Neuer Leiter der Caritas-Flüchtlingshilfe: “Der Ton hat sich definitiv verändert”

Die Flüchtlingshilfe muss schrumpfen. Auch Personalabbau steht im Raum, berichtet Michael Rünzler.
Schwarzach, Feldkirch Seit dem Jahr 2015 hat sich die Arbeit der Caritas-Flüchtlingshilfe stark verändert. Damals, als Tausende Menschen ins Land drängten, weil sie ihre Heimat verlassen mussten, stand auch die Caritas vor großen Herausforderungen. Seitdem sind rund 10.000 Flüchtlinge in einem der zahlreichen Caritas-Quartiere gewesen. Bernd Klisch hat in dieser Zeit die Flüchtlingshilfe als Leiter maßgeblich geprägt. Nun steht ein Duo an der Spitze: Elisabeth Meusburger und Michael Rünzler. Die Zahlen sinken. Die Flüchtlingshilfe muss deshalb entsprechend schrumpfen – inklusive Personalabbau, wie Rünzler kürzlich die Caritas-Belegschaft informierte.
Die Flüchtlingshilfe ist die Dynamik gewohnt. “Schon 2016 und 2017 war es so”, erläutert Michael Rünzler (38). Damals erreichte die Caritas einen neuen Höchststand von 2842 Menschen in Betreuung, ab 2016 wurden dann Quartiere geschlossen. Im Jahr 2021 verzeichnete die Flüchtlingshilfe mit 914 Menschen den niedrigsten Stand seit 2015. 2022 dann die Kehrtwende. “2023 hatten wir mit 2927 Personen noch etwas mehr Flüchtlinge als im Jahr 2016, da sind aber auch viele Ukrainerinnen und Ukrainer dabei”, fährt Rünzler fort. Derzeit leben rund 2750 Kriegsvertriebene aus der Ukraine in Vorarlberg, 900 davon noch in einem Caritas-Quartier. Jetzt müssen kleinere Quartiere geschlossen und Personal abgebaut werden. Rünzler glaubt nicht, dass dies alleine mit natürlicher Fluktuation funktioniert. “Wahrscheinlich werden wir uns mit der Zeit auch von Mitarbeitern trennen müssen. Die wir vielleicht in ein paar Jahren wieder brauchen”, sagt er mit Blick auf die weltpolitische Lage.

Zehn Jahre Flüchtlingskrise – eine Zeit, in der sich die öffentliche Diskussion zum Thema massiv verändert hat, schildert der neue Leiter der Flüchtlingshilfe. “2015 sprach man von humanitärer Verantwortung und betonte, dass wir es gemeinsam schaffen. Jetzt wird von illegaler Migration geredet und ein Vorarlberg-Kodex eingeführt. Der Ton hat sich definitiv verändert.” Das erschwere die Arbeit in der Flüchtlingshilfe. “Weil die Menschen das spüren und merken, dass sie nicht willkommen sind. Teilweise zeichnet sich auch eine Perspektivlosigkeit ab.”
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Jüngstes Beispiel: die Pausierung der Asylverfahren für Syrerinnen und Syrer sowie des Familiennachzugs. “Was das in einem Menschen auslösen kann, kann niemand nachvollziehen.” Syrern, die auf dem besten Wege gewesen sind, sich zu integrieren, werde die Motivation genommen. “Gleichzeitig macht man das den Menschen dann zum Vorwurf. Aber Integration ist keine Einbahnstraße, die Rahmenbedingungen müssen stimmen”, betont Michael Rünzler. “Man hat das Gefühl, dass immer mehr gefordert wird und man gleichzeitig immer weniger bereit ist zu geben.” Viele Syrerinnen und Syrer würden wohl noch lange in Betreuungseinrichtungen bleiben, weil ihr Verfahren gestoppt wurde. “Der kurzfristige Stopp der Verfahren und des Nachzugs wird uns noch irgendwann auf den Kopf fallen und bringt nicht wirklich etwas.”

Schon jetzt wohnen in den Quartieren längst nicht nur Asylwerberinnen und Asylwerber. Manche große Familien finden auch nach Jahren keine passende und leistbare Wohnung, erzählt der Leiter der Flüchtlingshilfe. Zudem wohnen subsidiär Schutzberechtigte und abgelehnte Asylwerber in den Heimen. Diese Zahl ist zuletzt gestiegen. Der Antragsrückstau des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in Vorarlberg sei aufgearbeitet worden, da andere Bundesländer Verfahren übernommen haben. Einige bleiben aber nicht in den Quartieren. “Sie wissen: Ihre Reise ist vorbei, sie dürfen nicht arbeiten, keinen Deutschkurs besuchen und haben keine Perspektive mehr. Aber sie warten nicht, bis man sie abschiebt, sondern tauchen unter.”
Wie die Caritas damit umgeht, dass das Erstaufnahmezentrum in Nenzing für Ukrainer der privaten Betreuungsfirma ORS bald schließt, steht noch nicht fest. “Vielleicht werden wir selbst ein Mini-Erstaufnahmezentrum aufbauen müssen.”
Zunächst geht es aber ums Abbauen.
Menschen in Betreuung
Jänner 2015: 912
Höchststand im Zuge der Fluchtbewegung 2015/2016: 2842 im Juni 2016
Tiefststand: 914 im Juli 2021
Höchststand im Zuge der Fluchtbewegung 2022/2023: 2927 im Dezember 2023