Fast alle Kassenstellen besetzt: “Manche fragen, ob wir neue Patienten nehmen“

Patrick und Elisa Hain eröffneten ihre Praxis in Wolfurt. Das war nicht ganz leicht. In der Ärztekammer warnt man, dass viele Kolleginnen und Kollegen am Limit arbeiten.
Wolfurt Ursprünglich war die Arztpraxis von Patrick und Elisa Hain in Wolfurt als Wohnung geplant. Die vielen Steckdosen im Wartebereich erinnern daran, dass dort eigentlich eine Küche stehen hätte sollen. Auch die Fliesen im hinteren Eck des Labors sind ein Hinweis, dass hier eigentlich ein Bad gewesen wäre. Wände wurden eingezogen oder herausgerissen, Waschbecken in Räume eingebaut, wo gar keine angedacht gewesen waren. Wie ein Provisorium wirkt die Praxis trotzdem nicht. Wer die Vorgeschichte nicht kennt, sieht die Ursprünge nicht. Die Praxis ist einladend, wohldurchdacht eingerichtet und mit Bildern geschmückt, die aus der Feder von Elisa Hains Mutter stammen. Bis die Räumlichkeiten eröffnet werden konnten, dauerte es allerdings. Die Suche nach einer Ordination erforderte Zeit.

Patrick und Elisa Hain besetzen eine von 164,9 Kassenstellen für Allgemeinmedizin in Vorarlberg. Vier Stellen sind offen, drei davon im Kleinwalsertal. Eine Planstelle in Feldkirch wird aktuell über ein erweitertes Job-Sharing abgedeckt, heißt es seitens der ÖGK. „In Röthis wurde die Kassenstelle für Allgemeinmedizin mit der Möglichkeit vergeben, sich auch in der Nachbargemeinde Klaus niederzulassen.“ Hier wird es im dritten Quartal dieses Jahres so weit sein.
Massive Lücke entstanden
Die Lage war schon deutlich kritischer, zeigt ein Blick in die jüngste Dornbirner Vergangenheit, wo mehrere Kassenstellen gleichzeitig frei geworden sind. „Da entstand für Patienten zeitweise eine massive Lücke“, erinnert sich Patrick Hain. Ebenso in Wolfurt waren zwei von drei Stellen zeitweise unbesetzt. Wenn man frühzeitig reagiere, könnten solche Entwicklungen verhindert werden, ist Hain überzeugt.
Der 35-jährige hatte Anfang 2024 die Zusage für die Kassenstelle in Wolfurt bekommen, konnte allerdings erst im November des gleichen Jahres in seine Praxis einziehen. Die Suche nach Räumen sei nicht einfach gewesen. Im Dezember eröffnete Hain die Praxis. Seit Jänner 2025 wird diese von Patrick und Elisa Hain gemeinsam geführt. Die Gemeinde hatte das Ärzteehepaar beim Umbau unterstützt.
Viel Werbung muss ein Arzt und eine Ärztin in Vorarlberg nicht machen. Die Nachfrage ist da. Vom ersten Tag an seien Patientinnen und Patienten gekommen. Es werden mehr, erklärt Hain. „Man hört von anderen Hausärzten, dass sie ausgelastet sind. Manche fragen bei uns nach, ob wir noch neue Patienten nehmen.“

In der Ärztekammer fordert Alexandra Rümmele-Waibel dringend mehr Kassenstellen. Dies sei aufgrund der steigenden Bevölkerungszahl, der älter werdenden Gesellschaft und wegen der steigenden Ansprüche der Patienten nötig. Rümmele-Waibel ist Kinderärztin und Kurienobfrau der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in der Kammer. „Eine annähernd gleichbleibende Zahl von Kassenärztinnen und Kassenärzten muss immer mehr Leistungen für immer mehr Patientinnen und Patienten erbringen.“ Bei den Hausärzten sei die Zahl der Patientenkontakte von 1,8 Millionen im Jahr 2013 auf heuer über zwei Millionen angewachsen. „Tendenz steigend.“
“Sie arbeiten derzeit am Limit”
Rechnet man alle Kassenärztinnen und -ärzte mit ein, summiert es sich auf 2,95 Millionen Kontakte. „Sie arbeiten derzeit am Limit. Teils sogar darüber hinaus. Mitunter wird mir mitgeteilt, dass ein einziger Kassenarzt fast 200 Patientinnen und Patienten pro Tag zu versorgen hat“, sagt Rümmele-Waibel. Und das, obwohl fast alle Kassenstellen besetzt sind. Bei den 185,1 Fachärztinnen und -ärzten ist nur eine Planstelle für Augenheilkunde in Rankweil frei. In Bregenz hat mit 1. April eine neue Praxis für Dermatologie eröffnet.
Patrick und Elisa Hain sind in Wolfurt gut angekommen. Noch sei genügend Zeit für die Patienten. „Die Zeit muss man sich auch nehmen. Aber es gibt Tage, die anstrengender sind.” Als Allgemeinmediziner sei es ihm wichtig, Kassenarzt zu sein. „Man ist der erste Anlaufpunkt, egal für welche Themen. Der Zugang sollte möglichst einfach funktionieren. Wir wollen für alle da sein.“

Dass sich das Ärzteehepaar übers „Job-Sharing“ eine Stelle teilen kann, hebt der 35-Jährige positiv hervor. Auch Rümmele-Waibel sieht darin einen Fortschritt: „Die Ärzte können jeweils mehr als 50 Prozent arbeiten, was die Gesamtkapazität dieser einen Kassenstelle erhöht. Das kostet natürlich Geld und aufgrund der aktuellen Finanzlage kann die ÖGK keine solchen Job-Sharings mehr bewilligen.“ Bei den Honorarverhandlungen sehe sich die ÖGK derzeit nicht einmal in der Lage, die Inflation abzugelten. „Dieses Signal macht nicht gerade übermäßig große Lust, sich für eine Kassenstelle zu bewerben.“ Patrick und Elisa Hain haben es dennoch getan und bereuen es nicht, diesen Weg eingeschlagen zu haben.