Ruhe in der Hofburg? Fehlanzeige.

Neuwahl, Ibiza, Corona, Koalitionspoker: Die Tagespolitik beschert dem Bundespräsidenten immer wieder Turbulenzen. Dutzende Angelobungen liegen hinter ihm. Die nächsten folgen.
Wien Alexander Van der Bellen ist Turbulenzen mittlerweile gewöhnt. Schon die erste Wahl des Bundespräsidenten lief mit Wahlwiederholung und mangelhaft geklebten Wahlkarten alles andere als glatt. Mit seiner Amtsübernahme wurde es nicht ruhiger. Im Gegenteil. Die Koalition von Christian Kern (SPÖ) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP) scheiterte. Sebastian Kurz (ÖVP) kam und forderte eine Neuwahl. Es folgten Türkis-Blau, der Ibiza-Skandal, das Ende der Zusammenarbeit von ÖVP und FPÖ und die Übergangsregierung unter Brigitte Bierlein. Wieder Neuwahl, dann Schwarz-Grün. Es ging weiter mit Pandemie und Krieg, zusätzlich mit Vorwürfen, Ermittlungen und Anklagen rund um Kurz und Co. Van der Bellen schaffte bei der Bundespräsidentenwahl 2022 den Wiedereinzug in die Hofburg und begleitete die innenpolitischen Unwegsamkeiten weiter bis zur regulären Nationalratswahl im Herbst.
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Mehr als viereinhalb Monate später gibt es keine Koalition, sondern zwei beendete Koalitionsverhandlungen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) legte nach dem Scheitern von Schwarz-Rot-Pink sein Amt zurück. Nach dem Ende von Blau-Schwarz stehen wieder alle Zeichen auf Schwarz-Rot.

Van der Bellen gelobte unterdessen Alexander Schallenberg als neuen Regierungschef an. Insgesamt zählt der Bundespräsident mittlerweile 189 Angelobungen in seiner Amtszeit. Sechs weitere konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht vornehmen, eine davon war jene von Markus Wallner zum Landeshauptmann, wie der “Standard” nachgezählt hat. Die 195 Angelobungen entfallen auf insgesamt 90 Personen, einige davon übernahmen wiederholt ein Amt und/oder wurden mit der interimistischen Fortführung der Verwaltung betraut.

Spitzenreiter ist der aktuelle Regierungschef Alexander Schallenberg, der neun Mal in der Hofburg zur Angelobung zu Gast gewesen ist, gefolgt von der einstigen Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und dem aktuellen Wirtschaftsminister Martin Kocher (je fünf). Sechs Personen hatten während Van der Bellens Amtszeit bereits die Kanzleragenden inne (Christian Kern, Sebastian Kurz, Hartwig Löger, Brigitte Bierlein, Alexander Schallenberg und Karl Nehammer). 141 Angelobungen betrafen Regierungsmitglieder, 14 fielen auf Staatssekretäre.

Viele Vorarlberger in der Hofburg
Auch Vorarlberger gingen in der Hofburg ein und aus, etwa Landeshauptmann Markus Wallner, der auf zwei der österreichweit insgesamt 21 Landeshauptleute-Angelobungen zurückblicken darf. Finanzminister Hans Jörg Schelling wurde einmal angelobt, der damalige Innenminister Eckart Ratz zwei Mal, Michael Linhart einmal zum Außenminister, Magnus Brunner (mittlerweile EU-Kommissar) zählt vier Angelobungen zum einen als Staatssekretär, zum anderen als Minister und Johannes Rauch blickt auf zwei zurück.

Van der Bellen bleibt trotz all der Herausforderungen besonnen, mahnt aber gleichzeitig zur Kompromissfähigkeit. Mittlerweile ist er geübt, beschreibt mit ruhiger Stimme die Lage der Nation und verweist immer wieder auf die Verfassung.
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Die Aufgabe des Bundespräsidenten ist es nun, die Fortschritte der Koalitionsverhandlungen im Auge zu behalten und gegebenenfalls auszuloten, welche Wege es für Österreich sonst noch gibt, möglichst unbeschadet durch die Turbulenzen zu kommen. Eine Neuwahl kann Van der Bellen nicht ausrufen. Dafür braucht er die Regierung, die ihm vorschlägt, den Nationalrat aufzulösen. Die Regierung selbst kann er fast nach Belieben einsetzen – den Kanzler auswählen und sich Mitglieder vorschlagen lassen. Allerdings benötigt sie eine parlamentarische Mehrheit hinter sich, um zu bestehen. Die Herausforderung liegt also nun darin, diese zu finden.