VN-Sommergespräch: “Ich habe allergrößten Respekt”

Politik / 08.08.2025 • 20:00 Uhr
VN-Sommergespräch: "Ich habe allergrößten Respekt"
Landeshauptmann Wallner möchte das Bürokratie-Problem für pflegende Angehörige lösen. VN/Steurer

Finanzen, Pensionen, Bürokratie: Wallner und die Herausforderung einer pflegenden Angehörigen.

Schwarzach Im Jahr 2006 änderte sich das Leben von Hale Hämmerle schlagartig. Seitdem pflegt sie ihr schwer beeinträchtigtes Kind zu Hause. Die Teilzeit-Angestellte spricht im VN-Sommergespräch mit Landeshauptmann und ÖVP-Chef Markus Wallner über ihre Probleme mit den Ämtern, ihre Ängste mit der Pension und ihre Finanzsituation.

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Im schwarz-blauen Regierungsprogramm steht: “Wer möchte, soll so lange wie möglich zu Hause betreut werden. Um die Angehörigen zu entlasten, brauchen sie gut organisierte und qualitativ hochwertige Unterstützung.” Frau Hämmerle, gibt es diese Unterstützung?

Hämmerle Ja es gibt sie, aber finanziell ist es eigentlich nicht leistbar. Ich kann nur Teilzeit arbeiten, nie Vollzeit. Würde ich 100 Prozent arbeiten, müsste ich eine qualifizierte Unterstützung für meine Tochter haben. Und da ist der Selbstbehalt zu hoch, auch wenn es Entlastungsgutscheine gibt. Allein der Lebenshilfe muss ich zwischen 700 und 900 Euro im Monat bezahlen. Dazu kommen die Windeln, das Essen, die Müllsäcke, die Medikamente, die ganzen Hilfsmittel. 

Wallner Ich habe allergrößten Respekt, wenn zu Hause eine Pflegeleistung, eine Betreuungsleistung erbracht werden kann. In Ihrer speziellen Situation ist die Belastung sehr hoch. Was das bedeutet, kann man gar nicht nachvollziehen, wenn man es nicht selber erlebt. Über 80 Prozent der zu Pflegenden wird zu Hause gepflegt, das ist ein sehr hoher Wert. Die finanziellen Hilfen sind ganz entscheidend. Die Teilzeitsituation kann sich auf die Pensionsleistung auswirken.

Hämmerle Ich habe mein Leben lang gearbeitet und würde weiter gerne 100 Prozent arbeiten. Ich kann bloß nicht mehr. Deshalb bin ich irgendwann armutsgefährdet. Dem muss das Land einfach einen Riegel vorschieben, damit auch wir als Eltern geschützt sind. Wir haben keine Chance, in der Pension normal zu leben. Und dazu kommt, dass es die Bürokratie nicht einfacher macht.

VN-Sommergespräch: "Ich habe allergrößten Respekt"
Hämmerle: “Ich habe mein Leben lang gearbeitet und würde weiter gerne 100 Prozent arbeiten. Ich kann bloß nicht mehr. Deshalb bin ich irgendwann armutsgefährdet.” VN/Steurer

Welche Bürokratie?

Hämmerle Als Mama mit beeinträchtigtem Kind ist es sehr sehr schwierig. Die Bürokratie ist ein Wahnisnn. Das Land, die PVA, das Finanzamt, alle brauchen etwas. Als es um die Erwachsenenvertretung meiner Tochter gegangen ist, habe ich irgendwann nicht mehr weitergewusst. Alle Türen waren verschlossen. Die Bürokratie macht uns psychisch und physisch kaputt. Wir sind schon 24 Stunden dran, schlafen in der Nacht wenig.

VN-Sommergespräch: "Ich habe allergrößten Respekt"
Wallner: “Man könnte das Bundessozialamt schon längst in die Sozialabteilungen integrieren, die dann den Service aus einer Hand anbieten.” VN/Steurer

Herr Wallner, Sie werben stets für Bürokratieabbau. Gilt das auch für pflegende Angehörige?

Wallner Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt, da sind Bundes- und Landesstrukturen doppelt aufgebaut worden. Etwa das Bundessozialamt und die Sozialabteilungen der Länder. Die geteilte Zuständigkeit macht es für Betroffene nicht leichter. Es braucht einen Ansprechpartner, der die Betroffenen durch das ganze System leitet. Wie im Pflegebereich das Case Management. Man könnte das Bundessozialamt schon längst in die Sozialabteilungen integrieren, die dann den Service aus einer Hand anbieten. 

VN-Sommergespräch: "Ich habe allergrößten Respekt"
Wallner: “Am Ende des Tages wäre es besser, man könnte so unterstützen, dass es Richtung Vollzeit geht, um die Pensionsleistung zu verbessern.” VN/Steurer

Noch einmal zu den Pensionen. Sollen pflegende Angehörige besser abgesichert werden?

Wallner Wenn man in Teilzeit ist, wird es zu verminderten Pensionsleistungen kommen. Es ist natürlich keine freiwillige Teilzeit, sondern eine notwendige. Armutsgefährdet soll am Ende niemand sein. Dazu gibt es Ausgleichszahlungen und andere Mechanismen, die zumindest das verhindern sollen. Am Ende des Tages wäre es besser, man könnte so unterstützen, dass es Richtung Vollzeit geht, um die Pensionsleistung zu verbessern. Aber da muss die Betreuung klarerweise funktionieren.

Hämmerle Was der Herr Wallner sagt, ist natürlich richtig. Aber wir können nichts dafür, dass wir in die Situation gerutscht sind. Ich habe immer 100 Prozent gearbeitet. Ich habe immer brav meine Steuern gezahlt. 2006 bin ich in die Situation gekommen. Ich wäre als österreichische Staatsbürgerin schon froh, wenn ich nicht auch noch Angst um meine Pension haben müsste. Gleichzeitig habe ich hohe Ausgaben. Ich muss das Badezimmer sanieren. Der Kostenvoranschlag ist 22.000 Euro. Seit fünf Monaten suche ich um Unterstützung, bekomme keine Antwort. Ich bin doch kein Bettler! Ich bin eine Mama, die sich um ihre Tochter kümmert. Am Ende bleibt ein Selbstbehalt von 5000 bis 8000 Euro. Wie soll ich das machen? Ich kann das nicht.

Wallner Wenn der Antrag so lange irgendwo herumschwirrt, muss man dem nachgehen. Da sollte doch eine Lösung für die individuelle Situation möglich sein. Das kann man aber nur tun, wenn es einen Ansprechpartner gibt. Es gibt Unterstützung, aber die sollte natürlich fließen.

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Hämmerle: “Ich muss das Badezimmer sanieren. Der Kostenvoranschlag ist 22.000 Euro. Seit fünf Monaten suche ich um Unterstützung, bekomme keine Antwort. Ich bin doch kein Bettler! Ich bin eine Mama, die sich um ihre Tochter kümmert.” VN/Steurer

Frau Hämmerle, wäre die Anstellung als pflegende Angehörige etwas für Sie?

Hämmerle Gibt es so etwas?

Wallner Ja. Wir haben das Projekt zunächst auf den Bereich Inklusion beschränkt. Aus meiner Sicht wäre es in Ihrer Situation eine Antwort, ohne dem Vorgreifen zu wollen. Da könnte man schauen, ob es nicht möglich wäre, in Teilzeit zu arbeiten und den anderen Teil zu Hause als pflegende Angehörige angestellt zu sein.

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Wallner: ” Da könnte man schauen, ob es nicht möglich wäre, in Teilzeit zu arbeiten und den anderen Teil zu Hause als pflegende Angehörige angestellt zu sein.” VN/Steurer

Hapert es also auch an der Information?

Hämmerle Ich habe davon nie gehört.

Wallner Es kann sein, dass es jetzt nicht überall durchgedrungen ist. Aber wir arbeiten ganz intensiv daran.

VN-Sommergespräch: "Ich habe allergrößten Respekt"
Wallner: “Wir haben mit der Zentralbürokratie nicht die beste Erfahrung gemacht. Doppelgleisigkeiten brauchen wir überhaupt nicht.” VN/Steurer

Herr Wallner, die Bundesländer verhandeln gerade über Reformen in der Kompetenzverteilung. Wo sehen Sie die großen Ansatzpunkte?

Wallner Es gibt mehrere Themenfelder. Bei der Energie ist es ganz entscheidend, dass die Landesgesetzgebung nicht komplett abgegeben wird. Wir haben mit der Zentralbürokratie nicht die beste Erfahrung gemacht. Doppelgleisigkeiten brauchen wir überhaupt nicht. Man wird sich auch Fragen der Gesundheit und Fragen der Bildung anschauen.

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Wallner vor dem Interview im Gespräch mit Hale Hämmerle mit ihrer Tochter und deren Begleitung. VN/Steurer

Wo könnte man bei der Bildung ansetzen?

Wallner Ehrlich gesagt: Die Bildungsdirektion ist eine Kopfgeburt. Ich will mich über die Arbeit überhaupt nicht negativ äußern. Aber die Konstruktion als Mischbehörde war von Anfang an nicht vernünftig. Sie gehört entflechtet, die Länder könnten die Bildungsverwaltung übernehmen. Einen deutlichen Strich würde ich bei der Elementarpädagogik ziehen, da sehe ich keinen Grund, warum sie Bundessache werden sollte. Ich kann mir nicht vorstellen, warum dort eine zentrale Bürokratie besser funktionieren soll. 

VN-Sommergespräch: "Ich habe allergrößten Respekt"
Auch nach dem offiziellen Sommergespräch diskutierten Hämmerle und Wallner lange. VN/Steurer

Sie sehen die Bildungspolitik also stärker in Länderverantwortung?

Wallner Zumindest sind die Länder dazu bereit, wenn die Finanzen stimmen. Eine Mischbehörde ist keine gute Idee gewesen. Man sollte sagen, wer die Verantwortung und die Finanzierung erhält. Das kann der Bund sein, das kann das Land sein. Naturgemäß bin ich hier für das Land.

VN-Sommergespräch: "Ich habe allergrößten Respekt"
Wallner: “Eine Mischbehörde ist keine gute Idee gewesen. Man sollte sagen, wer die Verantwortung und die Finanzierung erhält. Das kann der Bund sein, das kann das Land sein. Naturgemäß bin ich hier für das Land.” VN/Steurer