Vorarlberger Kälber sollen auf Schlachthöfen in Ägypten gelandet sein

Tierschützer dokumentieren 22-stündigen Kälbertransport nach Spanien. Ein Teil der Tiere gelangte ihren Angaben zufolge nach Nordafrika und in den Nahen Osten.
Schwarzach 22 Stunden. So lange sollen wenige Wochen alte Kälber aus Deutschland und Österreich durch Europa transportiert worden sein. Die Odyssee zog sich über 1400 Kilometer. Das Ziel: Eine Sammelstelle in Spanien, danach verschiedene Mastbetriebe. Für manche der jungen Tiere, die noch auf Muttermilch angewiesen sind, ging es später sogar weiter bis nach Nordafrika und in den Nahen Osten. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Recherche der Vorarlberger Plattform „The Marker“ und der deutschen Tierrechtsorganisation „SOKO Tierschutz.“ Auch zwei Kälber aus Mellau und Lochau sollen über Spanien nach Ägypten verschifft worden sein, wo eine Schlachtung ohne Betäubung normal sei.

Anzeige erstattet
Ein Rechercheteam der beiden Organisationen hat eigenen Angaben zufolge im April einen Tiertransport ab einer Sammelstelle in Bayern dokumentiert, wo wöchentlich Kälber aus Milchviehbetrieben gesammelt und für den Export verladen werden. Die Fahrt führte demnach über Frankreich bis zu einer Sammelstelle in Nordostspanien. Dort soll der LKW nach rund 18 Stunden Transportzeit weitere vier Stunden gestanden sein, ohne die Tiere zu entladen. „SOKO Tierschutz“ hat wegen der dokumentierten zu langen Gesamttransportzeit von 22 Stunden Anzeige gegen die Transportfirma erstattet.

An der Sammelstelle in Spanien sind die Kälber dann der Recherche zufolge auf regionale LKW verladen und auf verschiedene Mastbetriebe im Landesinneren gebracht worden. Das Team von „The Marker“ und „SOKO Tierschutz“ besuchte elf Masthallen: „Sie dokumentierten kranke, sterbende und tote Tiere“, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung. In einem Betrieb konnten demnach Kälber aus sechs Ländern identifiziert werden: Österreich, Deutschland, Tschechien, Litauen, Frankreich und Irland. Spanien habe sich auf die Mast männlicher Jungtiere spezialisiert, die in Ländern wie Österreich oder Deutschland als unrentabel gelten.

Für einen Teil der Tiere bedeutete der Transport nach Spanien noch nicht das Ende. Über den Hafen Tarragona sollen sie nach der Mast weiter nach Nordafrika und den Nahen Osten verschifft worden sein. Sie stammten aus Betrieben in ganz Österreich und kamen über mehrere Zwischenhändler nach Spanien. Die beiden Organisationen verweisen hierfür auf offizielle Ladungslisten von Transportschiffen. „The Marker“ hat sie den Angaben zufolge über die Tierschutzorganisation „Animal Welfare Foundation“ erhalten. Darunter waren auch die Kälber aus Vorarlberg. „Die zwei Tiere aus Mellau und Lochau standen auf der Liste nach Ägypten“, sagt der Vorarlberger Tobias Giesinger, Gründer von „The Marker“ auf VN-Nachfrage. Neben Ägypten ging es für die österreichischen Kälber auch nach Libyen oder in den Libanon. In diesen Ländern werde ohne Betäubung geschlachtet, schildert Giesinger. „Selbst in den modernsten Schlachthöfen dort gibt es keine Betäubungsanlage.“

Der Vorarlberger Agrarlandesrat Christian Gantner (ÖVP) war zu den Vorgängen am Sonntag nicht erreichbar. Im März hatte er im VN-Gespräch darauf verwiesen, dass die Zahl der Kälbertransporte aus dem Land seit 2018 stark zurückgegangen ist: von 5755 auf 3709 im Jahr 2023 und 3396 vergangenes Jahr.
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Den Tierschutzorganisationen zufolge fehlt es indes an Transparenz, sobald die Tiere Österreich verlassen. Ann-Kathrin Freude von “The Marker” betont: “Unsere Recherche zeigt, wie das System mit den ungewollten Kälbern funktioniert, über Ländergrenzen hinweg und weitgehend unsichtbar für die Öffentlichkeit.”