Landesvolksanwalt kritisiert Gestaltungsbeiräte massiv

Klaus Feurstein stellt sich gegen Gestaltungsbeiräte, bringt Widmungsgewinne ins Spiel und sieht bei Schwarzbauten die Gemeinden am Zug.
Bregenz Landesvolksanwalt Klaus Feurstein kennt Gemeindepolitik. Er war viele Jahre lang Stadtamtsdirektor in Bregenz und ist jetzt oft mit Fällen aus Gemeinden konfrontiert. Gerade in Widmungs- und Baufragen kommen immer wieder Bürger zu ihm. Im VN-Interview spricht er über die größten Herausforderungen bei Widmungen, kritisiert Gestaltungsbeiräte und erklärt, was er von Abgaben auf Widmungsgewinnen hält.
Wir hören viel über Schwarzbauten im Land. Riedhütten, Maisäße, Vorsäße, alte umgebaute Ställe – in nahezu allen Gemeinden müssen Bauwerke nachgemehigt werden. Wie groß ist das Problem?
Klaus Feurstein Es gibt in wahrscheinlich allen 96 Gemeinden verschiedenste Ausprägungen von Schwarzbauten. Der Begriff ist allerdings sehr weit zu fassen: von Hütten, ehemaligen Heustadel, Maisäßen, Vorsäßen, die in der Verwendung im Laufe der Jahre Veränderungen erfahren haben bis zur Balkonverglasung oder dem Durchbruch einer Mauer. Ein Haus wird zum Beispiel den eigenen Bedürfnissen angepasst, es wird ein Wohnobjekt gemütlicher oder einfach besser nutzbar gemacht. Manchmal wurde der Dachboden ausgebaut, ein Carport, eine Garage oder nachträglich auch ein Zubau errichtet. Teilweise wurde auch aus der Terrasse ein gemütlicher Wintergarten – bis hin zu den Balkonverglasungen ohne Bewilligung.

Und warum kann man nicht einfach alle bewilligen? Dann ist das Problem gelöst.
Feurstein Die Objekte sind sehr unterschiedlich und werden unterschiedlich genutzt. Manche sind bewilligungsfähig, andere nicht. Das stellt Gemeinden vor ein Problem. Denn wenn Sie jemandem den Neubau eines kleinen Hauses im Ried zurecht nicht genehmigen, dürfen sie anderen ein gleiches Objekt nicht im Nachhinein bewilligen. Das wäre auch der Fall, wenn man alle bestehenden legalisiert. Das wäre eine Ungleichbehandlung. Die Gemeinden sind gefordert, jeden Einzelfall zu prüfen.

Gemeinden sind in der Raumplanung gerade gefordert. Sie müssen räumliche Entwicklungspläne (REP) beschließen, viele haben das noch nicht getan.
Feurstein Ja, diese Pläne sind sehr aufwendig, mit hohen Kosten verbunden und es wird ein enormer Druck auf die Gemeinden aufgebaut.
REP müssen als Verordnungen beschlossen werden. Ist die Verordnung das richtige Instrument?
Feurstein Die REP regeln sehr umfassend und umfangreich die Raumplanung in der Gemeinde, vom gemeinnützigen Wohnbau bis zu Spielplätzen und Siedlungsrändern. Da stellt sich schon die Frage, ob sie wirklich dem Charakter einer Verordnung entsprechen. Bei Anlassfällen wird man sich das eine oder andere REP im Detail ansehen und allenfalls eine Prüfung beim VfGH anregen müssen.
Gerade vor Wahlkämpfen wird immer wieder darüber diskutiert, ob Grundstückswidmungen weiterhin in Gemeindekompetenz sein sollen. Was denken Sie?
Feurstein Wir haben jedenfalls sehr viele Anfragen zu dem Thema. Es ist ganz wichtig, dass Gemeinden ganz vorsichtig damit umgehen. Wir hatten Fälle, bei denen der Unabhängige Sachverständigenrat und wir der Meinung waren, dass gewidmet werden kann, die Gemeinde das aber trotzdem nicht getan hat. Es gibt aber keinen subjektiven Anspruch auf Widmungen. Der Druck auf die Behörde wird immer größer – auch, weil eine Umwidmung von landwirtschaftlichem Grund zu Baufläche für den Eigentümer einen Millionengewinn bringen kann.

Sind die Gemeinden vorsichtig genug?
Feurstein Bei uns landet nur die Spitze des Eisbergs. Zu uns kommen die Bürger, die sich ungerecht behandelt fühlen. Es gibt landespolitisch die Vorgabe, dass verdichtet gebaut werden soll. Das führt ironischerweise dazu, dass irgendwo vernünftigerweise höher und dichter gebaut wird, die Nachbarn dann aber zu uns kommen, weil sie mehr Verkehr, weniger Aussicht und mehr Lärm befürchten. Das Argument der Befürworter für die Gemeindekompetenz lautet, dass die Gemeinden in so einem Fall am besten wissen, wie sie mit solchen Fragen umgehen. Übrigens ist das Thema der Widmungskompetenz auch eine Kostenfrage.
Was kostet mehr?
Feurstein Angenommen, es macht die Bezirkshauptmannschaft. Dem Bezirk Bregenz gehören 40 Gemeinden an. Da bräuchte es ordentlich Ressourcen, das wäre eine Superbehörde. Gemeindevertretungen arbeiten hingegen ehrenamtlich.
Man könnte eine solche Behörde finanzieren, in dem man Widmungsgewinne abschöpft?
Feurstein Dazu gab es 2018 schon einmal eine große Diskussion. In der Schweiz funktioniert es, Vorarlberg ist vielleicht zu spät dran. Vielleicht gibt es aber auch andere Ansätze, man muss sich das anschauen. In der Baulandfrage sind Neuwidmungen aber sowieso nicht das Problem, die sind befristet. Die Probleme sind Grundstücke in Ortszentren, die schon lange Baugebiet sind, aber nicht bebaut werden. Man wollte mit der Novelle 2019 die Baulandmobilisierung angehen, dieses Ziel wurde nicht erreicht. Rückwidmungen werden nie erfolgen, weil es die Entschädigungspflicht gibt.

Bleiben wir in den Gemeinden. Vielerorts werden Gestaltungsbeiräte kritisiert, auch Sie haben das schon getan. Warum?
Feurstein Die Gestaltungsbeiräte arbeiten den Baubehörden in vielen Gemeinden zu, sie haben eine große Macht, aber keinen gesetzlichen Auftrag. Klar ist, dass es Aufgabe der Bürgermeister als Baubehörde ist, die Verfahren zu führen und zu entscheiden, welche Sachverständige in einem Verfahren benötigt werden. Da darf nicht ein Gestaltungsbeirat alles entscheiden. Die Frage, ob ein schützenswertes Orts- oder Landschaftsbild vorliegt oder ob in ein Ortsbild eingegriffen wird, ist eine Rechtsfrage.
Das heißt, es braucht die Gestaltungsbeiräte gar nicht?
Feurstein Laut Industriellenvereinigung gibt es bei uns mehr Gestaltungsbeiräte als im restlichen Österreich zusammen. Wenn die Gemeinde oder das Land etwas bauen möchten, können sie natürlich einen Beirat hinzuziehen. Auch private Bauwerber sollen das tun können, allerdings freiwillig. Es kann nicht sein, dass jedes Bauprojekt, jedes Einfamilienhaus, jeder Zubau in einen Gestaltungsbeirat kommt, obwohl es keine rechtliche Grundlage gibt.
Spüren Sie die neuen Regeln zu Zweitwohnsitzen?
Feurstein Die Abgabe führt tatsächlich zu großer Unruhe und vielen Anfragen, weil in den Gemeinden teilweise noch nicht ganz klar ist, wie damit umgegangen wird.
