Landesgrünzone schrumpft: Steuer auf Widmungsgewinne für Betriebe?

Politik / 03.04.2025 • 13:20 Uhr
Landesgrünzone schrumpft: Steuer auf Widmungsgewinne für Betriebe?
Der einstige Stadtplaner Markus Aberer (l.) und Bodenfreiheits-Obmann Martin Strehle diskutierten über Mehrwertabgabe und Co. VN/Paulitsch

Die geplante Umwidmung wirft Fragen auf, vor allem was eine mögliche Kompensation betrifft – und eine Mehrwertabgabe nach Schweizer Vorbild.

Schwarzach Die Landesgrünzone schrumpft. Rechtswidrig gewidmete Flächen werden entnommen, ohne sie zu kompensieren. Das kritisiert der Verein für Bodenfreiheit, ebenso, dass es keine Mehrwertabgaben auf Wertsteigerungen durch die Umwidmung gibt, wie Obmann Martin Strele erklärt. Im Gespräch mit den VN erörtert er gemeinsam mit dem einstigen Dornbirner Stadtplaner Markus Aberer von der Initiative Vau hoch Drei, welche Schritte nun notwendig wären.

Die politische Entscheidung ist getroffen: Die Landesgrünzone schrumpft. Was sollte als nächstes folgen?

Strele Um Flächen in der Landesgrünzone durch die Hintertüre bebauen zu können, hat das Land über Jahre die Vergabe von Sonderwidmungen bewilligt. Der Verfassungsgerichtshof hat nun erkannt, dass es sich dabei um eine Umgehungskonstruktion handelt. Wir fordern seit Jahren, dass fehlgewidmete, bebaute Flächen aus der Grünzone genommen werden. Aber es darf nicht plötzlich alles Betriebsgebiet werden. Einige Grundstücke sind bebaut, andere werden als Parkplatz genutzt. Solche Parkplätze könnten befristet gewidmet und später entsiegelt werden. Und: es braucht eine Kompensation.

Landesgrünzone schrumpft: Steuer auf Widmungsgewinne für Betriebe?
Zu Gast bei den VN: Vau hoch Drei mit Josef Mathis (v.l.) und Markus Aberer sowie der Verein für Bodenfreiheit mit Obmann Martin Strele und Kerstin Riedmann. VN/Paulitsch

Sind genügend Flächen da, um die Herausnahmen überhaupt kompensieren zu können?

Strele Es gibt viele Gemeinden mit Freiflächen, die in die Landesgrünzone hineingenommen werden könnten.

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Aberer Ich würde die Gemeinden nicht so sehr ins Gebet nehmen oder die Betriebe, die auf dieser völlig verunglückten Gesetzesinterpretation gebaut haben.

Strele Die Landesgrünzone ist eine Landesverordnung. Ich schütte das ja nicht den Gemeinden rüber. Die Kompensation müsste eigentlich das Land machen.

Aberer Es gibt nicht die 97. Gemeinde.

Strele Es muss ja nicht die Standortgemeinde sein, die die Kompensation macht. Wenn ich ein Instrumentarium mache, wo es zum Ausgleich kommen kann…

Aberer … nichts gegen die Kompensation, aber man muss die Flächen finden.

Strele Die Flächen sind da. Davon bin ich überzeugt.

Landesgrünzone schrumpft: Steuer auf Widmungsgewinne für Betriebe?
“Vorarlberg braucht so viel Freifläche, wie in die Landesgrünzone 1977 reingenommen wurde”, sagt Strele. VN/Paulitsch

Aber wie würde das funktionieren? Das Land müsste die Gemeinden bezahlen?

Strele Ja. Und das interkommunal. Die eine Gemeinde bekommt ein Betriebsgebiet und hat dementsprechend mehr Einnahmen durch die Kommunalsteuer. Die andere Gemeinde nimmt eine Fläche in die Landesgrünzone rein, bekommt keine Kommunalsteuer, aber muss aus einem Ausgleichsmechanismus etwas finden.

Der Verein Bodenfreiheit präsentierte im Zusammenhang mit den Umwidmungen in der Grünzone die Idee der Mehrwertabgabe nach Schweizer Vorbild. In einigen Fällen sei die Widmung als Betriebsgebiet richtig, aber auch hier müssten die Eigentümer ihren Beitrag leisten. Wie kann man sicherstellen, dass man den Unternehmen nicht zu viel zumutet?

Aberer Ich hätte Bauchweh, hier rückwirkend tätig zu werden, weil es das Land verbockt hat und die Gemeinden die Sache als Baubehörde angewendet haben.

Strele Weder Mehrwertabgaben noch Grundsteuererhöhungen sind für ein Industrieunternehmen in Vorarlberg die elementaren Kosten. Vielmehr sind es Kosten für Personal oder Energie. Es ist also keinem Industrieunternehmen zu viel, eine Mehrwertabgabe zu zahlen oder eine höhere Grundsteuer zu verrichten. Besser wäre es, Betriebe sinnvoll zu entlasten, etwa über die Lohnsteuer.

Landesgrünzone schrumpft: Steuer auf Widmungsgewinne für Betriebe?
Die Schweizer Konstruktion ist irrsinnig klug und pragmatisch, sagt Aberer. VN/Paulitsch

Aberer Ich würde die Mehrwertabgabe nicht im Zusammenhang mit der Grünzone und den falschen Sondergebietswidmungen sehen, sondern generell als wichtiges Planungsinstrument. Die Schweizer Konstruktion ist irrsinnig klug und pragmatisch mit drei Anwendungsfällen. Erstens: Wenn eine Freifläche in Baufläche gewidmet wird, wird der Mehrwert, der dadurch entsteht, zu mindestens 20 Prozent abgeschöpft. Zweitens: Wenn ein Mehrwert durch eine Aufzonierung entsteht, also eine bessere Nutzungsmöglichkeit (Anm. Baunutzungszahl) von Grund und Boden. Und drittens: Wenn es einen Mehrwert durch den Verkauf eines gewidmeten Grundstücks gibt. Der Bund gibt den Kantonen in der Schweiz Freiraum, in Basel-Stadt liegt die Mehrwertabgabe zum Beispiel bei über 50 Prozent. Die Länder hätten in Österreich die Möglichkeit, das ähnlich zu machen. Das ist kein kommunistischer Vorschlag. Das wurde in der Schweiz mit satten Mehrheiten beschlossen. Bei uns ist der Reflex aber immer umgehend: Geht nicht!

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Strele Planerische Kompetenz muss vor Ort in der Gemeinde bleiben, das ist richtig. Wichtig ist aber, dass die Abgabe woanders passiert, nämlich auf Landesebene.

Aberer Man muss sich vorstellen, die Gemeinde müsste das machen, der Bürgermeister müsste das machen … Er ist viel zu nah dran. In der Schweiz bewertet der Kanton die Grundstücke und stellt fest, wie hoch die Differenz und somit die Mehrwertabgabe ist.

Die Landesgrünzone schrumpft

Die Landesgrünzone wird verkleinert. Grund dafür ist ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs von 2022. Laut dem dürfen in der Landesgrünzone keine Betriebe bauen, auch nicht mit Sonderwidmung. Es gibt aber zwölf derartige Fälle. Daraufhin hat das Land die betroffenen Flächen ersatzlos aus der Grünzone genommen. Dabei handle es sich um 0,07 Prozent, hieß es. Laut Anfragebeantwortung sollen es um insgesamt10,5 Hektar handeln. Das entspricht in etwa einer Größenordnung von 15 Fußballfeldern.