Umstrittene Chance auf klimafittere Pflanzen

Aktuell wird auf EU-Ebene um den Umgang mit neuen Gentechniken gerungen. Österreich pocht auf Kennzeichnungspflicht.
Schwarzach Ernteausfälle nehmen zu. Die steigenden Versicherungskosten durch Dürre gewinnen auch in Österreich an Brisanz. Pflanzen könnten in Zukunft durch neue Gentechnik (NGT) widerstandsfähiger gegen Schädlinge oder Wassermangel gezüchtet werden. Auf EU-Ebene wird gerade um eine einheitliche Regel in der Pflanzenzüchtung gerungen. Vor einigen Tagen wurde eine zweite Verhandlungsrunde abgesagt. Der Knackpunkt: Als Endkunde würde man laut Gesetzesvorschlag der Kommission nicht mehr nachverfolgen können, ob Gentechnik eingesetzt wurde. Die strengen Regeln würden für einige neue genomische Verfahren gelockert und sie nicht mehr unter gentechnisch veränderte Organismen fallen.
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Vorarlbergs Landesregierung ist alarmiert. “Wir sprechen uns vehement gegen diese Verschleierungstaktik und Mogelpackung aus”, sagt Landesrat Christian Gantner (ÖVP). Ohne Kennzeichnung hätten Konsumenten keine Wahlfreiheit, sich für Produkte ohne Gentechnik zu entscheiden. Vorarlberg habe sich schon vor Jahren in Anbau und Milchwirtschaft als Vorreiter der gentechnikfreien Landwirtschaft positioniert, betont der Agrarlandesrat. Höchste Standards und Transparenz sollten “nicht nur auf unseren Feldern und Höfen, sondern auch in den Kaufregalen gelten”, fordert er.
Rechtsgutachten ortet Verstöße
Die grüne Abgeordnete Olga Voglauer wollte im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage von Konsumentenministerin Korinna Schumann (SPÖ) wissen, wie Österreich den Umgang mit der Genschere anlegt. Das Ministerium setze sich in der Ratsarbeitsgruppe weiterhin intensiv für Kennzeichnung, Wahlfreiheit und Vorsorgeprinzip ein, antwortete Schumann.
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Zudem habe Österreich auf die Unvereinbarkeit mit dem Cartagena-Protokoll hingewiesen, betont Schumann. Das völkerrechtliche Abkommen schützt die biologische Vielfalt durch Regeln für den Transport von gentechnisch veränderten Organismen. Laut eines deutschen Rechtsgutachtens würde der Gesetzesvorschlag der Kommission gegen wesentliche Punkte verstoßen. Ob die Regierung juristische Schritte plane, falls die Verordnung in dieser Form in Kraft treten sollte, ließ Schumann offen. Möglich ist etwa eine Nichtigkeitsklage beim EuGH.
Landwirtschaftskammer: Produkte müssen sicher sein
In der Landwirtschaftskammer spricht man sich ebenso wie im Land nicht dezidiert gegen die neuen Technologien aus. Man verfolge man einen “wissenschaftsbasierten Ansatz, keinen ideologischen”, sagt deren Präsident Josef Moosbrugger. Die Klimaverschlechterung mit all ihren Wetterextremen und Schädlingen schreite rasant voran. Kulturpflanzen müssten laufend angepasst werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. “Die neuen Züchtungsmethoden sind eine Chance, rasch klimafittere und widerstandsfähige Pflanzen zu bekommen.”
Moosbrugger betont: “Wir dürfen nicht alle Chancen von vornherein verteufeln, nur weil sie neu sind.” Man könne Eigenschaften erreichen, wofür man mit alten Züchtungsmethoden Jahrzehnte gebraucht hätte. Dazu könnten Krankheitsresistenz, Klimatoleranz, nachhaltiger Wasserverbrauch und verbesserte Nährstoffeffizienz zählen. Hinzu kommen Punkte wie Ertragssteigerung bzw. -stabilität und Qualitätssteigerungen. “Wenn wir uns dem wissenschaftlichen Fortschritt verwehren, der von anderen Ländern genützt wird, entstehen Nachteile für Forschung und Praxis”, sagt Moosbrugger. Aber, fährt er fort: “Das Wichtigste ist für uns, dass diese Produkte sicher sind.” Österreich stehe zu seiner Gentechnik-Freiheit, aber: “Was als Gentechnik einzustufen ist und was nicht, muss die EU in enger Abstimmung mit der Wissenschaft entscheiden.”