“Dreckig, verwahrlost, herzlos, langweilig, nicht einladend, verschmutzt!” Die Lustenauer Kandidaten über das Ortszentrum

Die Lustenauer Bürgermeisterkontrahenten sehen die Vergangenheit unterschiedlich. Die Zukunft aber ähnlich.
Lustenau Lustenau war lange ein geteilter Ort. Ein Teil blau, ein Teil schwarz. Mittlerweile hat die größte Marktgemeinde Österreichs zwar einen kräftigen, grünen Anstrich bekommen. Doch immer noch bleiben am Ende ÖVP und FPÖ. Patrick Wiedl (ÖVP) und Martin Fitz (FPÖ) stellen sich am kommenden Sonntag der Stichwahl um das Bürgermeisteramt. Am Mittwoch diskutierten die Kandidaten mit Birgit Entner-Gerhold (VN-Politikredaktion) über die Zukunft der Gemeinde – und über die Vergangenheit.
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Im Verkehr gilt: Keine Fahrt nach vorn ohne Blick zurück; offenbar schon, wenn nur darüber diskutiert wird. Seit Jahrzehnten fragt sich Lustenau: Wie kann die Blechlawine aus dem Ort verbannt werden? Zunächst blickt Patrick Wiedl in den Rückspiegel: Seit 60 Jahren donnern Lkw zum 24-Stunden-Zollamt, sagt er. “Wir haben uns mit dem Zollamt ohne größere Maßnahmen abgefunden. Man muss ehrlich sein: Maßnahmen einer Gemeinde verlagern den Verkehr, sie verringern ihn nicht.” Bei der Landesstraße seien der Gemeinde die Hände gebunden. “Die nächste Aufgabe des Bürgermeisters wird sein, vehement aufzustehen und zu sagen: so nicht mehr!”

Martin Fitz wühlt ebenfalls im Archiv: “Wir haben 2014 genau das getan, was Patrick jetzt gesagt hat. Unser Antrag zu den vielen Maßnahmen ist von allen Parteien beschlossen worden. Nur härtere Maßnahmen wurden nicht genehmigt, da hat die ÖVP gebremst.” Dazu zählen regelmäßige Straßenfeste auf der Reichsstraße. “Dann hätte das Land reagieren müssen.” Beide sind sich mit Blick nach vorn aber einig: Lustenau muss mehr Druck auf Land und Bund ausüben.

Dem Ortszentrum stellen beide Kandidaten ein miserables Zeugnis aus. Fitz: “Dreckig, verwahrlost, herzlos.” Wiedl: “Langweilig, nicht einladend, verschmutzt.” Er blickt zurück: “Das Zentrum ist im Jahr 1999 teilweise gegen den Willen der Bevölkerung so gestaltet worden, wie es jetzt ist.” Zur Erklärung: 1999 war Lustenau noch FPÖ-regiert. Wiedl fährt fort: “Das langfristige Ziel muss sein, alle Akteure ins Boot zu holen, um ein komplett neues Zentrum zu schaffen.”

Ein Gebäude ist ihm besonders ein Dorn im Auge. “Es gibt auf der ganzen Welt keinen Ort, in dem das Hauptgebäude im Zentrum ebenerdig ist.” Fitz kontert – ebenfalls mit einem Blick zurück. “Das Zentrum hat sich in den letzten Jahren immer mehr ins Negative entwickelt. 2014 hat die Gemeinde einen Masterplan ausgearbeitet. Er ist nie umgesetzt worden.” Im Ausblick sind sie aber einig: Auch Fitz möchte mit den Wirten und den anderen Akteuren das Gespräch suchen.

Ein Thema trifft heuer alle Gemeinden. Auch Lustenau. Die Gemeindekasse ist angespannt. Das Rezept dagegen? Fitz antwortet zunächst mit einem Blick zurück. “In Lustenau sind die Schulden in den letzten 15 Jahren von 60 auf 120 Millionen Euro angewachsen.” Allein das Reichshofstadion habe 20 Millionen gekostet. Wenn man sich nicht mehr alles leisten kann und sich entscheiden müsse – etwa Schule oder Stadion – dann müsse man die Schule wählen.

Wiedl sieht die Stadionkosten anders: “Kurt Fischer hat 2010 ein Stadion mit 46 Baumängeln übernommen. Deren Beseitigung hätte 5,5 Millionen Euro gekostet. 2018 haben wir die Chance bekommen, ein neues Stadion zu bauen, das der Gemeinde 10 Millionen kostet.” Bei der Frage der Budgetsanierung trennt die Kontrahenten hingegen nicht viel. Fitz: “Wir brauchen nicht für jedes Projekt wie eine Bushaltestelle einen Architekturwettbewerb.” Wiedl: “Muss man so luxuriös bauen wie derzeit bei vielen Gebäuden? Lieber funktional und günstiger.”
In der Vergangenheit getrennt, in der Zukunft einig? Lustenau muss sich am Sonntag trotzdem entscheiden.



