Kommentar: Rühr mich nicht an!
Die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck hat vor, eine größere Zahl von Grundstücken als Vorbehaltsflächen für sozialen Wohnbau zu widmen. Die Konsequenz für die betroffenen Eigentümer wäre, dass nur geförderte Wohnbauten errichtet werden dürfen. Um in der Zwischenzeit die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, wurde eine umfangreiche Bausperre erlassen.
Diese Maßnahme hat österreichweit für Aufregung gesorgt. Von Enteignung ist die Rede. Auch vor dem Arlberg herrscht Unruhe. Schließlich können sogar im Ländle auf der Grundlage des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes Vorbehaltsflächen für „gemeinnützigen“ oder „förderbaren Wohnbau“ geschaffen werden. Die Bestimmung gelangte 2019 in das Raumplanungsgesetz und wurde von ÖVP, Grünen und FPÖ beschlossen. Verschiedentlich wird von Politikern jedoch betont, dass es bei uns undenkbar wäre, so über die Grundeigentümer „drüberzufahren“.
Vorbehaltsflächen für gemeinnützigen oder förderbaren Wohnbau sollen die Schaffung von leistbarem Wohnen ermöglichen, das von allen Parteien als wichtiges Ziel anerkannt ist. Zweifellos stellt die Vorbehaltsflächenwidmung für sozialen Wohnbau eine massive Eigentumsbeschränkung dar. Das ist in der Raumplanung nichts Ungewöhnliches. Schließlich hat es massive Auswirkungen auf den Wert eines Grundstücks, ob es überhaupt als Bauland oder Freiland gewidmet ist.
Wenn es zu einer Vorbehaltsflächenwidmung kommt, haben die betroffenen Eigentümer die Möglichkeit, die Grundstücke der Gemeinde oder einem Bauträger zum Kauf anzubieten. Von einer entschädigungslosen Enteignung kann daher nicht gesprochen werden. Und einen Schutz von Spekulationsgewinnen bietet die Verfassung nun einmal nicht. Selbst die Bausperre bedeutet keine Enteignung, weil sie spätestens drei Jahre nach ihrer Erlassung außer Kraft tritt.
Wer in der Raumplanung so lange wartet, bis auch der letzte Grundeigentümer mit an Bord ist, wartet vergeblich. Eine „Rühr-mich-nicht-an!“-Politik in der Raumplanung ist so ziemlich das Verfehlteste, das der Staat tun kann.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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