Allgemeinwohl beitragen, aber alles von der Allgemeinheit wollen.

Was es angesichts der globalen Herausforderungen tatsächlich benötigt, wollen sie ihren Wählern lieber nicht sagen. Mehr Einsatz, mehr Leistung und mehr Eigeninitiative. Das sind Grundeinstellungen, die zwar unbestritten notwendig wären, um einen Wohlfahrtsstaat langfristig abzusichern, aber heute vielfach als altmodisch und überholt gelten. Deshalb bleibt es bei einer oberflächlichen Debatte über bürokratische Monster wie die Lieferkettenverordnung und ähnlichen Unsinn, der uns zwar nur ärmer, dafür aber moralisch erhabener macht.

Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.