„Wähler entscheiden von Wahl zu Wahl“

Gemeindewahlen unterstreichen: Vorarlbergerinnen und Vorarlberger sind besonders mobil.
SCHWARZACH. Niedrige Wahlbeteiligung, viele ungültige Stimmen – und eine besonders mobile Wählerschaft: Die Vorarlberger Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen liefern viel Stoff für Politikwissenschaftler wie Laurenz Ennser-Jedenastik von der Universität Wien.
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Zum Beispiel, dass die SPÖ in Bregenz bei der Landtagswahl auf rund 17 und bei der Gemeinderatswahl unter Führung von Bürgermeister Michael Ritsch auf knapp 43 gekommen ist: „Das ist die neue Welt, in der wir leben“, sagt Ennser-Jedenastik: „Es handelt sich um einen Abschied von der Stabilität, die in den Nachkriegsjahrzehnten geherrscht hat. Das wird jetzt vollzogen. Wähler entscheiden von Wahl zu Wahl und dabei zunehmend auch um.“ Heute diese, morgen jene Partei also.

Beziehungsweise heute diesen, morgen jenen Kandidaten: Auf Persönlichkeiten komme es zunehmend an, erläutert der Politologe: „Wirkt der Spitzenkandidat überzeugend, kann das eine Partei nach vorne katapultieren, tut er es nicht, kann es sie umgekehrt aber auch nach unten befördern.“ Nachsatz: „Die Gemeindewahlen in Vorarlberg sind ein sehr gutes Beispiel dafür, wie stark Persönlichkeiten wirken können.“
Auf der anderen Seite ist die Wahlbeteiligung in Vorarlberg einmal mehr unterdurchschnittlich gewesen. Sie fiel erneut ganz anders aus als beim anderen Extrem auf Länderebene, dem Burgenland: Lag die Beteiligung dort bei der Nationalratswahl bei 83 Prozent, so betrug sie hierzulande 72. Betrug sie bei er dortigen Landtagwahl 79 Prozent, so handelte es sich hierzulande um 68. An den dortigen Gemeinderatswahlen nahmen zuletzt wiederum 76 Prozent teil, hierzulande jedoch nur 54.
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Die Wahlbeteiligung sei ebenfalls Ausdruck der Volatilität, erklärt Ennser-Jedenastik und meint damit eben die Mobilität oder Sprunghaftigkeit der Wähler: „Mehr und mehr Wähler gehen nicht oder von Fall zu Fall wählen.“ Das sei überall so, innerhalb von Österreich im Westen aber stärker als im Osten.
Interessant auch: In allen Bundesländern gibt es bei Gemeindewahlen relativ viele ungültige Stimmen. In Vorarlberg handelte es sich um fünfeinhalb Prozent. Eine Erklärung dafür ist dem Politikwissenschaftler zufolge die begrenzte Auswahl: Mehrere Listen sind längst nicht die Regel: „Es gibt Menschen, für die Wählen noch immer eine Bürgerpflicht ist und die daher nicht nicht, sondern ungültig wählen, wenn sie kein Angebot für sich selbst sehen.“
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Möglich ist darüber hinaus, dass das Wahlsystem zu mehr ungültigen Stimmen führt: Bei einem Wahlgang werden Gemeindevertretungen und getrennt davon oft auch Bürgermeister bestimmt. Wird in einem solchen Fall nur eine Stimme für die Gemeindevertretung abgegeben, aber keine für die Bürgermeisterkür, bedeutet das, dass erstere als gültig und zweitere nicht als nicht teilgenommen, sondern als ungültig gewertet wird. Das ist so im Gemeindewahlgesetz festgelegt. Der Gesetzgeber hätte das auch anders regeln können, meint der Verfassungsexperte Peter Bußjäger, rechtlich sei daran jedoch nichts auszusetzen.