Abschiebungen nach Syrien: “Lage ist relativ instabil”

Politik / 23.06.2025 • 16:23 Uhr
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Eine syrische Flagge ist über einem Park in der Hauptstadt Damaskus zu sehen. AFP

Österreich will trotz Hindernissen wieder nach Syrien abschieben. Nahost-Experte Thomas Schmidinger sagt, dass sich die Sicherheitssituation je nach Region unterscheiden kann.

Bregenz, Wien Es wäre die erste Abschiebung seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 gewesen. Ein syrischer Staatsbürger sollte zu Wochenbeginn aus Österreich in sein Heimatland zurückgebracht werden. Letztlich scheiterte das Vorhaben wegen des geschlossenen Luftraums über dem Land nach der jüngsten Eskalation des Nahost-Konflikts. Deshalb konnten keine Flugzeuge Syrien ansteuern. Sobald es wieder möglich ist, soll der Betroffene aber trotzdem abgeschoben werden. Aus Vorarlberg kommt Zuspruch für das Vorgehen.

Neues Zertifikat benötigt

Bei dem Betroffenen handelt es sich Medienberichten zufolge um einen verurteilten Straftäter, der in Österreich eine längere Haftstrafe abgesessen hat. Er bleibt in Schubhaft. Für eine Abschiebung braucht es offenbar ein neues Rückreisezertifikat, also die Zustimmung der Behörden in Syrien.

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Übergangspräsident in Syrien ist Ahmed al-Scharaa, der frühere HTS-Anführer. AFP

Das Innenministerium verweist auf VN-Nachfrage auf den Datenschutz: Es kann daher nicht beantworten, ob neben dem genannten Mann in Kürze weitere Syrerinnen und Syrer, auch in Vorarlberg, abgeschoben werden könnten.

Landesrat Daniel Allgäuer (FPÖ) kann aufgrund der Bundeskompetenz ebenfalls nicht sagen, ob bald Personen aus Vorarlberg abgeschoben werden. Er unterstützt aber das Vorgehen. “Mein Standpunkt in Sachen Asyl ist ein klarer: Wer nicht schutzbedürftig ist, hat unser Land wieder zu verlassen.”

Abschiebungen aus der EU nach Syrien sind aktuell die absolute Ausnahme. In dem Land war es im vergangenen Jahr zu einem Machtwechsel gekommen. Ein Bündnis unter der Führung der Islamisten von Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hatte das Regime von Machthaber Baschar al-Assad gestürzt. Interimspräsident wurde HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa. Er rief eine fünfjährige Übergangsperiode für das Bürgerkriegsland aus.

Schwieriges Fazit

Nun stellt sich die Frage, wie die Sicherheitslage in Syrien einzustufen ist. Der Vorarlberger Nahost-Experte Thomas Schmidinger, der gerade für ein halbes Jahr an der Universität in Erbil, Irak, unterrichtet, sagt, dass sich das je nach Landesteil anders darstellen kann. Die Regionen würden zum Teil noch immer von verschiedenen politischen und militärischen Kräften beherrscht. Weiterhin besteht Terrorgefahr. „Im Großteil Syriens gibt es keine Kriegshandlungen mehr. Aber es finden Anschläge statt“, erläutert der Experte und verweist auf das jüngste Attentat auf eine christliche Kirche in Damaskus mit vielen Todesopfern.

Die Menschenrechtssituation unterscheide sich zum Teil deutlich. “Insofern ist die Lage relativ instabil.” Zwar endete der Bürgerkrieg, doch von einer funktionierenden Demokratie sei Syrien auch noch dem Machtwechsel weit entfernt. Es gebe etwa Racheakte gegen Alawiten, die beschuldigt werden, mit dem alten Regime kollaboriert zu haben. „Unter religiösen Minderheiten herrscht die Angst vor, dass Rechte beschnitten werden.“ Es fehle der neuen Führung auch an Autorität, um das gesamte Land zu beherrschen. “Es ist aber zu viel im Fluss, um ein endgültiges Urteil abzugeben.”

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Bei dem Attentat auf die griechisch-orthodoxe Mar-Elias-Kirche im Stadtteil Al-Duwaila am vergangenen Sonntag wurden nach offiziellen Angaben mindestens 25 Menschen getötet, 63 weitere verletzt. AFP

Im Zuge des syrischen Bürgerkriegs sind viele Menschen aus Syrien nach Europa geflüchtet, auch nach Österreich. Dem Büro von Allgäuer zufolge leben mit Stichtag 31. März mittlerweile 4875 Menschen aus Syrien in Vorarlberg. Betrachtet man die Bevölkerung nach Staatsangehörigkeit, liegt Syrien nach Österreich, Deutschland und der Türkei auf dem vierten Platz.

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Abschiebungen nach Syrien: "Lage ist relativ instabil"
Politologe Thomas Schmidinger betont: “Es ist zu viel im Fluss, um ein endgültiges Urteil abgeben zu können.” Lustenau

Schon kurz nach dem Machtwechsel 2024 stoppte die Bundesregierung Asylverfahren von Syrerinnen und Syrern. Für Ausreisewillige gibt es seither eine Rückkehrhilfe von bis zu 1000 Euro. Zudem bemühte sich die Bundesregierung, Abschiebungen wiederaufnehmen zu können. Auch aus diesem Grund reiste Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Ende April nach Syrien, um die neuen Machthaber zu treffen.

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ABD0174_20250427 – DAMASKUS – SYRIEN: ++ HANDOUT ++ ZU APA0148 VOM 27.4.2025 – Innenminister Gerhard Karner (…VP/l.) und die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD), anlŠsslich eines Besuchs in Syrien am Sonntag, 27. April 2025 in Damaskus. – FOTO: APA/BMI/REISER – ++ WIR WEISEN AUSDR†CKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN […]
Innenminister Karner besuchte vor kurzem gemeinsam mit seiner deutschen Amtskollegin Syrien. APA/BMI/Reiser