Deutsche Pläne zum Industriestrom lassen Alarmglocken schrillen: “Es wäre dramatisch”

Europa hat vergleichsweise hohe Strompreise in der Industrie. 40 Prozent entfallen auf die CO₂-Steuer. Das wirkt sich massiv auf die Wettbewerbsfähigkeit aus.
Bregenz Wirtschaftstreibende hatten es schon einmal leichter. Die Lohnkosten sind in die Höhe geschnellt, die Konsumlust bleibt trotzdem vergleichsweise niedrig. Rohstoffpreise sind hoch, Bürokratie- und Klimaschutzvorgaben ebenfalls. Und in den USA bringt ein Präsident mit seiner Sprunghaftigkeit die Weltwirtschaft ins Wanken. Die Konjunktur schwächelt. Kein Wunder, dass sich die Bundesregierung zumindest vorgenommen hat, Konjunkturhemmnisse zu beseitigen. Für Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer zählt dazu der Strompreis für die Wirtschaft. Da müsse man auch über die CO₂-Abgabe sprechen, erklärte er im Rahmen seines Antrittsbesuchs als Minister in Vorarlberg.
Das Nachbarland Deutschland hat eine neue Bundesregierung. CDU und SPD haben sich auf eine Koalition geeinigt. Ein Vorhaben aus dem Regierungsprogramm lautet: Die Parteien wollen energieintensive Unternehmen entlasten, und zwar mit einem Industriestrompreis. In Frastanz wird das Thema mit Argusaugen beobachtet. Udo Nachbaur, technischer Vorstand von Rondo Ganahl, warnt: “Es wäre dramatisch, wenn das in Deutschland kommt, aber in Österreich nicht. Wir sind am europäischen Markt tätig, viele unserer Mitbewerber sind in Deutschland. Am besten wäre eine europäische Lösung.” Auch Hattmansdorfer baut auf europäische Lösungen. Das Vorhaben in Deutschland kenne er bisher nur aus den Nachrichten, sagt er auf Nachfrage. Das Thema werde er mit der neuen Energieministerin bzw. dem neuen Energieminister in Deutschland aber sicher besprechen.

Dass der Strompreis nicht nur innerhalb der EU den Wettbewerb bestimmt, zeigt eine Rechnung des Illwerke/VKW-Vorstandsvorsitzenden Christof Germann: In den USA koste Industriestrom 9 Cent pro Kilowattstunde, in China 6 c/kWh, in Europa 13 c/kWh. Grund dafür sei unter anderem die CO₂-Abgabe, die bei Gaskraftwerken rund 40 Prozent der Kosten ausmache. Der Strompreis orientiert sich stets am teuersten Energieträger (das ist das sogenannte Merit-Order-Prinzip), und das seien immer noch die Gaskraftwerke oder Kohlekraftwerke. “Das sind Kosten, die es in anderen Regionen in dieser Form nicht gibt”, betont Germann und ist überzeugt. “Das Thema Industriestrompreis ist für den ganzen Standort Österreich entscheidend.” Udo Nachbaur von Rondo Ganahl bestätigt: “Der CO₂-Preis hat auf den Strompreis meinen massiven Einfluss.”
Muss man also die CO₂-Abgabe infrage stellen? Hattmansdorfer spricht von einer Grundsatzfrage. Und fügt an: “Die ausschließliche klimapolitische Betrachtung ist ein Wettbewerbsnachteil.” Gerade auch, weil mehr chinesische Produkte in Europa erwartet werden, nachdem die USA hohe Zölle verhängt haben. “Deswegen glaube ich schon, dass wir eine Diskussion über Gratiszertifikate brauchen.” Das gelte aber vor allem auch über die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie bringe Europa einen massiven Wettbewerbsnachteil. Ein großes Industrieunternehmen in Oberösterreich habe ihm berichtet, dass es 70 Mitarbeiter benötigt, um den Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. “Das hilft der Umwelt nicht, schadet aber dem Unternehmen.” Es gibt also viel zu diskutieren.

Auch das Unternehmen Rondo Ganahl macht Erfahrungen mit dem europäischen Berichtswesen, erzählt Udo Nachbaur “Das Berichtswesen, das kommt, ist ein unheimliches Monster. Natürlich agieren wir nachhaltig. Aber die Berichte verschlingen unglaubliche Ressourcen.” Zwei bis drei Personen seien angestellt worden, nur um die Nachhaltigkeitsthemen zu dokumentieren. “Da ist eine neue Abteilung dazu gekommen”, schildert Nachbaur. “Diese Kosten schlagen sich am Ende aufs Produkt.” Der Industrie wäre massiv geholfen, wenn dieses Berichtswesen so schlank wie möglich gehalten würde.
Und: “Die EUDR-Richtlinie zur nachhaltigen Holzberichterstattung sollte man komplett streichen. Es gibt schon Richtlinien. Das ist nur ein zusätzliches Bürokratiemonster.”
