Das vielleicht letzte Gefecht des Zweiten Weltkriegs war in Au

Eine Woche nach Kriegsende kam es in Au zu einem folgenschweren Gefecht. Noch heute erinnert ein Grab an diesen Vorfall.
Au Zeitzeugen, die über das Kriegsende erzählen, sind rar geworden. In Au existiert noch einer. Er ist klein, aus Metall und erzählt eine Geschichte einer der letzten Kriegshandlungen in Europa. “Hier ruhen die Opfer des Krieges” ist darauf zu lesen. Was auf dem Grab der vier ehemaligen SS-Männer nicht zu lesen ist: Sie wurden am 15. Mai 1945 hingerichtet, nachdem sie sich eine Woche nach Kriegsende noch im Widerstand gegen die französischen Befreier versuchen. Zehn Menschen sterben bei diesem letzten Gefecht.

Anfang Mai 1945 gleichen Au und Schoppernau einer Militärbasis. Laut Zeitzeugen befinden sich zeitweise mehrere Tausend Wehrmachtssoldaten im Tal. Die letzten Überbleibsel eines verheerenden Krieges. Die aufgescheuchten, teilweise schwer bewaffneten Horden versuchen zu Kriegsende, über den Bregenzerwald den französischen Befreiern zu entfliehen. In Langenegg und Krumbach kommt es zu blutigen Kämpfen. Viele landen in Au und Schoppernau, vor dem Hochtannbergpass.
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Die Soldaten wollen nicht mehr. Sie geben ihre Waffen ab, tauschten ihre Uniform mit der Bevölkerung gegen Zivilkleidung, verkaufen ihre Autos, Pferde, Beiwagen, die Einheiten lösen sich auf. Eine aber vorerst nicht, jene von General Ludwig Merkel. 80 bis 100 teils fanatische junge Männer in SS-Uniform haben vor, bis zuletzt Widerstand zu leisten. “Das wäre hochdramatisch geworden”, erzählt Roland Moos. Er hat die Geschichte dieser Tage aufgearbeitet.

Die Bürgermeister von Au und Schoppernau wissen: Sollte es tatsächlich zu Kämpfen kommen, brennt ein Dorf. Ihr Glück: Die Franzosen lassen sich Zeit. Als am 8. Mai der Krieg endet, sind sie zwar in Bregenz, aber nicht in Au gelandet. Die Soldaten verlassen den Ort, sie fliehen im wahrsten Sinne des Wortes über alle Berge. Schließlich bringen die Bürgermeister auch Merkel dazu, sich zu ergeben. Er gibt seine Waffen ab, löst die Truppe auf und lässt sich festnehmen. Nur 13 fanatische junge Männer, teilweise SS-Mitglieder, möchten sich nicht ergeben. Als eine französische Einheit aus marokkanischen Soldaten am 10. Mai Au erreicht, verschanzen sich die Männer samt Waffen im Vorsäß Boden. Damit beginnt der letzte Akt eines Krieges, der zu dieser Zeit eigentlich schon vorbei ist.
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Niemand weiß von den Männern, als die Befreier im Hotel Krone ihre Kommandantur errichten. Die 180 Soldaten kommen in Privathäusern unter. Am Sonntag, dem 13. Mai, möchten ein paar Soldaten mit einem einheimischen Jagdaufseher eine Gams jagen. Und sehen die schwer bewaffneten deutschen Soldaten. Sie holen Verstärkung, es kommt zum ersten Schussgefecht, wobei ein deutscher Soldat stirbt. Ein zweiter Verstärkungstrupp gerät ebenfalls in einen Schusswechsel. Ein französischer Soldat wird dabei von einer Granate getötet – jetzt reicht es den Franzosen.


Den getöteten Soldaten legen sie auf einen Heuwagen und lassen ihn durchs Dorf ziehen – als Warnung. Sie holen abermals 50 Mann und zünden alle Hütten an, in denen sich die Deutschen verschanzen könnten: Drei Alphütten, elf Vorsäßhütten und eine Kapelle. Sie nehmen mehrere deutsche Soldaten fest, einige werden getötet. Die Festgenommenen jungen Männer werden in den Kühlraum im Hotel Krone gesperrt, während darüber diskutiert wird, was mit ihnen geschieht. Am 15. Mai 1945, gegen 18 Uhr, werden sie auf den Hof geführt. Dem Quartett wird kirchlicher Beistand angeboten, zwei der vier nehmen an. Anschließend werden die vier Männer erschossen. Eine Zeitzeugin erzählt: Einer habe selbst im letzten Moment vor seiner Hinrichtung “Heil Hitler” in die Weiten des Tals gerufen.

Das Resultat des Ganzen: ein toter marokkanischer Soldat und neun tote deutsche Soldaten. “Es dürfte eine der letzten Kriegshandlungen des Zweiten Weltkriegs gewesen sein”, beschreibt Ortschronist Moos. Auf dem Friedhof erinnert noch heute ein Grab an die vier jungen fanatischen Männer, die auch nach dem Ende des Krieges nicht wahrhaben wollen, dass die brutale Herrschaft der Nazis vorbei ist.
Das Grabkreuz erzählt ihre Geschichte – aber nichts über den Hintergrund ihres Todes. Stattdessen trägt es die Aufschrift: “Sie starben im Mai 1945 in Au nach treu erfüllter Soldatenpflicht.” Das Grab wird noch heute gepflegt.
