Weniger Kälbertransporte – aber Zweifel, ob Gesetze allein ausreichen

Vor einem Jahr debattierte man Transporte junger und trächtiger Rinder von Vorarlberg nach Algerien. Was hat sich inzwischen getan?
Schwarzach Vorarlberger Rinder auf algerischen Tellern. Anfang 2024 sorgten Tobias Giesinger und Ann-Kathrin Freude mit dieser Nachricht für Aufsehen. Seit Jahren verfolgen sie Kälber- und Tiertransporte aus Vorarlberg, zuerst für den Verein gegen Tierfabriken (VgT) und nun als Investigativplattform “The Marker”.
Vorarlbergs Rinder auf fremden Tellern

Offiziell verlässt kein Tier Vorarlberg, um in Drittstaaten verschifft zu werden. Kälber, Kalbinnen – ein junges weibliches Tier vor der ersten Schwangerschaft, auch Färse genannt – und andere junge Rinder werden in solchen Fällen nach Innerösterreich verkauft, von dort geht meist über Italien und Spanien übers Mittelmeer in die Türkei oder nach Algerien. Möglich war dies, weil das Schiff wie ein Stall und nicht wie ein Lkw behandelt wird, der Transport galt damit als Ruhe- und Trinkpause. Dabei seien die Transportbedingungen auf den außereuropäischen Schiffen oft miserabel, warnen Tierschützer. Und ab der Einschiffung lassen sich die europäischen Vorgaben nicht mehr durchsetzen.

Auch schwangere Tiere werden verkauft und verschifft. Offiziell für den Herdenaufbau; Algerien will unabhängiger von Milchimporten werden. In dem nordafrikanischen Land ist angesichts der günstigen Milchimporte das Fleisch des Muttertiers und des Kalbs jedoch wertvoller, faktisch schrumpft der Kuhbestand trotz aller Importe.
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Es folgte eine Debatte um die Tiertransporte aus Österreich hinaus. Landesrat Christian Gantner erklärt, dass die Zahl der Kälbertransporte im Vergleich zu 2018 stark zurückgegangen ist, von 5755 auf 3709 im Jahr 2023 und 3396 vergangenes Jahr. Das sei dem breiten Maßnahmenpaket von Land und Landwirtschaftskammer zu verdanken. In den ersten beiden Monaten 2025 waren es 531 Kälber. “Dieser Wert ist der niedrigste seit Vorliegen der Auswertungen”, betont Gantner. Hier brauche es auch die Hilfe der Konsumenten. “Wer Tierwohl ernst nimmt, muss auch beim täglichen Griff ins Kaufregal bewusst zu Lebensmitteln aus Vorarlberg greifen”, betont Gantner – auch wenn das heimische Fleisch meist teurer ist als importierte Ware.
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Neue Gesetze, alte Probleme
Im September stellte der verantwortliche Minister eine neue Verordnung vor, so müssen bis Juli 2025 alle Trinksysteme umgerüstet werden. Und auch das neue Regierungsprogramm kündigt strengere Monitorings an, der behauptete Herdenaufbau soll kontrolliert werden.
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“Ich erwarte mir nicht allzu viel, lasse mich aber gern überraschen”, erklärt Wolfgang Puntigam vom VgT. Er verweist auf die nach der Pandemie wieder steigende Exportquoten, gerade beim Schlachtvieh. Das Problem seien nicht schlechte Gesetze, sondern schwache Kontrollen in Europa. So würde das EU-Programm “Traces” die Prüfung von Tiertransporten erleichtern. Er sieht jedoch keinen hohen Kontrolldruck. “Wir selbst können auch nur stichprobenhaft Tiertransporte begleiten”, räumt Puntigam ein. Verstöße seien bei diesen Stichproben aber auf der Tagesordnung, was nicht auf einen hohen Kontrolldruck durch die Behörden schließen lässt.
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Giesinger sieht als weiteres Problem, dass manche Kontrollorgane in Europa wie etwa Tierärzte oft mehr Verständnis für die Situation der Viehhalter als für die Tiere zeigen dürften. Schließlich kennt man sich, hat langjährige Geschäftsbeziehungen – und wäre dadurch eventuell geneigt, einmal ein Auge zuzudrücken. “The Marker” sammelt derzeit Unterstützung für weitere Recherchen. Und Giesinger erinnert sich an eine Aussage von Landesrat Gantner: Dass die Verantwortung des Verkäufers ja auch irgendwo enden muss. “Aber bin ich nicht mitverantwortlich, wenn ich weiß, was der Käufer mit dem Tier tun wird?”
Das Rindvieh und seine Bezeichnungen
Rind Gattungsbegriff für die Tierart
Kalb Begriff für das kindliche Rind, im Alter von null bis sieben Monaten, unabhängig des Geschlechts
Jungrind ein nicht geschlechtsreifes junges Rind im Alter von achten bis zwölften Lebensmonat.
Kalbin, Färse ein geschlechtsreifes weibliches Tier vor dem ersten Abkalben, sprich Geburt.
Kuh ein geschlechtsreifes weibliches Tier, das mindestens einmal gekalbt hat und damit Milch gibt. Eine Milchkuh wird für die Milchproduktion und so indirekt auch für die Fleischproduktion genutzt, eine Mutterkuh zieht ihr eigenes Kalb auf.
Stier, Bulle ein geschlechtsreifes männliches Tier, grundsätzlich für die Zucht interessant. Bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr oft als Jungstier bezeichnet, erreichen meist ein Gewicht von über einer Tonne.
Ochse ein erwachsenes, kastriertes männliches Tier. Als Nutztier interessant, da es zahmer und umgänglicher ist als ein Stier.